BR Heimat


25

5) Die Kellnerin "Bayerische Berufungen und Instanzen"

In der Reihe "Bayerische Berufungen und Instanzen" geht es um Menschen, die quasi "von Berufs wegen" prägende Persönlichkeiten unserer Alltagskultur sind - und deshalb besonderes Ansehen genießen. Ulrike Zöller beschäftigt sich mit Vergangenheit und Gegenwart des Kellnerinnen-Berufes.

Von: Ulrike Zöller

Stand: 27.08.2016 | Archiv

"Eine frische Mass, kredenzt von der Kreszenz, der Kathi oder Rosi, das ist schon auch heute für viele noch ein Hochgenuss. Die Maler, die Dichter aller Epochen wurden nicht müde, sie zu verewigen, sie zu schildern mit all ihren Eigenheiten, sie zu loben, zu lieben und - zu schimpfen über die Jahrhunderte hinweg."

(Ludwig Thoma)

Maßkrugjongleurin oder Rechengenie

Bauernwirtshaus bei Altötting (1890)

Und auch bei Ludwig Thoma selbst, Ödön von Horváth oder Heinrich Heine, standen die bayerischen Kellnerinnen für bestimmte Menschen- oder gar Göttinnentypen. Bei Ludwig Thoma ist die Kellnerin eine Art Katalysator, strenges oder charmantes Bindeglied zwischen den sozialen Schichten, den hohen Herren und den einfachen Bauern. - Ob Seelenmutter oder Bärbeißige, ob Maßkrugjongleurin oder Rechengenie: Die Kellnerin ist eine der wichtigsten Identitätsfiguren der Bayern.

Kellnerin Peggy aus Ghana

Die ghanaisch-bayerische Kellnerin Peggy bei der Arbeit

Ein Bild von einer Frau ist auch die aus Ghana stammende Kellnerin Peggy aus dem Herrschinger Seehof, längst Institution geworden durch ihre Souveränität, ihr offenes Lachen, ihre zurückgebundenen Rastazöpfe - und die schönsten Kellnerinnen-Dirndl Bayerns: Wie angegossen sitzen die geschmackvollen Kleider auf ihrer schwarzen Haut und ihrem perfekten Kellnerinnen-Körper. Peggy erzählt:

"Ja, ich habe jeden Sonntag meist ein Dirndl an und unter der Woche hab ich schwarzen Rock und weiße Bluse. Die Dirndl mach ich selber, ich mache nämlich seit vier Jahren bei der VHS einen Nähkurs. Ich habe eine sehr strenge Nähkurslehrerin und von ihr kann ma scho sehr viel lernen."

Peggy deutet es an: Es gibt in Bayern zwei traditionelle Kellnerinnen-Trachten: Das bunte Dirndlkleid mit weitem Rock und Schürze - oder die Tracht, die Erich Felder in seiner Abhandlung über die Münchner Kellnerin beschreibt:

"Die Amtstracht der zivilisierten Kellnerin ist bekanntlich schwarz, ob dieses klösterliche Zunftkleid in den Monaten ohne 'r' der blütenweißen Bluse weicht, hängt vom Temperament des Wirtes ab. Trotz des Uniformzwanges bieten Material und Schnitt der Montur Gelegenheit, den persönlichen Geschmack und die Mittel zu dessen Befriedigung ahnen zu lassen."

(Erich Felder)

"Wannst a Kellnerin liabst, brauchst koan Durst nimmer leidn ..."

Die "Schützenliesl", Schützenscheibe von 1881

Was ist davon übrig geblieben bei der Erzieherin, die ihr Gehalt durch "Kellnern" nach Feierabend aufstocken muss, bei der Sächsin, die begeistert in einem Augsburger Traditionswirtshaus bedient - oder bei der üppigen afrikanischen Schönheit im Dirndl, die im oberbayerischen Biergarten Maßkrüge stemmt? Und wie bestechlich sind die heute gebräuchlichen Computersysteme, welche die Bestellung der Kellnerin nebst Rechnung direkt an Küche und Kasse übermitteln? Der Dichter Georg Queri zumindest müsste sich eine neue, ganz andere Strategie zurechtlegen als die von ihm überlieferte:

"Wannst a Kellnerin liabst
Brauchst koan Durst nimmer leidn
Kost an Wirt schö betrüagn
Na derspart er si d’Kreidn"

(Georg Queri)

Buchtipp: Die Kellnerin Anni

  • Autor: Herbert Rosendorfer
  • Taschenbuch: 128 Seiten
  • Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Juli 2004)
  • ISBN-10: 3423132213
  • ISBN-13: 978-3423132213

"Herbert Rosendorfer, der Meister der Beobachtung gab in seinem Monolog 'Die Kellnerin Anni' dem bayerischen Prototyp der weiblichen 'Servicekraft im Gastronomiebetrieb' oder der 'Restaurantfachfrau' eine Stimme. Der Verwundbaren und doch Allmächtigen, der ewig Weiblichen, der Herrscherin und der Beherrschten." (Ulrike Zöller)

DVD-Tipp: Monika Gruber ist Kellnerin Monique - "Schmeckt's ned?"

Monika Gruber

  • Darsteller: Monika Gruber
  • Format: Dolby, HiFi Sound, PAL
  • Anzahl Disks: 1
  • Studio: Sony Music Entertainment
  • Erscheinungstermin: 17. Februar 2006
  • Produktionsjahr: 2005
  • Spieldauer: 110 Minuten
  • ASIN: B000E6TXLC

Die Kabarettistin Monika Gruber erfand 2004 die Kunstfigur der Kellnerin Monique, die sich, während im Nebenzimmer eine Hochzeitsgesellschaft feiert, Luft macht über die Gäste - oder die Menschheit an sich.


25