Bayern 2 - radioWissen


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Download-Service Einsatz im Unterricht

Stand: 06.09.2012 | Archiv

Vorarbeit

  • Lernziele: Die Beschäftigung mit dem Motiv der Schlange erschließt die Fülle, Vielfältigkeit, Tragweite und Aussagekraft mythischer Vorstellungen und religiöser Deutungsmuster. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass alle Kulturen und Religionen Symbole und Mythen nutzen, um verborgene Wirklichkeiten zu erfassen und das Wesen der Welt, ihre Entstehung sowie die Stellung des Menschen in der Schöpfung zu beschreiben. Sie verstehen, dass Mythen und mythologische Aussagen das zeitgebundene Verständnis natürlicher Phänomene reflektieren und dabei einem Wandel unterliegen. Sie begreifen, dass die Hoheit über Mythen und ihre Interpretation dazu dient, politische, geistige und moralische Herrschaft auszuüben, anzugreifen, zu entkräften oder zu bestärken. Sie lernen darüber hinaus, dass mythische Vorstellungen nicht nur das jeweilige Wissen von der Welt interpretieren, sondern auch tief im Unbewussten des Menschen wurzeln und prärationale "seelische" Wahrheiten ausdrücken.

Diese Vorüberlegungen befähigen die Schüler, das Motiv der Schlange in unterschiedlichen Zusammenhängen zu beleuchten. Sie begreifen,

  • warum gerade die Schlage aufgrund ihrer natürlichen Eigenschaften in vielen außerchristlichen Kulturen mit den grundlegenden Schöpfungsmythen verbunden ist,
  • warum sie als Gottheit verehrt und wurde,
  • warum sie zum Symbol für Weisheit, Leben, Fruchtbarkeit aber auch Tod, Vernichtung und Zerstörung wurde,
  • warum sie als Herrschafts- und Abwehrzeichen diente,
  • warum sie in Verbindung mit heilenden Kräften gebracht wurde,
  • warum geheimen Wissens und verborgener Weisheit verehrt wurde.

Durch den Vergleich außerchristlicher und christlicher Schlangensymbolik erkennen die Schüler schließlich zum einen unterschwellige Kontinuitäten, aber auch die radikale Neudeutung der Schlange im Christentum. Ein leitender Aspekt ist dabei die Frage nach den Zusammenhängen zwischen der christlichen Schlangendeutung und dem Verständnis bzw. dem Zurückdrängen des Weiblichen in Kirche, Religion und Gesellschaft.

Einsatz im Unterricht

  • Hinführung zum Thema:

Phase 1: Einstieg / Motivierung / Bildimpuls Bildimpuls 1: Die Lehrkraft zeigt das Bild einer Schlange in Angriffshaltung und fordert die Schüler auf, spontan zu formulieren, welche Gedanken und Gefühle beim Betrachten des Bildes hochkommen. Die Wortmeldungen werden an der Tafel gesammelt. Dabei ordnet die Lehrkraft die Aussagen in zwei Kolonnen, die sich grob an den vorerst nicht genannten Registern "Angst/Bedrohung" und "Faszination/Geheimnis" orientieren. Im Anschluss werden die Schüler aufgefordert, selbst nach einem Oberbegriff für die notierten Stichwörter zu suchen. Am Ende werden die Kolonnen mit dem Gegensatzpaar "Angst/Bedrohung" und "Faszination/Geheimnis" überschrieben. Als erstes Teilergebnis sollte die Ambivalenz der Schlangenwahrnehmung deutlich geworden sein.
Phase 2: Abfrage der Vorkenntnisse
Im zweiten Teil der Einstiegsphase trägt die Klasse das vorhandene Vorwissen zur Biologie der Schlange zusammen (in der Realschule und im Gymnasium werden Reptilien in den Fächern Biologie bzw. Natur und Technik in der 6. Jahrgangsstufe behandelt). Zentrale Aspekte sind dabei die Lebensräume, das Beuteverhalten, die Fortbewegungsarten und die Giftigkeit/Gefährlichkeit der Schlange. Anschließend wird die Klasse aufgefordert, Verbindungen zwischen den biologischen Merkmalen und der Wahrnehmung der Schlange herzustellen. Dazu werden zunächst Wortmeldungen auf den Impulssatz "Die Schlange macht uns Angst, weil…" in der Kolonne "Angst/Bedrohung" und anschließend die Wortmeldungen auf den Impulssatz "Die Schlange fasziniert uns, weil…" in der Kolonne "Faszination/Geheimnis" festgehalten. Als zweites Teilergebnis sollten die Zusammenhänge zwischen den biologischen Merkmalen und der individuellen/kollektiven Schlangenwahrnehmung deutlich geworden sein.
Phase 3: Hinführung zum Thema
Bildimpuls 2: Nachdem die Ambivalenz der Schlangenwahrnehmung und der Zusammenhang zwischen Biologie und emotionaler Reaktion auf die Schlange thematisiert sind, leitet die Lehrkraft durch einen weiteren Bildimpuls auf das gemeinsame Hören des Radiobeitrags über. Dazu zeigt sie Bilder aus der Mythologie unterschiedlicher Kulturen und Zeiten. Geeignet sind Bilder aus der ägyptischen, griechischen und asiatischen Mythologie, die die Schlange als göttliches, königliches, heilkräftiges, schöpferisches, abwehrendes, aber auch als zerstörerisches, bedrohliches, dämonisches und unheilverkündendes Wesen zeigen (z.B. Uräusschlange, Apophisschlange, Regenbogenschlange, Äskulapnatter, Midgardschlange, Herakles und Ladon, Paradiesschlange, Schlange auf christlichen Darstellungen, indische Nagas, Buddha und die Schlange). Unterstützt durch lenkende Fragen und kurze Erläuterungen der Lehrkraft werden die Bilder den Kolonnen "Angst/Bedrohung" und "Faszination/Geheimnis" zugeordnet. Als drittes Teilergebnis sollte deutlich geworden sein, dass Schlangen in außerchristlichen Kulturen/Mythen sowohl als positive (Schutz, Heilung, Wissen, Weisheit, Schöpfung, Fruchtbarkeit) wie auch als negative Kräfte und Wesen (Zerstörung, Vernichtung, Tod, Auflösung) galten. Im Gegensatz dazu steht das eindeutig negative Schlangenbild des Christentums (Teufel, Sünde, Verdamnis, Tod, Vertreibung). Als Aktualisierung und Fortführung des negativen Schlangenbildes im Christentum kann die Lehrkraft auf "Voldemorts" Schlange "Nagini" in der Harry Potter-Reihe hinweisen.

Hören

Am Ende der Hinführungsphase kündigt die Lehrkraft den Radiobeitrag als Gelegenheit an, die bisherigen Beobachtungen zu überprüfen, zu festigen und mehr über die Schlange und ihre ambivalente Wahrnehmung in Kultur, Mythos und Religion zu erfahren. Vor dem Hören werden die Arbeitsblätter ausgeteilt und kurz gesichtet. Die Arbeitsblätter dienen der Vertiefung zentraler thematischer Aspekte des Radiobeitrags. Sie können im Klassenverband, in Gruppenarbeit oder als Hausaufgabe bearbeitet werden. Die Audiclips können zur Motivation und thematischen Strukturierung des Unterrichtsgesprächs oder als Ergänzung der Arbeitsblätter eingesetzt werden.

Nachbearbeitung

  • Nacharbeit:Arbeitsblatt 1 sammelt die wesentlichen faktischen Informationen zur Biologie und der symbolischen bzw. mythischen Wahrnehmung der Schlange in unterschiedlichen Kulturen und Zeiten. Im Zentrum steht die Ambivalenz eines Wesens, das sowohl göttlich positive wie auch negativ dämonische Kräfte verkörpert. Arbeitsblatt 2 trägt die wichtigsten positiven Aspekte bzw. Funktionalisierungen der Schlange in außerchristlichen Mythen und Symbolik zusammen. Arbeitsblatt 3 beleuchtet zentrale Aspekte der negativen christlichen Schlangensymbolik. Im Zentrum steht dabei die These der Ablösung einer vorbiblischen, matriarchalisch geprägten Paradies- und Schlangendarstellung durch die patriarchalisch geprägte Einführung eines Vatergottes, der die ursprüngliche Muttergott verdrängt und die ihr zugeordnete Schlange dämonisiert.

Lehrplanbezug

Lehrplan für die bayerische Realschule
5. Jahrgangsstufe
Ethik, 5.3 Deutungen menschlichen Lebens: Beschäftigung mit Bildern und Symbolen zu ethischen oder religiösen Themen; Geschichten mit einem moralisch-erzählerischen Inhalt: Geschichten, Märchen, Gleichnisse, Legenden, Parabeln aus verschiedenen Kulturen; Bilder und Symbole: Bilder und Symbole religiöser und profaner Art betrachten und beschreiben; Vorstellungen hinter den Bildern und Symbolen erkennen.
Kunst, Kunstgeschichte - Kunstbetrachtung, 5.2 Frühe Formen von Kunst und Kultur
6. Jahrgangsstufe
Kunst, Kunstgeschichte - Kunstbetrachtung, 6.2 Kunst der Antike: Bedeutungsinhalte verschiedener Kunstwerke; Ägyptische Hochkultur: z. B. Pyramiden, Plastiken, Tempelreliefs, Grabmalerei; Plastik und Architektur des antiken Griechenlands; Kunst der römischen Antike.
7. Jahrgangsstufe
Katholische Religionslehre, 7.2 Ausdruck einer tieferen Wirklichkeit: Symbole und Sakramente; Aufmerksamkeit und Verständnis für Symbole und Symbolhandlungen; Klärung des Begriffs "Symbol"; besondere Merkmale und Wirkungen.
8. Jahrgangsstufe
Katholische Religionslehre, 8.6 Unserer Sorge anvertraut - die Welt als Schöpfung Gottes: Gen 1, 1 - 2,4a, die Botschaft der Schöpfungserzählung im Kontext ihrer Entstehungsgeschichte, ggf. auch Gen 2, 4b – 25.
10. Jahrgangsstufe
Evangelische Religionslehre, 10.1 Die Frage nach Gott: Gottesvorstellungen im Wandel.

Lehrplan für das bayerische Gymnasium
6. Jahrgangsstufe
Deutsch, 6.4 Sich mit Literatur und Sachtexten auseinandersetzen: Vertrautwerden mit Stoffen der Antike.
Latein, 6.3 Antike Kultur: Beschäftigung mit Mythen und Sagen der Antike in übergreifenden thematischen Zusammenhängen; Fortwirken von Motiven und Themen der antiken Mythologie bis in die Gegenwart; Schwerpunktthemen: Mythen und Sagen, Kunstwerke der Griechen und Römer.
Kunst, 6.4 Bildende Kunst: Antike. Einblick in die magische bzw. religiöse Funktion früher Bildwerke.
7. Jahrgangsstufe
Katholische Religionslehre, 7.3 Im Sichtbaren wird Unsichtbares gegenwärtig - Symbole und Sakramente: Zugang zu Symbolen und Ritualen, die oft als uralte Deutungsmuster der Menschheit eine tiefere Sicht der Wirklichkeit ermöglichen; Symbole und Rituale entdecken und erschließen: in der Jugendkultur, im Alltag, in der christlichen Überlieferung, z. B. Kreuz, Anker, Segnung; Ursymbole, z. B. Wasser, Feuer; Merkmale von Symbolen.
8. Jahrgangsstufe
Katholische Religionslehre, 8.1 Gottes Schöpfung - Gabe und Aufgabe für den Menschen; Komplementäre Sicht der Wirklichkeit: symbolische Weltdeutung in einer Ursprungserzählung, z. B. babylonischer, indianischer Schöpfungsmythos; biblische Schöpfungserzählungen (Gen 1,1-2,4a; 2,4b-25).
Evangelische Religionslehre, 8.1 Leben in Gottes Schöpfung und Geschichte: biblisch-christlicher Schöpfungsglaube im Kontext anderer Sichtweisen von Welt.
Griechisch, 8.3 Kultur und Geisteswelt: wichtige Elemente der griechischen Religion (Gottheiten, Kultorte, Feste); wesentliche Themen der griechischen Mythologie, Einblick in ihr Fortleben; Einblick in die griechische Kunst: Vasenmalerei, Plastik, Architektur (Tempel, Theater, Heiligtümer).
9. Jahrgangsstufe
Griechisch, 9.3 Kultur und Geisteswelt: die Andersartigkeit der Antike im Vergleich zur eigenen Gegenwart (z. B. im naturphilosophischen Weltbild, in sozialen Einstellungen oder politischen Vorstellungen); griechische Mythologie und ihr Fortleben bis in die Gegenwart; fächerverbindendes Verständnis für das Fortwirken der griechischen Antike in vielen Bereichen der Gegenwart.
10. Jahrgangsstufe
Evangelische Religionslehre, 10.1 Zugänge zur Bibel: unterschiedliche Zugänge und Erfahrungen; Fremdheit biblischer Themen und Texte, Einführung in die historisch-kritische Arbeitsweise an biblischen Texten, eine weitere Lesart, z. B. (tiefen-)psychologisch, feministisch, sozialgeschichtlich
Kunst, 10.4 Bildende Kunst: ausgewählte Positionen der Kunst nach 1945; Vertiefungsmöglichkeit: Erarbeiten eines historischen Längsschnitts nach Gattung oder Thema (z. B. Kunst und Macht, Eros und Thanatos, High and Low, Portrait-, Körper- und Naturdarstellungen im Wandel der Zeit).
Latein, 10.1.2 Mythos - Verwandlung und Spiel.
11. Jahrgangsstufe
Katholische Religionslehre, 11.1 Zwischen Vielfalt und Entscheidung: Religion in der offenen Gesellschaft. Der Mensch als homo religiosus: sinnstiftendes Potential von Religion und Religiosität, religiöse Ausdrucksfähigkeit und Bedeutung religiöser Sprache, Bilder und Symbole; 11.2 Wege zu Gott: die Bibel als Zeugnis der Gotteserfahrung: Erfahrungsbezogene Annäherung an eine Textstelle (z. B. Schöpfung) oder Gestalt (z. B. Maria von Magdala) oder Gattung (z. B. Psalm); exegetische Vertiefung durch mehrdimensionale Schriftauslegung: historisch-kritische Methode, ihre Grenzen und weitere Erschließungsschritte aus der Sicht des Glaubens; die Bibel als Buch, das in geschichtlichen Situationen von Menschen gedeutete Gotteserfahrungen enthält: Vergleich mit dem Textverständnis eines heiligen Buches in einer anderen Religion; 11.4 Der Mensch im Horizont des Gottesglaubens: christliches Menschenbild: Menschsein aus nichtchristlicher religiöser Sicht: in einer Weltreligion bzw. neureligiösen Strömung; ggf. in mythischen Deutungsmustern aus der Antike, z. B. Sisyphos, Prometheus.


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