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Wenn das Hirn hungert, hamstert der Körper

Süße Droge Wenn das Hirn hungert, hamstert der Körper

Stand: 30.06.2017

Dicker männlicher Bauch | Bild: colourbox.com

Das Stresssystem ist der Hauptakteur des Brain-Pulls, mit dem das Gehirn seine Zuckerversorgung aktiv absichert. Es schüttet Adrenalin und Cortisol aus, um die Insulinproduktion zu stoppen. Dadurch können die Körperzellen keine Glucose mehr aufnehmen. Nur das Gehirn ist fein raus: Es braucht kein Insulin, um Zucker zu verwerten. Weil die Konkurrenz via Insulinblockade ausgeschaltet ist, sahnt es den ganzen Zuckersegen alleine ab.

Zuckernot in der Endlosschleife

Solang das Stresssystem funktioniert, funktioniert auch der Brain-Pull. Ist das Glucosebestellsystem jedoch gestört und ganz ausgeschaltet, kommt nicht mehr genug Zucker im Gehirn an. Das löst drastische Rückkoppelungen entlang der gesamten Liefer- und Steuerungskette aus: Sackt der Glucosespiegel im Gehirn ab, regt es eine erhöhte Nahrungsaufnahme an, um an den nötigen Zucker zu kommen. Das erhöhte Nahrungsangebot fährt die Insulinproduktion hoch, dadurch wird dem vermehrt Glucose entzogen und als Fett eingelagert. Weil dadurch der Blutglucosegehalt wieder sinkt, kommt noch immer zu wenig Glucose ins Gehirn. Um den Blutzuckerspiegel anzuheben, gibt das vegetative Nervensystem erneut die Parole "Hunger" aus und kurbelt die Nahrungsaufnahme weiter an. Das Ganze ist eine Endlosschleife: Der erhöhte Insulinspiegel baut Fettreserven auf, der Blutzuckerspiegel steigt, der Hunger wird größer. Wie sich diese Fehlsteuerung hochschaukelt, zeigt am Ende die Waage.

Coole und weniger coole Stresstypen

Doch was bringt den Brain-Pull so aus dem Tritt, dass er nicht mehr genug Zucker heranschaffen kann? Die Wissenschaftler um Achim Peters glauben, eine Antwort auf diese Frage gefunden zu haben. Ob der Brain-Pull ordnungsgemäß funktioniert, und ob wir dick werden oder schlank bleiben, hängt aus ihrer Sicht davon ab, wie wir mit Stresssituationen umgehen. Im Laufe zahlreicher Untersuchungen haben die Forscher dabei zwei unterschiedliche Reaktions-Typen definiert.

Wenn das Stresssytem auf Hochtouren läuft

A-Typen nehmen bei Dauerstress ab, weil das Gehirn die Stresshormone Adrenalin und Cortisol ausschüttet und große Zuckermengen aus den Speichern in den Muskeln und in der Leber bestellt. So sorgt der Brain-Pull dafür, dass nur wenig Zucker für die Energiespeicher des Körpers übrig bleibt. Daher bleiben A-Typen auch bei Dauerstress schlank. Da ihr Stresssystem auf Hochtouren arbeitet, steigt jedoch der Cortisolwert im Blut. Ein überhöhter Cortisolwert macht krank, drückt die Stimmung und fördert die Entstehung von Herzinfarkten.

Wenn das Stresssystem in Tiefschlaf geht

B-Typen haben eine andere Stressstrategie entwickelt. Ihr Gehirn hat sich an den Dauerstress angepasst und dämpft die Reaktion des Stresssystems. Es schüttet weniger Stresshormone aus und hält so den Cortisolwert im Blut auf einem niedrigen Niveau. Damit sinkt das Risiko für Schäden durch eine hohe Cortisolbelastung. Das ist einerseits ein deutlicher Vorteil. Andererseits aber steigt das Risiko, dick zu werden: Wenn der Brain-Pull nicht mehr richtig funktioniert, wird dem Gehirn auf Dauer zu wenig Zucker angeliefert. Um den Engpass auszugleichen, steigert es die Nahrungsaufnahme. A-Typen ziehen dagegen aus der Nahrung so viel Energie wie möglich für das Gehirn ab und setzen stattdessen die Muskeln und inneren Organe auf Diät.

Stimmt die Theorie, bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Dick und zufrieden oder schlank und miese Laune. Aber dann hat die Realität wahrscheinlich den Ansatz noch nicht so richtig verstanden.

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