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Die neue Fleischeslust Von Eichelschweinen und Wagyu-Rindern

Die fleischlose Ernährung liegt nach wie vor im Trend. Gleichzeitig entwickelt sich aber auch eine Gegenbewegung, die ungehemmt der Fleischeslust frönt. Besonders beliebt ist nachhaltig gewachsenes Fleisch von edlen Rinderrassen und Schweinen.

Von: Hannelore Fisgus und Christian Schiele

Stand: 16.01.2018 | Archiv

Die große Mehrheit der Deutschen isst mehr als genug tierisches Eiweiß – das belegt die Nationale Verzehrstudie. Ihr zufolge sind es hierzulande die Männer, die reichlich Fleisch genießen. Jeder von ihnen isst täglich 103 Gramm Fleisch, Wurst oder sonstige Fleischprodukte, das sind mehr als 700 Gramm jede Woche. Frauen hingegen verspeisen im Durchschnitt nur knapp die Hälfte davon.

In den Entwicklungsländern hat sich der Fleischkonsum seit 1980 mehr als verdoppelt, teilt die Welternährungsorganisation FAO mit. In China habe sich der Verbrauch sogar vervierfacht. Auch in den Industrieländern stieg der - ohnehin schon hohe - Verbrauch weiter an. Und die Viehwirtschaft wächst weiter: Bis 2050 rechnen die Experten mit einer Verdoppelung der jährlichen Fleischproduktion.

Wagyu als Gipfel der Genüsse

Das fein marmorierte Fleisch eines Wagyu-Rindes

Viele Fleischesser setzen hierzulande aber inzwischen auf Klasse statt auf Masse: nachhaltig gewachsenes Fleisch liegt im Trend. Als Gipfel der Genüsse gilt das Wagyu, auch Koberind genannt – ein fettdurchzogenes, marmoriertes Fleisch, das früher den japanischen Kaisern vorbehalten war.

Ludwig Maurer ist Koch und Landwirt – und einer, der die neue Lust auf Qualitätsfleisch in Deutschland maßgeblich angestoßen hat. In Rattenberg, in der Nähe von Straubing, hat er den Hof von seinem Großvater übernommen und kümmert sich dort um seine Herde von 70 Wagyu-Rindern.

"Wagyu-Rinder sind kleiner als unser Fleckvieh, sie sind Schwarz und haben Hörner. Wagyu haben einen kleinen Arsch und eine große Brust – so wie es sein soll."

Ludwig Maurer, Landwirt und Koch

Maurer gilt als Fleischpapst. Seine japanischen Rinder sind per Embryonentransfer in Niederbayern auf die Welt gekommen. Und Maurer war einer der ersten, der den Trend zum teuren Fleisch erkannt hat

"Ich war damals in Kopenhagen als Koch und habe für den Vorstand eines großen Konzerns Koberind zubereitet. Die Preise waren damals erschlagend: 450 Euro für ein Kilo Filet, ein Kilo Roastbeef hat 350 Euro gekostet. Da hab’ ich mir überlegt, wenn die Leute so deppert sind und für ein Kilo tiefgekühltes Fleisch aus Amerika so viel Geld zahlen, dann müssen sie doch für frisches Biofleisch aus Bayern genauso viel zahlen. Und das war die Geburt meiner Idee."

Ludwig Maurer, Landwirt und Koch

12.000 Euro für ein halbes Rind

Und seine Idee funktioniert. Um die 12.000 Euro kostet ein halbes niederbayerisches Wagyu-Rind.

Historische Schweinemast wiederbelebt

Konjunktur haben auch Schweine, die ein glückliches Leben auf Weiden oder in Eichenwäldern führen. So wie bei Hans Huss. Der Agraringenieur hat seine Diplomarbeit über die historische Schweinemast in Wäldern geschrieben.

"Man hat die Schweine im Wald ernähren müssen, sonst hätten sie das Getreide gefressen und wären zum Nahrungskonkurrenten des Menschen geworden. Es war die einzige Methode, die Schweine fett zu machen, indem man sie mit Waldfrüchten gefüttert hat. Es gab früher Hirten, die die Schweine von den Bauern im Herbst eingesammelt haben und mit denen im Wald gelebt haben – bis kurz vor Weihnachten, bis sie geschlachtet wurden."

Hans Huss, Agraringenieur

Diese Art der Schweinehaltung war schon bei den Römern üblich und in ganz Europa verbreitet. Als Hans Huss mit seiner Diplomarbeit fertig war, war er so von der Idee überzeugt, dass er sie umsetzte.

Bock auf "Beef!" – Fleisch ist Männersache

Ein Mann blättert in der Zeitschrift "Beef!"

Zelebriert wird die neue Lust am Fleisch auch in Hochglanzmagazinen wie beispielsweise "Beef!". "Die Zeitschrift für Männer mit Geschmack" lautet der Untertitel der Zeitschrift. Im vergangenen Jahr wurde "Beef!" von der Lead Academy sogar zum Magazin des Jahres gewählt – und hat damit den Oscar der Printmedien erhalten.

Das Blatt wurde auch schon mal "Playboy für Fleischfresser" genannt. Die Zielgruppe sind junge, gut situierte Männer. Beef-Leser kaufen bevorzugt in Feinkostgeschäften ein – und dürfen keine schlechten Esser sein. Hier geht es zur Sache: Ob Rind, Lamm oder Schwein – detailliert werden die Tiere und ihre Tauglichkeit für das Gourmetmahl beschrieben: wie man sie zerlegt, wie man sie grillt, wie man sie schmort, worauf es bei Fleisch und Zubehör ankommt. Klare Anweisungen sind die Stärke des Magazins und die Aussage lautet ganz klar: Fleisch ist Männersache.

Wenn Fleisch, dann richtig gutes

Inzwischen pflegen zahlreiche Lokale den Fleischkult. Sie stellen Filets und Koteletts in Vitrinen zur Schau, in unterschiedlichen Reifegraden, und inszenieren die Zubereitung am Tisch. Die Lokale nennen sich "Zum goldenen Kalb", "Kapitales vom Kalb" oder "Drunken Cow" und sie servieren: Fleisch. Nein, sie zelebrieren Fleisch.

Ganze Rinderrücken hängen da in teuren Reifeschränken, die Filets werden vor den Augen der Gäste zugeschnitten. Gereiftes, fein marmoriertes Fleisch, möglichst am Knochen, wird auf sündteuren Grills zubereitet. Im Unterschied zu den bekannten Steakhaus-Ketten kommt das Fleisch in diesen Restaurants von regionalen oder zumindest von europäischen Erzeugern. Denn immer mehr Fleischesser legen großen Wert auf die Qualität des Fleisches und darauf, dass die Tiere, die auf dem Teller landen, ein Leben in Würde geführt haben.


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