Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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28. April 1937 Mussolini weiht Cinecittà ein

Auch eine ewige Stadt braucht ein Hollywood. Und ein Duce braucht es zur Propaganda. Nach dem Faschismus auch noch brauchen - z. B. für Sandalenfilme. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 28.04.2017 | Archiv

28 April

Freitag, 28. April 2017

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Man muss nicht unbedingt ein begnadeter Schauspieler sein, um der Welt etwas vorzugaukeln. Benito Mussolini zum Beispiel war ein Meister der Selbstinszenierung. Der italienische Diktator und Erfinder des Faschismus verstand es wie kein Zweiter, seine Persönlichkeit hinter einer martialischen Fassade zu verbergen. Der Mensch Mussolini verschwand ganz hinter der Maske des Duce; die Mimikry wurde ihm zur zweiten Natur. Und die Massen folgten ihm willig. Auch wenn das heute nur schwer zu verstehen ist, denn die Operettenhaftigkeit seiner pathetischen Auftritte wirkt auf die Nachwelt doch eher lächerlich. Mussolini war also kein großer Schauspieler. Aber er hatte ein Gespür für die Bedeutung dieser Kunst.

Duce des Kinos

Wie alle Massenmedien, vor allem das Radio, nutzte der Diktator auch das Kino als Propagandamittel. Die italienische Filmindustrie war aufs engste mit dem Faschismus verknüpft, denn “Der Film ist die stärkste Waffe", tönt Mussolini, als er am 28. April 1937 die monumentale Filmstadt Cinecittà einweiht. Das schmissige Zitat hat er sich übrigens kurzerhand von Lenin ausgeliehen. Aus der Asche der 1936 abgebrannten Cines-Studios entstieg nun am Stadtrand von Rom ein Film-Phönix, der Hollywood kopieren und gleichzeitig den Amerikanern Konkurrenz machen wollte. Mit viel Pomp und Trara gerierte sich der Duce wieder einmal als die Nummer eins im Land - als der oberste Kino-Fan, der oberste Kameramann, der oberste Regisseur.

Mit einer Gesamtfläche von 600.000 Quadratmetern, erbaut im Stilmix aus Neuer Sachlichkeit und faschistischer Architektur, sollten die Studios und Kopierwerke der Cinecittà bald die Spitze der europäischen Filmindustrie erklimmen. Viele ausländische Regisseure drehten damals in Italien. Und Hollywood war Stammkunde in den Traumfabriken Mussolinis. Zumindest bis 1938, als Italien eine Allianz mit Hitler-Deutschland schmiedete. Danach war es vorbei mit der internationalen Öffnung des italienischen Films. Man produzierte wieder mehr heimische Streifen. Insgesamt 300 Filme wurden bis 1943 in der Cinecittà gedreht.

Dann fielen die Bomben des Zweiten Weltkriegs. Und nach Kriegsende richtete die amerikanische Militärverwaltung in den Anlagen der Filmstadt ein Flüchtlingslager ein.

Blut und Sand

Die große Zeit der Cinecittà sollte wenige Jahre später kommen. Mit Regisseuren wie Roberto Rossellini, Vittorio De Sica, Luchino Visconti und vor allem Federico Fellini. Bald tauchten auch die amerikanischen Produzenten wieder auf und drehten am Rande der ewigen Stadt monumentale Sandalenfilme wie “Quo vadis?” oder “Ben Hur”. Der Duce war da längst schon so gut wie vergessen. Seine theatralische Selbstinszenierung endete übrigens auf den Tag genau acht Jahre nach der pompösen Einweihung der Cinecittà. Am Nachmittag des 28. April 1945 wurde Benito Mussolini am Rande des Dorfes San Giulino di Mezzegra von Partisanen erschossen. Seine Leiche und die einiger anderer berüchtigter Faschisten hat man nach Mailand gebracht und auf dem Piazzale Loreto aufgehängt. Kopfüber am Dach einer Esso-Tankstelle. Welch schauerlich-grandiose Schlusseinstellung für einen Gruselfilm namens Faschismus!


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