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Gesinnungsterror im Namen Gottes Glossar

Stand: 08.07.2015 | Archiv

BegriffeErklärung
AlbigenserDas Wort Albigenser dient seit dem 12. Jahrhundert als ungenaue Sammelbezeichnung für jene militant-häretischen Gruppierungen, die in der Umgebung der südfranzösischen Stadt Albi (im heutigen Département Tarn) und im westlichen Languedoc ihr Zentrum haben. Hauptströme sind die Katharer- und Waldenserbewegungen, die auch aus dem Adel reichen Zulauf erhalten. Wesentliche Angriffspunkte der Bewegungen sind das reformbedürftige Papsttum und der Dominanzanspruch der römischen Kurie. Den Höhepunkt der Kirchenopposition bildet 1145/55 die Gründung eines eigenen Bistums in Albi.
Durch das Bündnis mit den provenzalischen Territorialherren wachsen sich die Albigenser zur gefährlichsten Bedrohung der Kirche im hohen Mittelalter aus. Ihre zunehmende Macht kann erst der von Papst Innozenz III. nach der Ermordung eines päpstlichen Legaten 1209 ausgerufene Albigenserkrieg (1209-1229) eindämmen. Die Niederlage der Albigenser bedeutet einen entscheidenden Machtzuwachs der französischen Krone unter Ludwig VIII.; endgültig zerschlagen wird die Bewegung durch die Inquisition.
ArianerDer Arianismus geht zurück auf die Lehren des Presbyters (Kirchenältester) Arius (um 280-336). Im Zentrum steht die Auffassung, dass die Wesenseinheit Christi mit Gott dem Vater abzulehnen sei, weil sie im Gegensatz zum Glauben an einen einzigen, ungeteilten Gott stehe. Für die Arianer ist Christus ein allein aus göttlichem Willen erschaffenes, als Sohn lediglich angenommenes Geschöpf. Statt der Wesensgleichheit (Homousie) lehren sie die bloße Wesensähnlichkeit (Homoiousie) Christi mit dem Vater.
Die Unvereinbarkeit dieser Lehre mit dem katholischen Bekenntnis führt zum Konflikt. Das Konzil von Nikaia (325) verdammt den Arianismus. Auf dem Konzil von Konstantinopel (381) wird die Wesensgleichheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist als verbindliche Trinitätslehre definiert. Wesentliche Momente des Arianismus halten sich bis ins 6./7. Jahrhundert unter den christianisierten Germanen, vor allem bei den Goten.
BogumilenDie Bogomilen, slawisch für "Gottesfreunde", breiten sich ab dem 10. Jahrhundert auf dem Balkan und in ganz Kleinasien aus. Wesentliche Lehrinhalte sind dem Mänichäismus entlehnt. Sie verwerfen die Taufe, das Abendmahl, die Verehrung religiöser Bilder und des Kreuzes. Zentrum ihres Wirkens ist das Gebiet des heutigen Bosnien. Seit dem 12. Jahrhundert werden sie vom byzantinischen Staat verfolgt. Bekehrungsversuche bleiben ohne Erfolg. Nach der Eroberung Konstantinopels (1463) tritt die Mehrzahl der Bogumilen zum Islam über.
DominikanerDer Dominikanerorden, eine der bedeutendsten Ordensgemeinschaften der katholischen Kirche, ist nach dem heiligen Dominikus benannt, der um 1170 im spanischen Caleruega zur Welt kommt. Nach philosophischen und theologischen Studien wird er Domkapitular am Domstift zu Burgo (östlich von Valladolid). Dominikus ist mit Bischof Didacus von Azevedo befreundet und lernt auf einer Romreise mit diesem die Waldenser- und Albigenserbewegungen - und dabei vor allem die Misserfolge der Kirche in der Häretikermission kennen. Didacus führt, unterstützt von Dominikus, als neue Missionsmethode die Nachfolge der Apostel in Armut und Wanderpredigt ein. 1206 gründete Didacus in Prouille bei Toulouse ein Missionszentrum, im Jahr darauf übernimmt Dominikus die Leitung der Station.
Zu Fuß, ohne Geld, nur von Almosen lebend, beginnt Dominikus seinen Feldzug gegen die Häretiker. Als Wanderprediger stellt er sich seinen Gegnern immer wieder zur Diskussion. 1215 formiert Dominikus in Toulouse eine Gemeinschaft von Predigern - Keimzelle eines auf Armut und Studium basierenden Bettelordens, den Papst Honorius III. am 22. Dezember 1216 bestätigt. Energisch breitet Dominikus seinen Predigerorden (ordo predicatorum, OP) in Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland, Ungarn und England aus. Er stirbt am 6. August 1221 in Bologna, am 3. Juli 1234 wird er von Papst Gregor IX. heilig gesprochen. In den folgenden Jahrhunderten erhalten Dominikaner vom Papst und von Ortsbischöfen oft den Auftrag der kirchlichen Inquisition. Wegen ihres Eifers bei der Untersuchung möglicher Häresien nennt man die Dominikaner bald domini canes, (Spür-)Hunde des Herrn.
GnosisDie Gnosis ist ein schillerndes, komplexes, mehrphasiges und vor allem ein sehr vielgestaltiges Phänomen. Das griechische Wort Gnosis bedeutet "Erkenntnis" und bezeichnet damit zunächst jede Art philosophischen Strebens um Wahrheit. Im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus stehen die Begriffe Gnosis, Gnostik und Gnostizimus jedoch hauptsächlich für eine nicht fest umrissene religiös-philosophische Strömung, deren Anhänger sich häufig als Christen bezeichnen. Diese christlichen Gnostiker entwickeln eigene Auffassungen vom Wesen, von der Natur und vom Wirken Christi, die deutlich von der apostolische Lehre abweichen. Im Zentrum steht ein strikter Dualismus zwischen Gut und Böse, Licht und Finsternis, Geist und Materie, der in dieser Welt nicht aufzuheben ist.
Weitere unversöhnliche Streitpunkte bilden das Gottesverständnis und die Frage nach der Erlösung des Menschen. So lehnen christliche Gnostiker etwa die Gleichsetzung des neutestamentlichen mit dem des alttestamentlichen Gottes ab. Die sichtbare Welt ist in ihrem Verständnis nicht die Schöpfung des einen unendlich guten Gottes, sondern das Werk eines bösen Halbgottes (Demiurgen) und daher ebenfalls verdorben, nichtig, finster, in bloßer Stofflichkeit befangen. Damit ist der Gegensatz zwischen der rein geistigen, göttlichen Wirklichkeit und der materiellen, verdorbenen Welt schlichtweg unaufhebbar. Daher ist Christus selbst in seiner Inkarnation auch nicht wirklich, sondern nur scheinbar Mensch geworden. Erlösung erfährt der Mensch somit nicht durch den Kreuzestod Christi, sondern durch geistige Erkenntnis Gottes und die Befreiung der Seele bzw. des Geistes aus dem "Gefängnis des niederen Fleisches".
GlaubenskongregationAls Nachfolgerin der heiligen Inquisition entsteht die Glaubenskongregation unter Papst Paul VI. im Jahr 1965. In dogmatischen Fragen ist sie die höchste vatikanische Kurienbehörde. Die Reinhaltung des katholischen Glaubens ist ihre Aufgabe, doch sie soll die kirchliche Lehre nicht nur verteidigen, sondern vor allem fördern, vertiefen und durch positive Studien anregen. Darüber hinaus untersucht die Kongregation Glaubensverstöße und bestimmt, welche Sanktionen Abweichler zu erwarten haben. Auch für die Maßregelung moralischer Verfehlungen Geistlicher ist die Glaubenskongregation zuständig. Zu Fragen aus umstrittenen Themenfeldern wie Evolutionslehre, Embryonenforschung oder Homo-Ehe bemüht sich die Kongregation Antworten aus dem Glauben zu finden.
Aufsehen erregende Aktivitäten der Glaubenskongregation in den letzten Jahrzehnten waren der Entzug der kirchlichen Lehrbefugnis des Tübinger Theologen Hans Küng, die Abstrafung linker Befreiungstheologen (Leonardo Boff) und erzkonservativer Piusbrüder (Marcel Lefebvre) sowie das erzwungene Ausscheiden deutscher Bistümer aus der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung. Ein prominenter Behördenleiter war ab 1981 der damalige Erzbischof Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. (2005-2013).
Häretiker (gr. hairesis = Wahl)Als Häretiker gelten in der Urkirche Personen, die einer von Irrlehren hervorgerufenen Gruppierung angehören. Häresie, der Gegenbegriff zur Norm der Rechtgläubigkeit (Orthodoxie), wird seit der Privilegierung des Christentums durch Kaiser Konstantin den Großen und dessen Erhebung zur Staatsreligion durch Kaiser Theodosius I. zunehmend als Staatsverbrechen betrachtet. Nach dem mittelalterlichen Ketzerrecht ist Häresie ein von der Inquisition zu verfolgendes todeswürdiges Verbrechen. Auch nach dem Erlahmen der Inquisition im Zuge der Aufklärung müssen Häretiker mit Bestrafung (beispielsweise Exkommunikation) rechnen.
Hexen (ahd. hagzissa = Zaunteufel)Die Vorstellung von Hexen, die sich mit bösen Mächten verbünden und den Menschen Schaden zufügen, hat ihre Ursprünge im vorchristlichen Volksaberglauben. Die Verfolgung von Hexen wird bereits im Sachsenkapitular Karls des Großen thematisiert. Im Zeitraum 15. bis 17. Jahrhundert erfasst ein regelrechter Hexenwahn Europa. Befürchtungen, dass Christen mit Dämonen paktieren, verbinden sich mit Ängsten vor der Frau als Verführerin und Beute des Teufels. Aber auch Männer und Kinder werden der Hexerei bezichtigt. Der durch die "kleine Eiszeit" bedingte Klimawandel trägt wesentlich zum Hexenwahn bei. Agrarkrisen mit Missernten, sterbendem Vieh und steigenden Getreidepreisen beunruhigen die Bevölkerung - Schuldige werden gesucht.
Papst Innozenz VIII. erlässt 1484 die Hexenbulle Summis desiderantes, die Dominikaner Heinrich Kramer und Jakob Sprenger verfassen den berüchtigten "Hexenhammer" (Malleus maleficarum, 1489) eine Art Handbuch für Hexenjäger. Angesichts erfolgreicher Bemühungen Geistlicher, Exzesse zu zügeln, empfiehlt der "Hexenhammer" das Verbrechen der Hexerei eher weltlichen Gerichten zuzuweisen. Rechtlich zählt die Hexerei zu den gemischten Verbrechen: Das weltliche Gericht ist für Schädigung an Leib und Leben zuständig, das geistliche Gericht - und die Inquisition - befasst sich mit Aspekten wie "Teufelsbuhlschaft" und widernatürlicher Unzucht. Der Feuertod soll Hexen vom Teufel befreien. Die Masse der Hexen wird allerdings von rein weltlichen Gerichten abgeurteilt, Machthaber versuchen nicht selten aufmüpfige Untertanen mit Hexenprozessen zu disziplinieren.
Hexenverfolgungen verlaufen in Europa in mehreren Wellen, die Opfer kommen aus allen Schichten der Gesellschaft. Nach Schätzungen des Historikers Wolfgang Behringer werden in dreieinhalb Jahrhunderten europaweit etwa 50.000 Menschen getötet, die Hälfte davon in Deutschland, das in kleine Territorien zersplittert ist und anders als straff geführte Zentralstaaten wie Frankreich Hexenjägern verschiedener Couleur Betätigungsmöglichkeiten bietet. Hexenverfolgungen finden sowohl in katholischen als auch in protestantischen Gebieten statt. Als erster prangert der Jesuit Friedrich von Spee (Cautio criminalis, 1631) die Unmenschlichkeit der Hexenprozesse an. Im Zuge der Aufklärung und der Lieferung rationaler Erklärungsmuster durch die Naturwissenschaften ebbt der Hexenwahn schließlich ab.
Katharer (gr. katharoi = die Reinen)Die Ursprünge der Katharer-Bewegung sind in der Forschung nicht einvernehmlich geklärt. Wahrscheinlich kommt die religiöse Bewegung im 11./12. Jahrhundert aus dem Balkan nach Westeuropa und verbreitet sich vor allem in Südfrankreich und Oberitalien. Dort werden die Kartharer gazzari genannt, woraus sich das deutsche Wort Ketzer ableitet.
Unstrittig ist ein direkter Einfluss der Bogomilen, des Manichäismus und der Gnosis auf die Inhalte der Katharerlehre. Wesentliches gemeinsames Merkmal all dieser Glaubensbewegungen ist eine streng dualistische Scheidung zwischen dem gut gedachten Gott und dem Teufel als widerwerkendem Schöpfer der Welt. Als Produkt des satanischen Demiurgen kann die Welt nur böse sein. Die Seelen der Menschen sind gefallene Engel und müssen durch strengste Askese gereinigt und geläutert werden. Die ethisch-moralischen Ansprüche der Katharerlehre an ihre Anhänger sind folglich sehr hoch. Des ewigen Heils können sich nur die makellos reinen perfecti sicher sein. Als weitere Selbstbezeichnungen sind christiani oder boni homines gebräuchlich.
Während der ersten Zeit beschränken sich die Katharer darauf, das apostolische Armutsideal zu predigen. Später lehnen die Katharer die Kirchenhierarchie und die Sakramente ab, verwerfen Ehe, Eid und Krieg als sündhaft. Als höchste Instanz setzen sie ein so genanntes Katharerkonzil ein. Die Amtskirche will dies nicht hinnehmen. Die Katharer, wegen ihres südfranzösischen Zentrums Albi auch Albigenser genannt, werden zu Ketzern erklärt. Papst Innozenz III. (1198-1216) startet einen Kreuzzug gegen die Katharer und ermutigt die weltliche Obrigkeit zu einem harten Vorgehen - Abertausende werden getötet. Trotz der unnachgiebigen Verfolgung hält sich die Sekte in einigen Gegenden Südfrankreichs bis ins 14. Jahrhundert und in Italien bis in die ersten Jahre des 15. Jahrhunderts hinein.
KetzerDer Begriff ist eine Umformung des Wortes Katharer, die in Italien gazzari genannt werden. Als Ketzer gelten schließlich alle Personen, die von den kirchlich vorgeschriebenen Glaubensinhalten abweichen. Zu ihrer Verfolgung entsteht die Inquisition.
ManichäerDer Manichäismus, eine aus zoroastrischen (altpersischen) und frühchristlich-gnostischen Elementen von dem persischen Prediger Mani (Manichäus, etwa 215-276) begründete Religion, lehrt den radikalen Dualismus zwischen Geist-Materie, Gut-Böse, Teufel-Gott. Dem Herrscher des Lichtreichs steht der Herr der Finsternis unversöhnlich gegenüber. Zentrales Anliegen des Manichäismus ist die ungeteilte Verneinung der Welt. Aufgabe des Menschen ist muss es sein, durch Ablehnung alles Irdischen und durch Loslösung von der Welt zum Sieg des Lichts beizutragen.
Trotz Verbots durch Kaiser Diocletian (284-305), breitet sich der Manichäismus Ende des dritten Jahrhunderts über ganz Nordafrika, Syrien, Südgallien, Kleinasien, Griechenland und Italien aus. Kirche und Kaiser sind alarmiert, sie sehen den Staat in Gefahr. Kaiser Theodosius I. (379-395) geht massiv gegen die Manichäer vor; er konfisziert ihre Güter, lässt sie zu Staatsfeinden erklären, verbannen oder hinrichten. Im 6. Jahrhundert ist die Strömung in Europa zur Bedeutungslosigkeit abgesunken.
WaldenserPetrus Waldes, gestorben vor 1218, stiftet 1173/76 in Lyon eine Genossenschaft (Arme von Lyon), die sich den Idealen der Buße und freiwilliger, apostolischer Armut verschreibt. Bald rückt der Ruf nach freier Predigt ins Zentrum der Bemühung um mehr spirituelle Eigenständigkeit der Anhänger. Die Waldenserbewegung nimmt wesentliche Aspekte der zahlreichen Forderungen nach einer Reform der Kirche an Haupt und Gliedern auf. Bereits 1184 exkommuniziert Papst Lucius III. (1181-1185) die Gemeinschaft auf der Synode von Verona.
Anfänglich in Opposition zu den Katharern, geraten die Großteils friedlichen Waldenser zunehmend unter den Einfluss der deutlich aggressiveren Katharer. Im Einklang mit dieser Sekte verwerfen die Waldenser Lehrautorität und Hierarchie der Kirche, lehnen die Sakramente und vor allem auch die Heiligen- und Reliquienverehrung ab. Sie stellen sich gegen die Lehre vom Fegfeuer, die Fürbitte für Verstorbene, gegen Ablass, Eid, Zehnt, Kriegsdienst und Todesstrafe. Papst Innozenz III. gelingt es, den gemäßigten Flügel der Gruppierung wieder mit der Kirche zu versöhnen.
Während des Mittelalters haben die fortan pauperes catholici (katholische Arme) genannten Anhänger vor allem in Süddeutschland mit den Zentren Passau und Regensburg großen Zulauf. In Böhmen gehen die Waldenser ein Bündnis mit den Hussiten ein. Die Schweiz und Unteritalien, hier vor allem Piemont und Savoyen (Aufstand der Waldenser 1689) werden in der frühen Neuzeit zu Verbreitungsschwerpunkten der Bewegung. Zu blutigen Verfolgungen kommt es im 16. und 17. Jahrhundert, die erst mit dem Edikt von Nantes ein Ende finden. In diese Zeit fällt auch die Gründung zahlreicher Kolonien durch Sektenanhänger, die aus Savoyen nach Deutschland geflohen sind. Bis heute können sich in piemonteischen Seitentälern Waldensersiedlungen erhalten.

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