Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. Januar 1663 Beginn des Immerwährenden Reichstags

Der Kaiser rief - und die Gesandten kamen. So war das auch am 20. Januar 1663, als man sich mal wieder in Regensburg zum Reichstag traf. Doch im Unterschied zu vergangenen Reichstagen wurde dieser ein Immerwährender.

Stand: 20.01.2015 | Archiv

20 Januar

Dienstag, 20. Januar 2015

Autor(in): Christian Feldmann

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Alle Welt redet vom "grünen Tisch", an dem Entscheidungen fern der Realität fallen. Oder man lästert über die "lange Bank", auf die sie von trägen Beamten oder Politikern geschoben werden.

Warum gerade eine Bank? Und warum ein grüner Tisch und kein schwarzer oder roter oder nussbrauner? Angeblich ist das Rätsel längst gelöst, aber nicht von den Sprachwissenschaftlern, sondern von den Fremdenführern im Regensburger Alten Rathaus. Dort im Kurfürstenzimmer, so erzählen sie den Touristen mit lokalpatriotischer Begeisterung, stand der berühmte mit grünem Samt bezogene Tisch, an dem die wichtigsten Entscheidungen des Immerwährenden Reichstags getroffen wurden.

Ruf des Kaisers

Und auch die legendäre "lange Bank" soll hier im Rathaus zu finden sein, besser gesagt eine ewig lange Truhe, auf der die Herren Gesandten beim Immerwährenden Reichstag warteten, bis ihr Tagesordnungspunkt an der Reihe war. Ihre Akten verstauten sie praktischerweise in der Truhe, auf der sie saßen, und dort wurden sie bisweilen vergessen, wenn die Beratungen kein Ende nehmen wollten.

Ganz so langweilig kann es hier im Rathaus aber eigentlich nicht zugegangen sein - zumal der Immerwährende Reichstag anfangs gar kein immerwährender war, sondern nur ein gelegentlicher. Als Kaiser Leopold I. am 20. Januar 1663 wieder einmal einen Reichstag nach Regensburg einberief, da standen ziemlich aufregende Themen auf dem Programm: Wie geht es weiter nach dem Westfälischen Frieden, der den halb Europa verheerenden Dreißigjährigen Krieg beendet hat?
Wie die grimmigen Türken abwehren, die Ungarn und Siebenbürgen bedrohen?

Um Geld und Truppen für einen Türkenkrieg zu bekommen, brauchte der Kaiser die Hilfe der Kurfürsten, Grafen und Reichsstädte. Sie alle schickten ihre Gesandten zum Reichstag nach Regensburg. Der begann wie ein Volksfest, der Kaiser kam mit einem riesigen Tross von Kammerherren, Leibköchen, Musikern und Hofnarren angereist, doch kaum war er wieder fort, wurde hier so hart und zäh verhandelt wie heute über den neuesten Euro-Rettungsschirm.

Sitzstreik der Gesandten

Nach einem halben Jahr kam im Sommer 1664 plötzlich ein Waffenstillstand mit den Türken zustande. Doch waren die Herren Gesandten nun keineswegs bereit, auseinanderzugehen, und das war neu: Früher hatte der Kaiser von den Fürsten Geld und Treuebekenntnisse verlangt und meist auch bekommen. Ob er irgendwelche Beschlüsse des Reichstags umsetzen wollte oder nicht, lag in seinem Belieben. Doch seit dem Westfälischen Frieden, das begriffen die Fürsten und ihre Gesandten jetzt erst so langsam, war der Kaiser in allen politischen Fragen von der Zustimmung des Reichstags abhängig. Man hatte in Regensburg einen Zipfel der Macht zu fassen bekommen, und den wollte man natürlich nicht mehr loslassen. So wurde aus den jeweils aktuell vom Kaiser einberufenen Fürstenversammlungen unversehens der "Immerwährende Reichstag", der seit 1663 in Permanenz in Regensburg tagte - sage und schreibe bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im August 1806.

Ein erstes deutsches Parlament, wie manche sagen, war der Reichstag natürlich nicht; die Gesandten waren nicht gewählt, sondern von Fürsten und städtischen Magistraten bestimmt. Aber eine Vorstufe zum Parlamentarismus ist der Reichstag gewesen - und ein bisweilen erstaunlich erfolgreicher Versuch, Machtinteressen vernünftig auszubalancieren und den inneren Frieden des Reichsgebildes zu erhalten.


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