Telekolleg - Deutsch


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Telekolleg Deutsch - Folge 9 Lyrik heute

Nach dem Zweiten Weltkrieg suchten Dichter nach einer neuen, zeitgemäßen Sprache. Doch die berühmte „Stunde Null“, in der alles neu beginnt, gab es auch in der Lyrik nicht. Vielmehr war sie geprägt von einer Mischung aus Bruch und Kontinuität.

Stand: 07.09.2016 | Archiv

Briefe und Manuskripte von Gottfried Benn | Bild: picture-alliance/dpa

1. Lyrik nach 1945

Die verstörenden Erfahrungen von Krieg und Nationalsozialismus bestimmten die deutschsprachige Nachkriegslyrik nachhaltig. Die einen – vorwiegend die Dichter der so genannten "inneren Emigration" wie Albrecht Goes (1908 – 2000), Friedrich Georg Jünger (1898 - 1977) und Gertrud von Le Fort (1876 - 1971), Elisabeth Langgässer (1899 - 1950) – traten nun erst Recht die Flucht vor der Wirklichkeit an und zogen sich auf eine romantisierende Naturpoesie und den Kult der Innerlichkeit zurück (vgl. Beutin S.532 und 542ff.). Für die anderen waren die Konzentrationslager und der Holocaust die einzig bestimmende Wirklichkeit, die aber kaum mehr in Worte zu fassen war – dies gilt vor allem für die Lyrik Paul Celans (1920 – 1970) und Nelly Sachs (1891 - 1970). Ihre Lyrik wird daher häufig als "hermetisch" bezeichnet.

"Hermetisch ist oft ein Ausdruck dafür, dass man nicht so genau hinschauen muss, aber das ist falsch. Es handelt sich bei Celan und Sachs vielmehr um eine extrem verdichtete Lyrik, was den Zugang erschwert, aber um eine Lyrik, die ganz und gar nicht antikommunikativ ist. Die Koordinaten dieser Lyrik sind die Traumata von Auschwitz. Celan hat dort seine Familie fast komplett verloren. Ausdrucksnot – für diese beispiellosen Gräuel Worte zu finden – und Ausdruckszwang – diesen Zivilisationsbruch festzuhalten, zu erinnern, die Wunde offen zu halten – erwachsen aus dem Thema und bedingen die komplizierte Kommunikationsstruktur dieser Dichtung", erläutert Dr. Georg Braungart, Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Tübingen.

Paul Celan

Bei seiner Rede anlässlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Freien Hansestadt Bremen erläuterte Celan die Sprache seiner Gedichte: "Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verlusten dies eine: die Sprache. Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten , hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen, durch tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, 'angereichert' von all dem" (Paul Celan. Ausgewählte Gedichte. Frankfurt a.M. 1979 8. Aufl. S.127f.).

Hier zwei Beispiele, ein Ausschnitt aus Celans berühmtem Gedicht "Todesfuge" und ein Gedicht von Nelly Sachs (1891-1970), die 1966 den Nobelpreis für Literatur erhielt:

Paul Celan aus: Todesfuge

...

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau...

Nelly Sachs: In der Flucht

In der Flucht
welch großer Empfang
unterwegs –

Eingehüllt
in der Winde Tuch
Füße im Gebet des Sandes
der niemals Amen sagen kann
denn er muß
von der Flosse in den Flügel
und weiter –

Der kranke Schmetterling
weiß bald wieder vom Meer –
Dieser Stein
mit der Inschrift der Fliege
hat sich mir in die Hand gegeben –

An Stelle von Heimat
halte ich die Verwandlungen der Welt –

Gottfried Benn (1886 – 1956) hingegen, dessen Expressionismus nach dem Krieg wieder populär wurde, propagierte eine Lyrik, die die prosaische Wirklichkeit hinter sich lässt und eine eigene poetische Wirklichkeit schafft und vertritt. Auch diese Flucht in den Raum zweckfreier, reiner Poesie lässt sich als Reaktion auf den Nationalsozialismus verstehen, mit dem Benn anfangs selbst sympathisierte. "Für Benn ist die ästhetische Form, die ganz für sich selbst steht und nicht vereinnahmt werden kann, die einzige Rettung nach Auschwitz", erklärt Prof. Braungart.

Gottfried Benn: Wer Allein Ist

Wer allein ist, ist auch im Geheimnis,
immer steht er in der Bilder Flut,
ihrer Zeugung, ihrer Keimnis,
selbst die Schatten tragen ihre Glut.
Trächtig ist er jeder Schichtung
denkerisch erfüllt und aufgespart,
mächtig ist er der Vernichtung
allem Menschlichen, das nährt und paart.

Ohne Rührung sieht er, wie die Erde
eine andere ward, als ihm begann,
nicht mehr Stirb und nicht mehr Werde:
formstill sieht ihn die Vollendung an.

2. Lyrik der 50er und 60er Jahre

Der Einfluss von Gottfried Benn ließ schließlich Mitte der 50er Jahre nach und die Lyrik wandte sich allmählich von der monologisierenden sprachmagischen Dichtung, die ihre eigene Wirklichkeit schafft, weg und wieder der realen Welt zu. Viele Dichter der jetzt sich durchsetzenden literarischen Moderne gehörten der Gruppe 47 an, in der jegliches Pathos als verdächtig galt und eine neue Sachlichkeit gefragt war. Vergangenheitsbewältigung und konkrete Gegenwartskritik prägten diese neue lyrische Bewegung, die sich zunehmend als politisch verstand und keine "Inhalte" mehr ausschloss:
"Das Gedicht ist schon insofern ein Politikum, als es nicht die gewöhnliche Sprache spricht. Natürlich kann das Gedicht von allem reden. Es kann ebensogut von Politik reden wie von Staubsaugern und Nachtigallen", so Hans Magnus Enzensberger (Jahrgang 1929) in den frühen 60er Jahren. In den Gedichten von Enzensberger, Peter Rühmkorf (1929 - 2008), Günter Grass (geb. 1927) machte sich die zunehmend politisierte Realität und der Protest breit, insbesondere seit dem Vietnamkrieg. Der Ton dieser engagierten Gedichte orientierte sich nun eher an Brecht als an Benn. Einen Höhepunkt der politischen Lyrik bildet das Werk von Erich Fried (1921 - 1988), z.B. Die Drahtzieher oder Gewalt. Je stärker die Lyrik der 68er-Bewegung politisierte und protestierte, desto größer wurde der Generalverdacht gegen die lyrische Form und ihre Gesetze. Trotzdem dürfe man hier nicht von einem Ende der Lyrik reden, erklärt Prof. Georg Braungart. Die Sprachspiele, Sprachakrobatik und der poetische Ton, etwa Erich Frieds, zeige, dass sich all diese Reaktionen gegen die traditionellen Formen der Lyrik noch explizit der poetischen Sprache bediene.

Eine ganz andere Art der Auseinandersetzung mit der Tradition bildete sich in den 60er Jahren heraus, die "Konkrete Poesie". "Darunter versteht man die Bewegung, die von der Sprache als dem eigentlichen Material des Gedichts ausgeht und auf das phonetische Potenzial setzt", erläutert Prof. Georg Braungart. Die "Konkrete Poesie", die durch Ernst Jandl (1925 – 2000) – etwa in dem Band Laut und Luise (1966) – und Eugen Gomringer (Jahrgang 1925) 33 Konstellationen (1960) populär wurde, lebt von der Performance, der Aufführung. Das wird schlagartig deutlich, wenn man das Gedicht von Ernst Jandl "Im Reich der Toten" laut liest.
Hier ein weiteres Gedicht von Ernst Jandl, "schtzngrmm", das ganz auf Vokale verzichtet und gerade dadurch das Getöse des Schützengrabens vernehmbar macht:

Ernst Jandl: schtzngrmm

schtzngrmm
t-t-t-t
t-t-t-t
grrrmmmmm
t-t-t-t
s--------c--------h
tzngrmm
tzngrmm
tzgrmm
grrmmmmm
schtzn
schtzn
t-t-t-t
t-t-t-t
schtzngrmm
schtzngrmm
tssssssssssssssssssss
grrt
grrrrrt
grrrrrrrrrt
scht
scht
t-t-t-t-t-t-t-t-t-t
scht
tzngrmm
tzngrmm
t-t-t-t-t-t.t-t-t-t
scht
scht
scht
scht
scht
grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr
t-tt

(Ernst Jandl. Laut und Luise S.38)

So schräg dieses Gedicht auf den ersten Blick aussieht und klingt – es ist Nonsens mit Sinn. Spielerisch wird das Wortmaterial in dem – wie in diesem Fall des Kriegsgedichts – Politisches mitschwingt, weiterverarbeitet und verselbstständigt zum Klingen gebracht. Wenn man indes in Jandls Gedichten das Gesagte platt rückübersetzt, wird es banal – das Geheimnis dieser Gedichte ist die unauflösbare Einheit von Inhalt, Stoff, sprachlichem Material und Form.

3. Lyrik der 70er Jahre

In der Lyrik der 70er Jahre treten das "Ich" und die subjektive Wahrnehmung der alltäglichen Gegebenheiten in den Vordergrund, als "Alltagslyrik" und Poetik der "Neuen Subjektivität" wurde sie bezeichnet. Vertreter dieser Bewegung waren so kontroverse Gestalten wie Rolf Dieter Brinkmann (1940 – 1975, beispielhafte Werke: Gras 1970, Westwärts 1 & 2, 1975) und Nicolas Born(1937 – 1979). Brinkmann war ein Fan der amerikanischen Beat- und Popliteratur und brachte einige erfrischend unkonventionelle Elemente in die deutsche Lyrikszene ein, wie der Anfang seines Gedichts Weit entfernte Sachen zeigt.

Rolf Dieter Brinkmann: Weit entfernte Sachen

Die am weitesten entfernten
Sachen z.B. am Morgen, kurz
nachdem man aufgestanden ist
eine große Dose Nivea-Creme
(Familiendose!), ein paar Nägel
die in die Wand geschlagen
werden müssen, damit man endlich
was zum Aufhängen hat

oder manchmal nur

der Kamm und die

Zahnbürste:

man muß ganz leer sein, um das von neuem zu begreifen und
schließlich dorthin zu gelangen,

wo alles wieder interessant wird,
was Leidenschaft erfordert

Kindersöckchen
Kondome "GH farbige 6"
Standardqualität

in der Psychofarbe "Nachtschwarz"

Wandung aus reinstem Naturkautschuk, 12 Stück – DM 4,70....

Der sensiblere und stillere Nicolas Born dokumentiert in seinen Gedichten, was der gewöhnliche Alltag in der BRD alles zu sehen und zu empfinden gibt, und wie er – sensibel wahrgenommen – verstören kann:

Nicolas Born: Horror, Dienstag

Die ruhenden flüchtig überteerten Straßenbahnschienen –
wieder ein Warten auf alte Zeiten
wie Rückkehr zum Handschriftlichen

Plötzlicher Regen, es ist Nachmittag
nur wenig Licht gesammelt in Gesichtern
nieselnde Gräue, die Felder nah
dunkle Wassergräben, Bäume stehen tief

Nasser Kragen nasse Lippen
Kind mit nassen Zöpfen führt alten Mann

Zementsilos neben dem Abstellgleis
Vogelschwärme Banner sinken
Verkäuferin winkt durch die Glaswand ab
Neuer Stadtrand flackert auf um sechs
ich denke an fern ausgesetzte "Inseln des Gehirns"

Baukräne, zementhelle Öde
Blick in die aufsteigende Welt
die nun doch nicht überlebt hat

Die DDR verlor im Zuge der Ausbürgerung des Liedermachers und Lyrikers Wolf Biermann ihre größten Dichter. Zur Erinnerung: Der gebürtige Hamburger übersiedelte 1953 in die DDR. Gegen den unbequemen Partei-Kritiker wurde 1966 zunächst ein Auftrittsverbot verhängt, 1976 wurde er schließlich ausgewiesen. Namhafte Schriftsteller protestierten damals gegen Biermanns Ausbürgerung, woraufhin die SED mit Publikationsverboten und anderen Repressalien reagierte. Die Lyrik, die auch in der DDR einen größeren subjektiven Spiel- und Freiraum erlaubte als die stärker unter Zensur stehende Prosa, unterstand nun auch der strikten staatlichen Zensur. Günter Kunert (geb. 1929), Sarah Kirsch (geb. 1935), Jurek Becker (1937 – 1997) und viele andere verließen die DDR.

Günter Kunert: Über einige Davongekommen

Als der Mensch
unter den Trümmern
seines
bombardierten Hauses
hervorgezogen wurde,
schüttelte er sich
und sagte:
nie wieder.

Jedenfalls nicht gleich.

Sarah Krisch: Elegie

Ich bin der schöne Vogel Phönix
Schüttle mich am Morgen, sage Pfeif drauf! bekomme sie, meine Seele
Gänseblümchenweiss
Ich bin
Der schöne Vogel Phönix
Aber durch das
Flieg ich nicht wieder

4. Lyrik heute

In den 80er und frühen 90er Jahren dümpelte die Lyrik etwas vor sich hin, kaum ein deutschsprachiger Dichter erreichte ein größeres Publikum. Durs Grünbein, der 1995 mit 33 Jahren für sein reiches poetisches Werk den Büchnerpreis erhielt, war eine Ausnahme, die diese Regel nur bestätigt .

Eine ganz andere, lebendige Art der Poesie ist der "Poetry Slam" (zu deutsch: Dichterwettbewerb). Als Erfinder des literarischen Vortragswettbewerbs gilt der Amerikaner Marc Kelly Smith. Ausgehend von Chicago verbreitete sich poetry slam in den 90er Jahren weltweit. Alltagslyrik, Selbstbespiegelung und Protest sind Gegenstand der Texte, die nicht mehr einfach gelesen, sondern von Profis und Amateuren virtuos artikuliert, aufgeführt, gefeiert und sinnlich erlebt werden. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es inzwischen zahlreiche, regelmäßig stattfindende Poetry Slams.

Wie ist es heute um die traditionelle Lyrik bestellt? Einer der vielseitigsten unter den deutschsprachigen Gegenwartsliteraten, ist Raoul Schrott (Jahrgang 1965). Er ist Lyriker, Essayist, Romancier und Übersetzer und hat sich wie kaum ein anderer dafür eingesetzt, dass die Poesie lebendig bleibt.

Raoul Schrott: Physikalische Optik I

er kam aus dem november . der hagel brachte
ihn herab . all das wasser auf den flügeln
die nähte und die grate einer gußform

die im regen hing bis der wind sie kappte
und er dann an die scheibe schlug wie ein bügel
der aus seinem schloß schnappt . der ahorn

dort und seine äste . so schwarz war er
eisengrau der bauch . nur ein paar federn
zum schwanz hin heller doch kaum scheinbarer

als seine schwere nun plötzlich am balkon
in die sich die krallen hakten . norwegen
oder die tundra . kein anderes land dachte

ich mir ließ diese tarnung zu und dem schnabel
nach zu schließen war es wohl ein sperling
augen dunkel wie mangan und ein ring

ganz weiß und schmal fast wie abgeschabt von diesem schauen . flüsse im winter wegwärts
ein erzeinschluß in den pupillen . das herz

ein flacher kiesel unter hagelschlossen zurückgelegt in den oktober . aufgehoben
war er leicht und das wort 'vogel' eine vokabel

unklarer herkunft und von irgendwo im norden innsbruck, 22.10.96

Raoul Schrott ist der Meinung, dass „ein Gedicht über einen Vogel unbedingt in das Repertoire eines Dichters gehört." In einer Analyse seines Gedichts beginnt er mit dessen Aufbau:

"Da spielen mehrere Komponenten mit, zuerst die visuelle: Das Gedicht ist aus drei Strophen mit jeweils drei verschieden langen Zeilen zusammengesetzt. Das hängt mit der Architektur des Gedichts zusammen, die ergibt sich aus klanglichen Übereinstimmungen, die letztlich wieder Sinnzusammenhänge konstituieren. Seine strenge Form erhält dieses Gedicht durch Lautgestalt und Rhythmus, seine melodischen Sequenzen werden aufgebaut durch Stabreim, Endreim, Assonanzen und Konsonanzen, also durch bestimmte Lautfolgen: Flügel – Bügel etc. Hier wird immer wieder mit Lautwiederholungen und natürlich auch mit Verschiebungen solcher Wiederholungen gespielt, aus denen sich neue Sinneinheiten ergeben. Jedes Gedicht, wenn es halbwegs gut konstruiert ist, funktioniert wie eine Allegorie: Man spricht das eine und meint etwas anderes damit. Hier ist das Wort gußform die Stelle, wo der eine Sinn in den anderen übergeht", erklärt Raoul Schrott.

Ein Beispiel für für humoristische Lyrik ist das Gedicht von Robert Gernhardt, Schriftsteller, Lyriker, Maler, Zeichner und Mitbegründer des Satiremagazins "Titanic".

Robert Gernhardt: Der Alte und der junge Dichter

Betritt der alte Dichter den Raum
hat der junge Dichter den Traum:
So alt zu werden wie der!
So alt und berühmt wie er!
Liest der junge Dichter im Blatt,
daß der alte uns verlassen hat.
Neidet er ihm sein End,
weil ihn nun alle Welt nennt.

Liegt der alte dichter im Grab,
denkt der junge Dichter: Nun hab
ich den alten vom Hals.
Merkt er bald: keinesfalls.

Tote Dichter sind schlimm.
Je toter, desto besser bei Stimm.
Wünscht sich der lebende, er
wär bald so tot wie der.
(Robert Gernhardt. Lichte Gedichte. S.92)

Dass Lyrik auch heute noch aktuell ist und bewegt, sieht man z.B. an der Diskussion über das Gedicht „Was gesagt werden muss“. Es ist eines von 87 Gedichten aus dem Gedichtband „Eintagsfliegen“ von Literaturnobelpreisträger Günter Grass. Seine teils politischen Gedichte sorgen einmal mehr für Zünd- und Gesprächsstoff.

Günter Grass mit SZ Artikel

In einem Artikel von Zeit online heißt es: ...Vanunu hatte 1986 im Ausland das geheime Nuklearprogramm Israels öffentlich gemacht. In dem Gedicht "Ein Held unserer Tage" dichtet Grass über Vanunu: "So heißt der Held, der seinem Land zu dienen hoffte, indem er half die Wahrheit an den Tag zu bringen." ... Grass ruft offen zum militärischen Geheimnisverrat auf – überall dort auf der Welt, wo Vernichtungswaffen hergestellt werden: "Drum: Wer ein Vorbild sucht, versuche ihm zu gleichen, entkleide, werde mündig, spreche aus, was anderswo in Texas, Kiel, China, im Iran und Rußlands Weite erklügelt wird und uns verborgen bleibt."

Quellen:

  • Wolfgang Beutin, Klaus Elert, Wolfgang Emmerich (Hrsg.) Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar 1994
  • Paul Celan. Ausgewählte Gedichte. Frankfurt a.M. 1979 8. Aufl.
  • Ernst Jandl. Laut und Luise Ernst Jandl. Stuttgart 1976
  • Robert Gernhardt. Lichte Gedichte. München 1997

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