Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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29. August 1952 Der Kinofilm Casablanca hat in Deutschland Premiere

Der "beste Liebesfilm aller Zeiten", voller Zitate, die zu den bekanntesten der Filmgeschichte gehören. "Play it again, Sam!" Autorin: Justina Schreiber

Stand: 29.08.2016 | Archiv

29 August

Montag, 29. August 2016

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

As time goes by. Tja, wenn man nur wüsste, wie viel Zeit vergehen muss, damit ein Volk unangenehmen Wahrheiten in die Augen blicken kann. Als sieben Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine deutsche Synchronfassung von Michael Curtiz‘ Film "Casablanca" produziert werden sollte, wälzte die Warner Brothers Filmgesellschaft schwere Bedenken: Würde das Publikum die Szene in Rick’s Bar ertragen können, in der die Gruppe um "Major Strasser vom Dritten Reich" "die Wacht am Rhein" anstimmt und von den versammelten Emigranten mit der Marseillaise übertönt wird? Die Antwort lautete: Eher nicht. Kaum ein anderer Film belegt klarer,  wie massiv Hollywood den Kriegseintritt der USA propagandistisch begleitete. Nicht nur, dass Humphrey Bogart in Gestalt des zynischen Barbesitzers Rick besagten "Major Strasser vom Dritten Reich" ohne mit der Wimper zu zucken abknallt… Der Polizeichef des französischen Protektorats in Marokko deckt ihn außerdem noch nonchalant. Obwohl Capitaine Renault als Vertreter der Vichy-Regierung eigentlich mit den Deutschen kollaboriert, feiert er jetzt mit dem Amerikaner den "Beginn einer wunderbaren Freundschaft". Und diese Story sollte sich die besiegte Nation freiwillig und in Scharen anschauen wollen? Mmh. Aber die junge Ingrid Bergman als Ricks Geliebte Ilsa würde die Kinokassen sicherlich klingeln lassen. Was also tun?

Ein Film mit und ohne Conrad Veidt

Nun, die deutsche Kino-Version des Spielfilms "Casablanca", die am 29.08.1952 hierzulande Premiere hatte, war um fast 25 Minuten kürzer als das Original. Alle Szenen, in denen nationalsozialistische Militärs auftraten, fielen der Schere zum Opfer. Somit verschwand auch der fiese Major Strasser komplett von der Bildfläche. Der Name seines Darstellers, des in die USA emigrierten UFA-Stars Conrad Veidt, lief allerdings nach wie vor im Vorspann. Ob die Deutschen sein Fehlen im Film bemerkten? Egal. Es gab gravierendere dramaturgische Probleme: Ohne Major Strasser hatte nämlich Ilsas Ehemann, der ungarische Widerstandskämpfer Viktor Lásló, keinen Grund zur Panik mehr - abgesehen von dem privaten Schlamassel, dass seine Frau den Barkeeper liebt.

Wie wär‘s, wenn man aus dem antifaschistischen Helden einen… zum Beispiel… norwegischen Astrophysiker macht, der wegen irgendeiner dubiosen Spionagesache auf der Flucht ist? Blöd nur, dass die kreativen Synchronregisseure damit das Schicksal der vielen jüdischen Emigranten in Ricks Bar zur Staffage herabwürdigten…. auch egal.

Auf deine Augen, Kleines…

Es ging ja eben gerade nicht um die Aufarbeitung der Nazizeit oder gar um Re-education. Die klapprige Rahmenhandlung diente nur noch als Aufhänger für die melodramatische Liebesgeschichte zwischen Rick und Ilsa. Und von wegen "Ich schau dir in die Augen, Kleines"! Bogarts berühmter Satz, der im Original "Here’s looking at you, Kid" lautet, bekam erst 23 Jahre später in der jetzt aber wirklich authentischen deutschen Film-Synchronfassung seinen schmierigen Unterton. 1952 schien der coole Amerikaner noch kreuzbrav "Auf dein Wohl!" und Ähnliches zu sagen, während er in Ilsas feucht glänzende Augen blickt. Tja, wie einen Bilder doch täuschen können.


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