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Franz von Papen Das Thema

Stand: 17.08.2009 | Archiv

Franz von Papen kam 1879 als Sohn einer alten katholisch-westfälischen Adelsfamilie zur Welt. Früh begann er eine Militärkarriere. Schon mit zwölf Jahren kam er an eine Kadettenschule und wurde anschließend Kavallerieoffizier. 1913 ging er als Militärattaché nach Washington. Doch als bekannt wurde, dass er deutsche Exilanten zur Sabotage der amerikanischen Rüstungsindustrie aufrief, verwies man ihn des Landes. Im Ersten Weltkrieg war Papen Bataillonschef an der Westfront, Generalsstabsoffizier im Vorderen Orient und schließlich Major in der türkischen Armee. Da sein militärischer Eid dem Monarchen galt, verließ Papen die Armee, als mit dem Krieg auch das Kaiserreich endete, und widmete sich den Gütern seiner Familie. Als Interessensvertreter des Westfälischen Bauernvereins wurde Papen 1921 in den preußischen Landtag gewählt, dem er als Abgeordneter der katholischen Zentrumspartei bis 1932 angehörte. Seit 1905 war Papen verheiratet mit der Tochter einer der beiden Gründerfamilien des Keramikunternehmens "Villeroy und Boch" und erhielt er Zugang zu den Kreisen der deutschen Industriellen.

Aufstieg zum Reichskanzler

Als Politiker war Papen kaum in Erscheinung getreten, bevor ihn Reichspräsident Paul von Hindenburg am 1. Juni 1932 zum Reichskanzler machte. Seinen rasanten politischen Aufstieg verdankte er Hindenburgs Vertrautem General Kurt von Schleicher, der Papen für kontrollierbar hielt und dem Reichspräsidenten nicht zuletzt deshalb als geeigneten Kanzlerkandidaten empfahl. Der von Armee und Kaiserreich geprägte Hindenburg fand rasch Gefallen an dem weltgewandten Adeligen von Papen, der eine makellose militärische Karriere vorwies, und dessen monarchistische Weltanschauung seiner eigenen entsprach. Dass Papen gute Verbindungen zur Landwirtschaft, zur Industrie und zum Militär besaß, empfahl ihn in Hindenburgs Augen umso mehr.

Unter Papen setzte sich fort, was unter seinem Vorgänger Heinrich Brüning begonnen hatte. Die Dominanz des Präsidenten und der von ihm getragenen Regierung gegenüber dem Reichstag und damit die Schwächung der parlamentarischen Demokratie. Papen regierte gestützt auf Notverordnungen Hindenburgs (Präsidialregierung), mit einem "Kabinett der Barone". Er war der einzige Reichskanzler der Republik, der nie vor dem Parlament sprach.

Missglückte Annäherung an die Nationalsozialisten 

Als Reichskanzler versuchte Papen auf Geheiß Hindenburgs und Schleichers die Gunst der Nationalsozialisten zu gewinnen und hob leichtfertig das Verbot der SA und der SS auf. Ebenfalls ganz im Sinne der aufstrebenden Nationalsozialisten löste Hindenburg den Reichstag auf, um Ende Juli 1932 vorgezogene Neuwahlen zu ermöglichen. Als Gegenleistung für diese Zugeständnisse sollten die Nationalsozialisten Papens Regierung tolerieren und sie so von der Duldung durch die SPD unabhängig machen. Doch Hitler dachte nicht daran, für Papen die Rolle des Mehrheitsbeschaffers im Parlament zu spielen. Und als die NSDAP bei den Reichstagswahlen mit dem Rekordergebnis von 37,3 Prozent der Stimmen siegte, erhob er selbst Anspruch auf den Posten des Reichskanzlers. Reichspräsident Hindenburg erteilte ihm aber eine Absage. Er glaubte, dem "böhmischen Gefreiten" Hitler fehle das Format zur Kanzlerschaft.

Der "Preußenschlag"

Die Monate von Juli bis Dezember 1932 waren geprägt von der Konfrontation zwischen Papens Regierung und den Nationalsozialisten. Seit der Aufhebung des SA-Verbots nahm die politisch motivierte Gewalt im Land erschreckende Ausmaße an und forderte allein im Juli 86 Todesopfer. Eigentlich galt der Präsidialregierung die Linke als der politische Gegner, doch nun erwog sie den Einsatz der Staatsmacht, also der Reichswehr, auch gegen die Nationalsozialisten.

Vor diesem Hintergrund kam es am 20. Juli 1932 zum sogenannten "Preußenschlag": Per Notverordnung ernannte Hindenburg Papen zusätzlich zum Reichskomissar Preußens. Damit unterstand Papen nun auch die preußische Polizei. Obwohl er als Reichskommissar Preußens nach der Verfassung nur vorübergehend die Regierungsgewalt des Landes übernehmen durfte, setzte Papen die preußische Regierung unter SPD-Ministerpräsident Otto Braun ab. Sein politisches Kalkül dabei war, den Freistaat Preußen dauerhaft der Reichsregierung zu unterstellen, eine Machtübernahme der Nationalsozialisten in Preußen zu verhindern und: die SPD entscheidend zu schwächen. Denn die republiktreue Haltung der Sozialdemokraten widersprach Papens Vorstellung von einem monarchieähnlichen, autoritären Staatswesen, in dem die Regierung nur von einem mächtigen Präsidenten abhängig wäre, während das Parlament kaum noch politischen Einfluss hätte. Ein "neuer Staat, für den er eine Verfassungsreform anstrebte.

Papen und der Reichstag

Papens Problem war, dass er keinen Rückhalt im Reichstag hatte, in dem die NSDAP als mit Abstand stärkste Fraktion saß. Ende August 1932 überredete er deshalb Reichspräsident Hindenburg, wegen dieses "Staatsnotstands" der Auflösung des Reichstags und der (verfassungswidrigen) Aufschiebung von Neuwahlen zuzustimmen. Doch noch bevor die Auflösung des Reichstags bei seiner ersten Sitzung im September verkündet werden konnte, nahm der Reichstagspräsident Hermann Göring (NSDAP) die Abstimmung über einen Misstrauensantrag gegen die Regierung Papens auf die Tagesordnung. Die überwältigende Mehrheit des Reichstags sprach ihr das Misstrauen aus. Zwar war das Votum formal ungültig, da der Reichstag durch Hindenburgs Beschluss, der dem Reichstagspräsidenten vorlag, bereits aufgelöst war, doch angesichts seiner vernichtenden Abstimmungsniederlage erschien Papen die Aufschiebung der Neuwahlen nun als zu gewagt, und sie wurden regulär für November angesetzt.

Papens Rücktritt

In der Zwischenzeit sorgte Papens harte Sozial- und Wirtschaftspolitik für Aufruhr. Als seine Regierung beschloss, Löhne unter Tarif zuzulassen, um die Wirtschaft anzukurbeln, kam es zu Streiks. Höhepunkt war Anfang November ein mehrtägiger Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben, unterstützt von Nationalsozialisten und Kommunisten, bei dem vier Menschen ums Leben kamen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt verlor Papen für seine Politik den Beistand seines Entdeckers, des Reichswehrministers Kurt von Schleicher, der massive Unruhen vorhersah. Doch nicht nur in der Öffentlichkeit hatte Papen eine schwache Position. Auch im Reichstag hatten sich die für ihn ungünstigen Mehrheitsverhältnisse nach den Wahlen am 6. November kaum geändert und Papen trat am 17. November zurück. Er blieb mit seiner Regierung aber geschäftsführend im Amt und schlug dem Reichspräsidenten vor, die Pläne für den Staatsnotstand wieder aufzugreifen. Hindenburg gab auch diesmal seinen Segen, doch Papens Kabinett stellte sich gegen ihn und er trat am 2. Dezember von seiner erneuten Berufung als Kanzler zurück. Hindenburg ernannte Kurt von Schleicher zum neuen Reichskanzler.

Papen als "Steigbügelhalter" Hitlers

Schleichers Plan, einen parteiübergreifenden Konsens im Parlament herzustellen, scheiterte. So war der Reichstag auch für ihn eine ständige Gefahr. Im Januar 1933 bat auch er Hindenburg, den Reichstag aufzulösen und die Neuwahlen aufzuschieben. Doch Papen, getrieben von Ehrgeiz und Rachsucht gegen Schleicher, unterbreitete Hindenburg einen anderen Vorschlag: eine Regierung mit ihm, Papen, als Vizekanzler unter Adolf Hitler als Reichskanzler, in einem konservativen Kabinett, das mehrheitlich von Nicht-Nationalsozialisten besetzt wäre. Papen glaubte, Hitler mit Hilfe Hindenburgs kontrollieren zu können. "In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht," lautete seine fatale Fehleinschätzung. Hindenburg, der eine Kanzlerschaft Hitlers bislang abgelehnt hatte, nahm den Vorschlag an, da er eine Regierung der vereinten rechten Kräfte befürwortete. Und weil mit Hitler der Führer der stärksten Partei im Reichstag zum Kanzler wurde, was den Anschein demokratischer Gepflogenheiten wahrte, und Hindenburg erlaubte, seinen Ruf als politisch unbescholtene nationale Integrationsfigur zu schützen. So besiegelte Hindenburg das Ende der Weimarer Republik, indem er Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Kanzler ernannte. Der Herrenreiter Franz von Papen war zum "Steigbügelhalter" Hitlers geworden. 

Papen unter Hitler und nach dem Krieg

Als Vizekanzler handelte Papen mit dem Vatikan einen Staatsvertrag aus. Ein diplomatischer Achtungserfolg für die Regierung. Sein Plan Hitler, zu zähmen, gelang aber keineswegs. Im Gegenteil: mit dem Ermächtigungsgesetz legten die Nationalsozialisten 1933 den Grundstein für ihre Alleinherrschaft. Unter dem Vorwand, gegen einen geplanten Putsch der SA vorzugehen, ließ Hitler 1934 deren Führer Ernst Röhm und politische Gegner wie Kurt von Schleicher umbringen. Opfer der Aktion waren auch Mitarbeiter Papens, und er selbst stand einige Tage unter Hausarrest. Papen trat daraufhin als Sprecher einer konservativen Opposition auf. Doch als Hitler ihn für unschuldig erklärte, bot ihm Papen als ehrgeiziger Opportunist weiter seine Dienste an, und wurde noch im selben Jahr als Gesandter nach Wien geschickt. Ab 1939 war er Botschafter in Ankara. Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess wurde Papen 1946 freigesprochen, im Rahmen der Entnazifizierung aber zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt. Nachdem er bereits 1949 entlassen wurde, zog er sich ins Privatleben zurück. Er starb 1969 im Alter von 89 Jahren.


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