Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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25. April 1865 Franz Liszt wird erstmals die Tonsur geschoren

"Er war ein Mann der Frauen..“ Nein, nicht Amadeus, Franz. Franz Liszt. So heiß begehrt war der Klaviervirtuose, dass er in die Arme von Mutter Kirche floh - mit mäßigem Erfolg. Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 25.04.2017 | Archiv

25 April

Dienstag, 25. April 2017

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Am 25. April 1865 begibt sich der Komponist und Pianist Franz Liszt in die Privatkapelle des Bischofs und päpstlichen Kammerherrn Gustav Adolf zu Hohenlohe-Schillingsfürst im Vatikan und lässt sich von einem eigens einbestellten Friseur ganz oben, mitten auf dem Kopf, eine nussgroße kahle Stelle ins Haupthaar schneiden. Damit ist Liszt in den geistlichen Stand eingetreten. Die Tonsur, die kleine kahle Stelle, ist das Zeichen dafür. Eine Vorbereitung für die niederen Weihen, die er ein paar Monate später erhalten wird. Liszt ist damit zwar nicht Priester geworden, doch er könnte Hilfsdienste leisten. Altardiener etwa, bei der heiligen Messe. Oder Vorleser. Seine Anrede ist "Abbé", und ihm ist auferlegt, sich in der Öffentlichkeit als würdiges Mitglied seines Standes zu zeigen. Beispielsweise gekleidet mit Kragen und schwarzer Soutane.

Propagandatrick?

Die Musikwelt reagiert fassungslos. Seit Monaten wurde darüber gemunkelt, jetzt ist das Gerücht Wirklichkeit geworden. Warum hat Liszt das bloß gemacht? Dass er mit einem Mal besonders gläubig geworden ist, gIaubt kein Mensch. Richard Wagner sagt: wer so was tue, der müsse viel zu büßen haben. Die meisten sind der Meinung, das Ganze sei ein Propagandatrick. Typisch für Liszt, der dauernd auf sich aufmerksam machen wolle.

Liszt selber hat gesagt, er trage das schwarze Gewand als "Zeichen der Entsagung". Wem er da wohl so vehement entsagen musste? Den Frauen vielleicht, die ihm unablässig nachgestiegen sind? Und denen er sich offenbar hilflos ausgeliefert gefühlt hat? Einer seiner Schülerinnen will aufgefallen sein, dass Liszt sich "jedem weiblichen Wesen gegenüber" genau so verhalten habe, wie es von ihm verlangt worden sei. Der Frauenheld: ein lustvoller Schwächling - und jetzt auf der Flucht in den Schoß der Kirche?

Oder war der Grund seine Geliebte? Die ihn unbedingt hatte heiraten wollen? Es war noch gar nicht lange her. Jahrelang hatte die russische Fürstin Carolyne von Sayn Wittgenstein versucht, ihre Ehe annullieren zu lassen, um frei zu sein für Liszt.

Noch am Vorabend der geplanten Hochzeit, die Kirche in Rom war schon geschmückt, hatte ihre Familie davon Wind bekommen und beim Heiligen Stuhl im Vatikan interveniert. Folge: Heirat perdu, Zukunft zunichte, und die Fürstin hatte die Flucht nach vorne angetreten, ebenfalls hin zu Gott. Liszt scheint damals nicht sehr traurig gewesen zu sein.

Sein Haar - ein Kultobjekt

Doch wenn er sich gedacht hatte, mit Tonsur und Weihen würde jetzt endlich Ruhe einkehren in sein Berufs- und Liebesleben, dann hatte er sich getäuscht. Fans beiderlei Geschlechts sind bei ihm zuhause im Wohnzimmer aufgetaucht und wollten was vorgespielt bekommen. Und während er am Klavier saß, haben sie ihm von hinten, vorsichtig, ohne dass er protestiert hätte, mit einer Pinzette einzeln die Haare vom Kopf gezupft. Liszts Haare waren Kultobjekte und wurden gesammelt. Und so sind die Fans, die Frauen und Franz Liszt einander weiterhin treu geblieben. Richtig wirkungsvoll - scheinen Soutane und Tonsur wohl nicht gewesen zu sein.


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