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Gabriele Leonie Bräutigam Wilde grüne Küche / Wilde grüne Smoothies

Über Jahrtausende hinweg waren Wildkräuter eine der Hauptnahrungsquellen des Menschen. Heute weiß man von ihnen aber so gut wie nichts mehr. Das möchte Gabriele Leonie Bräutigam ändern – mit zwei Büchern.

Von: Tobias Föhrenbach

Stand: 04.05.2016 | Archiv

Gabriele Bräutigam ist Kräuterführerin und Buchautorin. Ihre Augen strahlen, während wir durch eine Ecke ihres Gartens schlendern. Jede Menge Unkraut findet sich hier. Nein, Moment Korrektur: Jede Menge fantastische Heilkräuter finden sich hier. Ernten statt Jäten ist die Devise.

"Als erstes hier der Löwenzahn, da können wir natürlich die Blüten und die Blätter essen. Löwenzahn ist die wichtigste Pflanze, die die Nieren anspricht. Und dann gleich daneben, ich muss überhaupt nicht aufstehen, haben wir hier die Brennnessel – die Pflanze, von der wir uns vielleicht von allen Pflanzen in der Natur am besten ernähren können. Einen Schritt weiter haben wir hier die Goldrute. Was die wenigsten wissen: die ganz jungen Triebe der Goldrute kann man sehr gut als Antipasti zubereiten, mit geschnippelten Karotten zum Beispiel, in Olivenöl  geschwenkt. Man kann sie aber auch als eines unserer wertvollsten Haus- und Heilmittel für die Blasengesundheit verwenden."

Gabriele Leonie Bräutigam

So könnten wir noch stundenlang weitermachen. Zu jeder Pflanze, zu jedem Blatt weiß Gabriele Leonie Bräutigam Erstaunliches zu berichten. Welche Wirkung haben Blüte, Stängel, Wurzel und Blatt? Wie genau muss die Pflanze zubereitet werden, damit sie ihre gewünschte Wirkung entfaltet? Was kann ich wie und wo pflücken und was eignet sich besonders gut zum Kochen?

Eine Kräuterwanderung zum Lesen

Gabriele Leonie Bräutigam hat ihr Zuhause in der historischen Oed-Mühle, Nähe Weigendorf in der Oberpfalz. Sie ist zertifizierte Kräuterführerin und bietet kleine Wanderungen inklusive Kochkurs  an, bei denen man viel über unsere heimische Wildkräuterwelt erfährt. Ein Wissen, das vor vielen hundert Jahren noch selbstverständlich war, dann aber nach und nach verloren gegangen ist. Ihre Wildkräuterbücher sind wie eine Kräuterwanderung zum Lesen, auf jeder Seite stößt man auf köstliche Bodenschätze.

"Meine Wildkräuterbücher haben einen sehr praktischen Nutzwert, deshalb erkläre ich die Pflanzen, damit man sie wirklich sicher sammeln kann. Ich mache Rezeptvorschläge, die wirklich gut schmecken, deshalb habe ich sie auch mit Köchen erarbeitet. Denn das Wissen ist das eine, der Geschmack resultiert nicht unbedingt aus dem Wissen, das ist eine anderer Erfahrungsebene. Wenn sich das ergänzt, ist es das Schönste überhaupt."

Gabriele Leonie Bräutigam

Info und Bewertung:

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Die beiden Bücher "Wilde grüne Smoothies" und "Wilde Grüne Küche" sind beim Hans-Nietsch-Verlag erschienen. Die Autorin heißt Gabriele Leonie Bräutigam. In Oed kann man der Kräuterführerin auch persönlich begegnen, zum Beispiel bei einer Kräuterwanderung.

Für eine gesunde Ernährung sucht man oft nach Wundermitteln, dabei reichen kleine Mengen der Wildkräuter. Denn sie sind Kulturgemüse an Mineralien, Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen im Schnitt um das 23-Fache überlegen, sagt Gabriele Leonie Bräutigam. Ernährung und Heilkunde gehen bei ihr immer Hand in Hand. So finden sich im Buch "Wilde Grüne Küche" zum Beispiel zehn ausführliche Wildpflanzenportraits – quasi die Top Ten der besten Energiepflanzen. Etwas weiter vorne liest man sich durch kleine überschaubare Exkursionen über Anbau, Vorräte, Mengen, die Ausrüstung fürs Sammeln und viele Tipps zum Ernten der Wildkräuter.

"Hunde markieren mit Vorliebe immer an den gleichen Stellen, das ist ihr Informationsnetzwerk. Beim Ernten darum unbedingt fünf Meter Abstand zum Wegrand halten. Die häufig verwendete Redewendung 'Delikatessen am Wegesrand' ist eher als Metapher zu verstehen – nicht als Handlungsaufforderung."

(Auszug aus dem Buch 'Wilde Grüne Küche' von Gabriele Leonie Bräutigam)

"Wildes Picknick" – ausgefallene und einfache Gerichte

Hat man durch die ersten anschaulich aufbereiteten Seiten der Bücher nun schon reichlich Sympathie zu den unterschätzen Wildkräutern aufbauen können, so  lassen einem die folgenden Kapitel schließlich das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die Rubrik "Wildes Picknick" überrascht durch wirklich ausgefallene, wie auch einfache Gerichte. Ein paar davon entstanden in Zusammenarbeit mit dem Koch und Patissier Friedel Hentrich ,der unter anderem im Adlon in Berlin seine Ausbildung machte.

Die Rezepte klingen zuweilen anmutig: Ackerheldenbruschetta mit Giersch-Tomaten, Wilder grüner Buchweizenpfannkuchen, gebackener Camembert im Dostkleid mit Tomatenchutney, dazu eine Blütenstraußschorle und als Nachtisch zum Beispiel ein Rosarotes Traubenkirsch-Sorbet auf Schoko-Kokos-Reis. Und wer da noch immer wiederstehen kann, dem wird durch großformatige, liebevolle Fotografien der Köstlichkeiten der imaginäre Gaumen gekitzelt.

Verzicht auf die Moralkeule

Das Angenehme in den Wildkräuter-Büchern ist, dass hier auf die Moralkeule verzichtet wird. Keine Angriffe gegen Fleischesser, kein Lanzebrechen für den ohnehin schon vorhandenen Vegan-Hype.  Der Nutzen dieser uns umgebenden Bodenschätze steht im Fokus und allein daraus ziehe ich als Leser vorteilehafte Rückschlüsse. Natürlich ist der andere Blick auf die Natur, das gesamtkörperliche Erleben der Natur eine erwünschte Metaebene. Es ist aber auch nicht schlimm, wenn sich diese nicht bei einem einstellt. Die Bücher sind darüber hinaus einfach auch Bücher für schnelle, leckere und bisher unbekannte Rezepte. Ach so, was sich aber auf jeden Fall nach der Lektüre verändert ist der Weg durch den eignen Garten – am Un- , nein am Heilkraut vorbei.


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