Bayern 2 - radioWissen


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Millionenschnüffler und Schuldenbremser

Von: Volker Eklkofer / Sendung: Stefan Schmid

Stand: 17.07.2014 | Archiv

Soziale und politische BildungMS, RS, Gy

Staatliche Misswirtschaft verursacht Jahr für Jahr beträchtliche Schäden. Als Spürhunde im Dickicht der Bürokratie decken die Prüfer des Bundesrechnungshofes Fehler auf, beraten Behörden und sorgen für eine gute Haushaltsführung.

Sorgloser Umgang mit Steuergeldern       

Die Bundeswehr kauft 230 Millionen Schuss Munition, verstaut sie in feuchten Depots, 40 Prozent der Patronen sind bald unbrauchbar. Für die Truppe werden teure Boote bestellt. Deren Motor ist aber so schwer, dass sich die Wasserfahrzeuge kaum manövrieren lassen. Über Neubaustrecken baut die Bahn Brücken, die niemand benötigt. Solche Meldungen über Verschwendungsfälle im Regierungs- und Behördenapparat sorgen Jahr für Jahr für Schlagzeilen - nämlich dann, wenn der Bundesrechnungshof seine "Bemerkungen" vorlegt und neben Parlament und Regierung auch die Öffentlichkeit über manch haarsträubende Ausgabe informiert.

Deutschlands Kassenwart - der Bundesrechnungshof

Der 1950 gegründete Bundesrechnungshof, dessen Mitarbeiter gern von "dem Hof" sprechen, ist als Oberste Bundesbehörde ein unabhängiges Organ der Finanzkontrolle. Er unterliegt keiner Über- oder Unterordnung, das Grundgesetz (Art. 114 Abs. 2) garantiert seine Eigenständigkeit. Zu den Aufgaben des Bundesrechnungshofes zählt die Kontrolle der staatlichen Finanzen, er prüft die Bundesverwaltung, das Bundesvermögen sowie die Sozialversicherungsträger. Auch Bundesbeteiligungen nimmt er unter die Lupe. Derzeit sind im Bundesrechnungshof neun Prüfungsabteilungen für 49 Prüfungsgebiete zuständig.

Die "Väter des Grundgesetzes" haben die richterliche Unabhängigkeit der Prüfer des Bundesrechnungshofes als Schutz vor politischer Einflussnahme festgeschrieben. Sie können frei entscheiden, welcher Behörde sie wann einen Besuch abstatten. Dort muss ihnen Zugang zu allen Akten gewährt werden. Der Bundesrechnungshof prüft dann die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit (Kosten-Nutzen-Relation) und die Ordnungsmäßigkeit (Einhaltung von Rechtsvorschriften) der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Politische Entscheidungen werden vom Bundesrechnungshof nicht durchleuchtet.

Von "üblichen Verdächtigen" und Whistleblowern - wie der Bundesrechnungshof die Fährte aufnimmt

Der Bundesrechnungshof befasst sich mit bereits getätigten Ausgaben von Behörden, kann sich aber auch in aktuelle Entscheidungen einschalten. Er untersucht stichprobenartig oder befasst sich mit Schwerpunkten, in denen es in der Vergangenheit häufig Auffälligkeiten gab. Solche "finanzträchtigen" Bereiche sind beispielsweise die Bundeswehr und der Verkehrssektor.

Nicht selten werden dem Bundesrechnungshof Informationen über Verschwendungsfälle zugespielt. Diese Nachrichten stammen von Einzelpersonen in Behörden, von ausgebooteten Bewerbern um öffentliche Aufträge, aus der Bevölkerung, aus Verbänden oder aus Bürgerinitiativen. Manchmal bringen auch Medienberichte die Prüfer auf eine "heiße Spur". Vom Instinkt und der Erfahrung der Rechnungshofmitarbeiter hängt oft der Erfolg einer Untersuchung ab. Im Anschluss erhält die geprüfte Stelle eine Mitteilung und kann dazu Stellung nehmen.

Stille Einigung oder Skandalisierung - wie "der Hof" Bürokraten zur Räson bringt

Der Rechnungshof übt nicht nur Kritik an mangelhafter Haushaltsführung, er gibt auch Empfehlungen, wie Abhilfe geschaffen werden kann. Meist nehmen betroffene Behörden den Rat an, denn sie fürchten peinliche Nachforschungen übergeordneter Stellen, Presserummel oder gar Bürgerproteste.

Ob ein Fall bekannt wird, entscheidet der Bundesrechnungshof in eigener Verantwortung. Einmal jährlich legt er dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung seine "Bemerkungen" vor und präsentiert sie auch der Öffentlichkeit. Der Jahresbericht zeigt Entlastungsmöglichkeiten für den Bundesetat auf und nennt Fälle außergewöhnlicher staatlicher Vergeudung - eine Blamage für betroffene Stellen, die viel Druck erzeugt.

Kritisierte Verwaltungen müssen vor dem Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen. Außerdem fasst der Bundestag oft Beschlüsse, um solche Vergehen künftig zu verhindern. Anprangerung ist also eine wirksame Waffe, die der Bundesrechnungshof gezielt einsetzt, um widerspenstige Bürokraten zurechtzuweisen.

"Ritter ohne Schwert"? Erfolg auch ohne Exekutivgewalt

Der Bundesrechnungshof darf einer geprüften Behörde weder Anweisungen geben noch Sanktionen verhängen. Er hat kein Mandat, um sie zur Umsetzung seiner Empfehlungen zu zwingen, sein einziges Druckmittel ist die Öffentlichkeit. Aber er berät auch und zeigt künftige Einsparmöglichkeiten auf. So entstehen Vertrauensverhältnisse und es kommt vor, dass Prüfer konsultiert werden noch bevor Finanzentscheidungen überhaupt fallen.

Im politischen System der Bundesrepublik Deutschland verharrt der Bundesrechnungshof in einer Rolle als Prüfer, Berater, Begleiter und Mahner. Unwirtschaftlich agierende Amtsschimmel kann er allenfalls öffentlich anprangern. Eingriffe in den demokratischen Entscheidungsprozess sind ausgeschlossen. Geht es um Einnahmen und Ausgaben des Bundes, soll letztendlich die Politik entscheiden, ob Empfehlungen der Rechnungsprüfer angenommen werden. Manche Subventionen, die der Rechnungshof gern beseitigt sähe, sind politisch gewollt. Sie wurden von einer Mehrheit im Parlament, von demokratisch legitimierten Repräsentanten des Volkes beschlossen und haben große Bedeutung für den Bestand einer Koalitionsregierung. Der Rechnungshof hat sich in solchen Fällen zurückzuhalten.

Wenn der Tugendwächter mit dem "Haushälter" tanzt - enge Zusammenarbeit zwischen Rechnungshof und Parlament

Das Verhältnis von Parlament und Bundesrechnungshof ist vielschichtig und verflochten. Der mächtige Haushaltsausschuss des Bundestages, der Jahr für Jahr den Haushaltsplan des Finanzministers durchleuchtet und regelmäßig Kürzungen vornimmt, betrachtet den Bundesrechnungshof als Verbündeten. Rechnungshofmitarbeiter nehmen an Sitzungen des Haushaltsausschusses teil und stehen als Ratgeber bereit, wenn mit einzelnen Ressorts über den Etat verhandelt wird. So verwundert es nicht, dass ein früherer Präsident des Bundesrechnungshofes seine Behörde gern als "Auge des Parlaments" bezeichnete.

Der Rechnungsprüfungsausschuss, ein Gremium des Haushaltsausschusses, das sich vorrangig mit dem Vollzug von Ausgaben beschäftigt, arbeitet die "Berichte" des Bundesrechnungshofes ab und fordert betroffene Behörden meist zu Konsequenzen auf. Zeigt sich ein Ministerium uneinsichtig, vermittelt der Rechnungsprüfungsausschuss und versucht, wie eine Abgeordnete in der Sendung sagt, "eine Win-Win-Situation zu schaffen".


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