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Das Thema China vor Mao

Stand: 15.07.2013 | Archiv

Undatierte Aufnahme des chinesischen Politikers und Revolutionärs Sun Yat-sen.  | Bild: picture-alliance/dpa

Als Mao Zedong am 26.12.1893 in Shaoshan geboren wird, deutet nichts darauf hin, dass der Bauernsohn ein halbes Jahrhundert später die Welt verändern wird.

Agonie und Aufbruch: Ein Bauernsohn wird Berufsrevolutionär

Shaoshan, eine Kleinstadt im zentralchinesischen Verwaltungsbezirk Hunan, ist tiefste Provinz. Die Menschen leben von der Landarbeit, sie sind geknebelt von autoritären Traditionen, bedrückt von Armut und Hunger, Lesen und Schreiben können die Wenigsten. Auch Maos Bildung bleibt rudimentär. Sein Vater, der es als Reis- und Schweinehändler zu bescheidenem Wohlstand gebracht hat, spannt ihn früh zur Mitarbeit ein, der Schulbesuch ist Nebensache. Erst 1911 gelingt dem 18-Jährigen der Absprung ans Lehrerseminar in der Provinzhauptstadt Changsa. Hier kommt er erstmals in Kontakt mit den Gedanken chinesischer Intellektueller, die einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit, die Abschaffung des Kaisertums und die Gründung einer Republik fordern.

Das Kaiserreich zerfällt

Das China der Jahrhundertwende ist moralisch, geistig und wirtschaftlich bankrott. Korruption, Inkompetenz und Machtmissbrauch haben den Staat ausgehöhlt. Durch militärische Niederlagen gegen Japan und Russland sind große Gebiete im Norden verloren gegangen, westliche Großmächte wie England, Italien, Deutschland und die USA konnten die Öffnung der Häfen und Märkte erzwingen. Das Kaiserreich zerfällt außen wie innen unaufhaltsam, halbherzige Reformversuche scheitern, große Teile der Bevölkerung verelenden, immer wieder brechen Aufstände aus. Einer der einflussreichsten Drahtzieher der republikanischen Opposition ist der Arzt Sun Yat-sen (1866-1925). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts knüpft er ein revolutionäres Netzwerk aus bürgerlichen Intellektuellen, Armeeoffizieren und Auslandschinesen, das auf den Sturz der diskreditierten Monarchie hinarbeitet.

Die Gründung der Republik China

Am 10. Oktober 1911 explodiert das Pulverfass. Die Rebellion einer Armeeeinheit in der zentralchinesischen Provinz Hubei entfacht einen Flächenbrand, der in wenigen Monaten auf 15 von insgesamt 24 Provinzen übergreift. In den aufständischen Gebieten übernehmen Militärregierungen das Kommando, die sich von Peking und vom Kaiserhaus lossagen. Am 29. September 1911 wählt eine Konferenz der revolutionären Provinzen Sun Yat-sen zum provisorischen Präsidenten der neu gegründeten Republik China, am 12. Februar 1912 dankt der erst sechsjährige, letzte Kaiser Puyi (1906-1967) formell ab.

Fort mit alten Zöpfen: Maos Debüt als Revolutionär

Als der Aufstand Changsha erreicht, schließt sich Mao den Anhängern Sun Yat-sens an. Um seine revolutionäre Gesinnung zu zeigen, schneidet er sich den traditionellen Zopf ab, den er bis dahin wie jeder Chinese trug. Mitschülern, die vor diesem symbolischen Bekenntnis zurückschrecken, rückt er kurzerhand mit der Schere zu Leibe. Damit hat sich sein politisches Engagement vorerst erledigt. Bereits nach wenigen Monaten konzentriert er sich wieder ganz auf sein Studium, das er 1918 mit dem Volksschullehrerdiplom abschließt. Noch im selben Jahr zieht er nach Peking und tritt an der Universität eine Stelle als Hilfsbibliothekar an. Er sympathisiert mit der bolschewistischen Revolution in Russland, nimmt Kontakt zu marxistischen Kreisen auf, entwickelt eine Leidenschaft für politische Debatten und gründet die Studentenzeitung "Kritische Blätter von Chiang". Für dieses Organ verfasst er eine Reihe von Artikeln, die den Vertrag von Versailles als Verrat chinesischer Interessen und Steigbügelhalter des japanischen Imperialismus anprangern.


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