Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. Januar 1767 Étienne de Silhouette gestorben

Er selbst hatte ein ganz ansehnliches Profil. Aber mit Schattenrissen hatte Étienne de Silhouette nur ganz am Rande etwas zu tun. Eigentlich war er Steuereintreiber - und lehrte die protzige französische Elite das Fürchten.

Stand: 20.01.2014 | Archiv

20 Januar

Montag, 20. Januar 2014

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Oma und Opa, ganz in Schwarz, im Profil überm Kaminsims hängend: so was hat man früher ganz besonders schick gefunden. In einer Zeit, als es noch keine Fotografie gab und Ölbilder teuer waren, hat man sich gern in schmucken, schwarzen Schattenrissen porträtieren lassen.

Man ist dazu in einem speziellen Stuhl gesessen, festgezurrt, damit man nicht gewackelt hat, daneben, an der Wand, ein großer Bogen Papier. Zur einen Seite des Delinquenten brannte eine Kerze, die auf der anderen Seite sein Gesichtsprofil als Schatten auf's Papier geworfen hat. Und der Künstler konnte die Umrisse bequem drauf nachzeichnen. Das Ergebnis hat er kleinkopiert und mit schwarzer Tusche ausgemalt. Fertig war das Angesicht und der Porträtierte höchst zufrieden, denn wenn sein Schattenbild fein gerahmt über dem Kamin hing, waren alle, die es sahen, des Lobes voll.

Protzerei kostet plötzlich

Den Namen, unter dem solche Bilder bis heute weltweit bekannt sind, den hat ihnen ein vornehmer Herr aus Frankreich gegeben: der Marquis Étienne de Silhouette. Allerdings hat der Marquis mit Schattenrissen nur ganz am Rande was zu tun gehabt. Anno 1759, mit knapp fünfzig Jahren, ist er zum "Generalkontrolleur der französischen Finanzen" ernannt worden. Auf ihn wartete eine heikle Aufgabe: Das Land steckte mitten in einem Krieg gegen die Engländer, bei Hof pflegte man einen luxuriösen Lebenswandel, der Staatssäckel war leer, und der Herr Marquis sollte sich jetzt was ausdenken, dass er wieder voll werde.

Zur Überraschung aller hat Silhouette die Sache ernst genommen und sich das Geld dort geholt, wo es eins zu holen gab. Erst hat er die üppigen Pensionen der Staatsangestellten und Beamten auf ein vernünftiges Niveau gebracht. Dann hat er sich die Kirchenleute und die Adeligen vorgeknöpft, die bis dato absurderweise keine Steuern zahlen mussten.

Silhouette jedoch entschied: Wer mit seinem Reichtum protzt, soll auch dafür zahlen. Silhouette ließ Gold- und Silberschmuck beschlagnahmen, ließ luxuriöse Kleidung aus kostbaren Stoffen besteuern, er erhob sogar Abgaben auf Fenster in Häuserfassaden, die auf viele Zimmer dahinter schließen ließen, und auf die teuren Ölgemälde in den Zimmern. Die Folge war, dass sich die Reichen auf der Straße nur noch in simpler schwarzer Gewandung zeigten, von den Fenstern ihrer vermieteten Häuser ließen sie zumauern, was zuzumauern ging, und die Ölporträts wurden abgehängt und durch kleine schwarze Schattenrisse ersetzt. Diese steuervermeidende Schmalspur-Lebensart nannten die Franzosen - nach ihrem Verursacher - "à la Silhouette". Dem Schattenriss ist der Name bis heute geblieben.

Schnell wieder abgesägt

Der Karriere des Herrn Marquis jedoch haben seine unpopulären Maßnahmen nicht zum Vorteil gereicht. Acht Monate nach seiner Amtseinführung ist er schon nicht mehr Finanzminister, und ein paar Jahre später finden wir ihn an einem Ort, wo er nicht viel Schaden anrichten kann: In dem beschaulichen Städtchen Bry, am Ufer der Marne, sitzt er im Garten seiner kleinen Villa und genießt seinen Lebensabend.

Dass sein Name weltweit als Marke für Schattenrisse herhalten wird, davon hat er keine Ahnung. Zur selben Zeit sind auf der anderen Seite der Erde französische Seefahrer dabei, ein paar ausgesprochen idyllische Südseeinseln zu entdecken. Nach des Marquis' Tod - am 20. Januar 1767 - wird man ihm zu Ehren eine davon nach ihm benennen: die Silhouette-Insel in den Seychellen. Aber das hat der Marquis zu Lebzeiten gewiss auch nicht geahnt.


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