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Fakten Nachricht, Reportage, Feature

Wie schreibt man eine Nachricht? Wie verfasst man an eine Reportage oder ein Feature? Mit der richtigen Vorgehensweise kommt man leichter zu einen guten Ergebnis.

Stand: 11.06.2012 | Archiv

Frau vor drei Monitore, tippt auf Tastatur | Bild: picture-alliance/dpa

Tipps zum Verfassen einer Nachricht

Da Sie nicht in einer Zeitungsredaktion sitzen, wo täglich Tausende von Agenturmeldungen hereingehen, die Sie als Nachricht bringen können, überlegen Sie selbst einmal, was es in Ihrer Umgebung 1. Neues, 2. Interessantes oder 3. Wichtiges gibt. Denn diese drei Faktoren machen denn so genannten Nachrichtenwert aus.

  • Recherchieren Sie, was das Neue daran ist.
  • Überlegen Sie, was genau das Wichtige, Bedeutsame daran ist und was vielleicht auf allgemeineres Interesse stoßen könnte, und ordnen Sie die recherchierten Daten dementsprechend hierarchisch. Wenn Sie alle sieben W-Fragen – Wer hat wann, wo, was, wie und warum gemacht, und woher weiß ich das? – beantworten können, ist das zumeist der Fall. Wenn Sie als achtes W noch beantworten können, für wen die Nachricht relevant ist, fällt Ihnen das Formulieren gewiss leichter.
  • Vergessen Sie, was Sie beim Schreiben von Reden und Referaten gelernt haben, nämlich, dass es eine Einleitung, einen Hauptteil und einen schönen Schluss geben muss, und verbannen Sie das chronologische Prinzip der Erlebniserzählung aus Ihrem Kopf.
  • Schreiben Sie nun den ersten Satz, den so genannten Lead. Er ist nicht Einleitung, sondern die Hauptsache selbst, in ihm muss bereits das Wichtigste/Interessanteste vorkommen. Aber Vorsicht, packen Sie nicht die Antwort auf alle sieben Ws auf Biegen und Brechen in den ersten Satz, das produziert nur unleserliche Satzmonster.
  • Vermeiden Sie jegliche Wertung, jegliche eigene Meinung. Wenn Sie die Meinung anderer wiedergeben, kennzeichnen Sie das unbedingt durch Anführungsstriche oder indirekte Rede.
  • Schreiben Sie in der Reihenfolge ihrer Bedeutung alle weiteren Informationen auf, z.B. Hintergrundinformationen oder ( eine begründende Einordnung in den gesellschaftlichen Kontext sowie Serviceangaben Formulieren Sie knapp, präzise, sachlich und verständlich, d.h. so anschaulich und konkret wie möglich, erklären Sie Fachbegriffe, nennen Sie die relevanten Menschen beim Namen – und zwar Vor- und Nachname, Namen sind Informationen! – und erläutern Sie deren Rolle/Amt. Benutzen sie möglichst Hauptsätze, die Subjekt und Prädikat statt substantivierter Verben und Partizipialkonstruktionen enthalten. Vermeiden Sie lange Schachtelsätze und vermeiden Sie Sätze mit mehr als 20 Worten, sonst überstrapazieren Sie das Erinnerungsvermögen der Leser.
  • Machen Sie die Probe aufs Exempel und kürzen Sie den Text von hinten her, natürlich nur im Geiste, wenn Sie fertig sind. Wenn im ersten Satz der Kern der Nachricht übrig bleibt, fabelhaft, dann können Sie anfangen zu kürzen, falls der Text 20 Zeilen überschreitet.
  • Kürzen Sie alle überflüssigen Füllworte (nämlich, also, denn, wie gesagt) und Floskeln, die einem beim Schreiben leicht unterlaufen, und überprüfen Sie, ob die Rechtschreibung und Grammatik stimmt.
  • Überprüfen Sie noch einmal, ob sich auch keine wertenden Adjektive, Verben oder Substantive eingeschlichen haben.
  • Lesen Sie sich den Text laut vor, verbessern Sie alle Holprigkeiten, die Sie dabei feststellen.
  • Wenn Sie all das befolgt haben, haben Sie eine echte Nachricht zustande gebracht. Wenn Sie das jetzt täglich üben, haben Sie Chancen, ein hervorragender Journalist zu werden. Weit schwieriger sind und andere Fähigkeiten und höhere Aufmerksamkeit erfordern indes Reportage und Feature.

Tipps zum Verfassen einer Reportage

"Die Reportage lebt von der Erzählung, der Spannung, der Bewegung. Das nächstliegende Gliederungsprinzip ist die Chronologie. Wo der Zeitablauf nichts hergibt, ist die journalistische Idee gefragt, damit Bewegung entsteht. Für offene Augen, konkrete Sprache und die Wahrheit gibt es keinen Ersatz." (Schneider S.113)

Die Reportage ersetzt nicht Nachricht oder Bericht, sondern ergänzt sie: durch den persönlichen Blick des Reporters, der mit seiner Reportage die Leser/Hörer/Zuschauer gleichsam über seine Schulter gucken lässt. D.h., wer eine Reportage macht, muss erst einmal selbst hinschauen, den Ort des Geschehens mit allen Sinnen erfahren und einfangen: hören, sehen, riechen, schmecken und gleichsam wittern, was da los ist. Und über diese sinnenfreudige Offenheit hinaus ist zweifellos Talent fürs und Spaß am anschaulichen Erzählen nötig. In gewissem Maße lässt sich aber auch das lernen.

Fragen Sie sich zunächst, was Sie für die Reportage brauchen, d.h. eignen Sie sich das nötige Hintergrundwissen zum Thema an (die bereits länger lodernden Konflikte, ähnliche Vorkommnisse andernorts etc.)

  • Sammeln Sie alle verfügbaren Informationen und Eindrücke vor Ort. Dazu gehören:

- eigene Analysen der Lage/ des Geschehens
- Interviews mit Menschen, die mit Ihrem Thema zu tun haben, betroffen sind z.B. als Opfer, Täter oder Zuschauer
- anschauliche Details über deren Aussehen, deren Gesten, deren Lage und Umgebung
- Details, aus denen die Stimmung vor Ort spricht (vom Wetter über den herrschenden Ton bis hin zur Vegetation).

  • Bauen Sie Ihre Reportage dramaturgisch in Szenen auf, nicht hierarchisch (nach Bedeutung) wie die Nachricht oder den Bericht.
  • Suchen Sie einen Einstieg, der wie eine Rutschbahn in den Text führt. Dazu taugen z.B.:

- aussagekräftige Zitate (Zitateinstieg)
- eindrucksvolle Bilder aus Worten (Fotoeinstieg)
- eindringliche Beschreibungen einer charakteristischen Handlung
- (rhetorische) Fragen
- verblüffende, paradox erscheinende Sätze/Wendungen
- Allgemeinplätze, die unmittelbar darauf zu einer ungewöhnlichen Erfahrung werden.

  • Spinnen Sie einen roten Faden und komponieren sie alle direkten und (Hintergrund)Informationen und Eindrücke so, dass eine Bewegung und Spannung entsteht. Das erreicht man z.B., indem man gegensätzliche Meinungen/Lagen der Interviewpartner zusammenstellt oder sukzessive zeigt, wie sich eine Lage immer mehr zuspitzt, gefährlicher oder absurder wird).
  • Gebrauchen Sie getrost die Ich-Form, aber verschonen Sie die Leser/innen vor Ihrer Meinung; schildern Sie die komplexe Lage so anschaulich, dass die Leser/innen sie sich selbst bilden können.
  • Lassen Sie die Menschen und Dinge für sich selbst sprechen.

3. Tipps zum Verfassen eines Features

Das Feature ist als umfassendes, mit viel O-Ton und Atmosphäre gespicktes Hörbild eigentlich im Radio zu Hause. Oft steht es aber für alle großen, attraktiv aufbereiteten, informierenden Formate und ist nicht leicht zu unterscheiden von Reportagen und Dokumentationen. Dennoch lässt sich als Faustregel einer möglichen Unterscheidung festhalten:

Beim Feature dient der Einzelfall – das konkrete Ding oder Geschehen, das Schicksal, die Gedanken oder Meinungen einer bestimmten Person – stets für ein damit illustriertes Allgemeineres, Grundsätzlicheres.

"Der ständige Wechsel zwischen Anschauung und Abstraktion, zwischen Schilderung und Schlussfolgerung kennzeichnet die Darstellungsform Feature. Ein Feature-Schreiber ist deshalb mehr als nur Reporter: er schildert zwar, ergänzt aber die Beschreibung durch sein Wissen." (La Roche S.139)

Wenn Sie ein Feature machen wollen:

  • Wählen Sie ein Thema, das von allgemeinerer Bedeutung ist; es muss im Unterschied zur Reportage oder dem Bericht nicht aktuell sein. Machen Sie sich klar, was Sie mit Ihren Beispielen sagen, bedeuten wollen. Wollen Sie z.B. Eine Kulturgeschichte des Kochens und Essens in der ehemaligen DDR (Thema eins Features im Deutschlandfunk) schreiben, informieren Sie sich zunächst allgemein über die Essgewohnheiten der DDR-Bürger zwischen 1945 und 1989, über die z.T. harten, auf jeden Fall begrenzten Bedingungen der Lebensmittelbeschaffung, über die Standardkochbücher, über Lieblingsgerichte an hohen Feiertagen etc.
  • Recherchieren Sie daraufhin bezeichnende Fälle aus den privilegierten wie den nicht privilegierten Schichten, z.B. die Essgewohnheiten der Funktionäre, die freien Zugang zu allen Lebensmitteln hatten, und die des Normalbürgers, der Schlange stehen musste, oder von Großmüttern, die noch gern im altem Stil für viele kochten, der arbeitenden Frauen, die oft nur am Wochenende kochen mussten, weil ihre Kinder im Hort und sie in Kantinen versorgt wurden etc.
  • Sammeln sie nun alle möglichen, für Ihr Gesamtbild bezeichnenden O-Töne und Anschauungsmaterialien. Z.B. bei der Esskultur Interviews mit den unterschiedlichsten Essern über ihre Lieblingsgerichte, Speiseplan eines Kindergartens/einer Stasi-Kantine, (für ein Radiofeature) Geklapper von Tellern in Großküchen oder anstoßende Weingläser in einem Lokal der Funktionäre etc.
  • Strukturieren Sie alles Material und bauen Sie den Beitrag in einem lockeren – bloß nicht zu schematischen – Wechsel von Anschauung und Bedeutung, von demonstrierendem Einzelfall und allgemeinerer Aussage. Wählen sie so beeindruckendes Anschauungsmaterial, dass die geschriebenen (oder im Hörfunk gesprochenen Worte) bei dem Stichpunkt Esskultur der DDR quasi einen Film im Kopf der Leser/Hörer ablaufen lassen.
  • Runden Sie Ihren Beitrag am Ende durch eine allgemeinere, eventuell auf Aktuelles bezogene Aussage ab. Beim Beispiel DDR-Esskultur z.B.: wie stark (Zahlen, Prozente) seit 1989 die regionalen Spezialitäten bedroht sind, vielleicht im Anschluss an ein Interview mit einem Thüringer Bürger, der entschieden die gute alte Bratwurst der neuen McDonalds-Imbisskultur vorzieht. Oder wie die "neue Esskultur" seit 1989 begrüßt wird, z.B. anhand der Zahl der seit 1989 allerorts aus dem Boden geschossenen italienischen Lokale, die deutsche Lokale verdrängen, und eines Interviews mit nudelbegeisterten Kindern, die froh sind, dass die neuen Pastavarianten sie davon befreien, gebratene Leber mit Apfelscheiben und Kartoffelpüree zu essen.

Literatur

  • Walter von La Roche. Einführung in den praktischen Journalismus. München 1999
  • Gerhard Schult/Axel Buchholz (Hg.). Fernseh-Journalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. München 2000 6. Auflage
  • Wolf Schneider, Paul-Josef Raue. Handbuch des Journalismus. Reinbek bei Hamburg 1999

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