Bayern 2 - radioWissen


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Ort der Verdammnis und der Fantasie

Von: Christian Sepp / Sendung: Christian Feldmann

Stand: 11.05.2016 | Archiv

Ethik und PhilosophieMS, Gy

Der Glaube an eine Hölle ist in allen Religionen zu finden. Am systematischsten ist die Vorstellung von einer Hölle im Christentum, aber schon lange vorher haben sich andere Religionen Gedanken über das Leben nach dem Tod gemacht.

Die Geburt der Hölle

In den archaischen Kulturen stellte man sich die Unterwelt als einen tristen Aufenthaltsort für alle Toten vor, wo man seine irdischen Tätigkeiten in einer Schattenwelt als Gespenst fortsetzte. So war beispielsweise die Unterwelt der germanischen Völker eine finstere und neblig kalte Welt unter der Erde, "Hel" genannt. Von der Bezeichnung "Hel" leitet sich auch das Wort Hölle im Deutschen ab. Anscheinend erst sehr spät und wahrscheinlich unter Einfluss von außen wurde ein Unterschied zwischen den Geschicken der einzelnen Toten gemacht. Laut Forschungen von Religionswissenschaftlern scheint die Vorstellung einer Verdammung nach dem Tod eng verbunden zu sein mit dem Auftreten des Konzepts eines Staates, also eines politisch organisierten Systems. So stammen die ältesten Texte, die über die Unterwelt berichten, auch aus Mesopotamien. Die Vorstellung von der Unterwelt im Alten Ägypten lässt sich aufgrund zahlreicher überlieferter Texte und Malereien schon relativ präzise erfassen. Hier begegnen wir einem Totengericht, das über die Verstorbenen urteilt. Wer die Weltordnung, die Maat, verletzt hat, wird durch verschiedene Qualen bestraft, die allerdings nicht ewig sind. Einige dieser ägyptischen Martern im Jenseits tauchen in den ersten christlichen Vorstellungen auf, wo sie Ewigkeitscharakter annehmen.

Die Unterwelt im antiken Griechenland

Im antiken Griechenland nimmt die Konzeption der Hölle feste Formen an. Die Unterwelt, der Hades, ist ein abgeschlossener Ort. Auch hier urteilt ein Gericht über die Toten. Während die Guten ins Elysium kommen, gibt es für die Bösen zwei Kategorien. Die Unverbesserlichen landen im Tartaros, aus dem es kein Entkommen gibt. Für alle anderen sind die Qualen zeitlich begrenzt. Alles in allem ist die griechische Unterwelt wenig religiös. Es handelt sich vielmehr um sehr menschliche Antworten auf das Problem des Bösen in der Welt.

Die Entwicklung der christlichen Hölle

Obwohl der Hölle im klassischen Christentum große Bedeutung zukommt, ist ein Strafort im Jenseits dem Alten Testament bis zum dritten vorchristlichen Jahrhundert fremd. Und auch im Neuen Testament kommt das Höllenthema sehr selten vor. Erst in den Evangelien, die 70 nach Christus niedergeschrieben wurden, wird das Thema präsenter. Auf dieser dünnen Grundlage sind es im frühen Mittelalter in erster Linie die Mönche, die anfangen, von Horrorszenarien und grausamen Strafen geprägte Höllenvorstellungen zu entwickeln. Zu diesem Zweck zeichnen sie visionäre Reiseberichte in die Unterwelt auf, wie den des fiktiven irischen Ritters namens Tundal (1148), und prägen so das Bild von der Hölle mit ihren rigoristischen Vorstellungen. Die Tradition der Reise in die Hölle greift Dante Alighieri Anfang des 14. Jahrhunderts in der "Göttlichen Komödie", einem enorm einflussreichen Werk, wieder auf. Und wenige Jahre später macht das Konzil von Florenz (1439) es offiziell: In der christlichen Vorstellungswelt währen die Strafen in der Hölle ewig.


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