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Das Thema Die legendäre Maria

Stand: 30.03.2011 | Archiv

Lucas Moser: Meerfahrt | Bild: http://www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH

Die in der abendländischen Malerei ausgebildete ikonografische Magdalenentradition stützt sich einerseits auf die Berichte der Evangelien und die von Gregor dem Großen geschaffene Mischfigur der Sünderin aus Magdala. Mindestens ebenso wichtige Impulse steuert andererseits die von Jacobus de Voragine fixierte legendarische Vita bei.

Die Legende

Als sich die Jünger nach Pfingsten in alle Welt verstreuen, werden Maria, Lazarus und Martha zusammen mit anderen Christen auf ein führerloses Schiff gesetzt und aufs Meer gestoßen. Statt wie erhofft umzukommen, gelangen sie durch Gottes Fügung sicher nach Marseille. Hier beginnt Maria, den Heiden das Evangelium zu verkünden. Der Landesfürst weist ihre Missionierungsversuche zurück. Er will weiterhin seinen Abgöttern opfern, damit sie ihm Nachwuchs schenken. Da die Verstoßenen obdachlos sind und Not leiden, erscheint Maria der Frau des Fürsten im Traum und bittet um Hilfe für die Gestrandeten. Zweimal verschweigt die Fürstin aus Furcht vor dem Zorn ihres Mannes die Erscheinung, bis sich Maria schließlich in der dritten Nacht beiden zeigt. Bis ins Mark erschrocken gewährt der Fürst den Heimatlosen Unterkunft und Nahrung.

Bevor er sich taufen lässt, fordert der Fürst einen Machtbeweis Gottes: Sollte seine Frau schwanger werden, wäre die Wahrheit des Glaubens bezeugt. Als das geschieht, brechen der Fürst und seine Frau nach Rom auf, um sich von Petrus im Glauben unterweisen zu lassen. Auf der Überfahrt stirbt die Fürstin bei der Geburt des Sohnes. Die Seeleute wollen den Leichnam ins Meer werfen, um die Elemente zu besänftigen. Der Fürst bittet sie, den Leichnam und das Kind stattdessen auf einem Felsen auszusetzen. Während er die Tote auf den Stein bettet, hadert er mit Maria Magdalena: Sollte die Fürbitte Magdalenas und die Macht Gottes tatsächlich so groß sein, wie versprochen, möge sich Gott der Seele seiner Frau und des schutzlosen Neugeborenen annehmen.

Der Fürst setzt seine Reise fort, findet Petrus in Rom und bricht mit ihm zu einer Reise nach Jerusalem auf. Nach zwei Jahren bricht der Fürst zur Heimfahrt übers Meer auf. Sein Schiff gerät in die Nähe des Felsens, auf dem er den Leichnam und das Kind ausgesetzt hatte. Am Strand findet er einen gesunden, wohlbehaltenen Knaben, der an der Brust der Mutter trinkt. Im Vertrauen auf die Fürbitte Maria Magdalenas wünscht er sich nun auch seine Frau ins Leben zurück. Die Tote erwacht und berichtet, sie habe, von Magdalena begleitet, während ihr Leib zwei Jahre auf der Insel ruhte, gleichfalls eine Pilgerfahrt ins heilige Land unternommen. Sie kehren nach Marseille zurück, werfen sich der Heiligen zu Füßen, empfangen die Taufe und zerstören alle Götzentempel.

Kurz darauf zieht sich Maria in die Wildnis der Provence zurück. Sie lebt 30 Jahre lang in einer Grotte beim heutigen St. Maximin-la-Sainte-Baume, wird von Gott mit himmlischer Speise versorgt. Engel tragen sie täglich während der sieben Gebetsstunden in die Lüfte, wo sie dem Lobgesang der Heerscharen lauscht. So lebt sie unerkannt, bis eines Tages ein Priester Zeuge dieser Entrückungen wird. Maria gibt sich zu erkennen und kündigt ihren nahen Tod an. Engel führen sie am vorbestimmten Tag nach Aix, wo sie im Dom die Kommunion empfängt und stirbt. Ihr Leichnam, dem ein wunderbarer, süßer Wohlgeruch entströmt, wird prunkvoll bestattet.

Um das Jahr 769 gründet der burgundische Herzog Gyrardus das Kloster Vézelay. Er schickt einen Mönch nach Aix, der ihm Reliquien der Heiligen bringen soll. Die Stadt ist zerstört, den Heidensturm hat nur ein marmornes Grabmal überstanden, das der Mönch öffnet, um die Gebeine Maria Magdalenas zu bergen. Nachts erscheint ihm die Heilige und willigt in die Überführung ihrer Reliquien nach Vézelay ein. Dort werden sie mit großen Ehren bestattet. In der Folge werden große Wunder berichtet. Maria Magdalena erweckt Tote, die ohne Beichte und Buße sterben mussten, damit sie die letzte Ölung doch noch empfangen können und nicht unvorbereitet vor Gott treten müssen.


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