Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. August 1932 Zwickelerlass gegen anstößige Badebekleidung

Der Besuch einer Badeanstalt trieb einem preußischen Beamten die Schamesröte ins Gesicht. Zu deutlich malten sich Formen ab, die er nicht mal erahnen wollte! Also wurden die Deutschen zu mehr Stoff verdonnert. Autorin: Prisca Straub

Stand: 18.08.2017 | Archiv

18 August

Freitag, 18. August 2017

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Eigentlich klingt die Aufforderung doch recht banal: „Pack die Badehose ein!“ Doch dann wird es unerwartet kompliziert: Slip, Tanga, Short oder Bermuda? Langes oder kurzes Bein? So richtig unüberschaubar wird die Angelegenheit aber erst aus gegengeschlechtlicher Perspektive: Einteiler, Zweiteiler, Triangel, Panty, Pareo, Neckholder, Tankini oder Microkini?

"Bade mit Zwickel!"

Nun gab es allerdings Zeiten, da waren solche Entscheidungen simpel: Einen Zwickel musste die Badebekleidung haben! Einen Zwickel? Was für einen Zwickel? Und vor allem: wieso?

In der Geschichte der preußischen Badehose spielt tatsächlich ein Zwickel aus Textil eine besondere Rolle - ein nahezu dreieckiges Stück Stoff also, das mit seiner V-Form eingenäht im Schritt Unaussprechliches auch unsichtbar machen sollte. Denn zu Beginn des letzten Jahrhunderts, in verruchten "Vor-Zwickelzeiten" sozusagen, war die Badebekleidung zumeist von Hand genäht, mitunter sogar selbst gestrickt. Der Stoff hing eng am Körper, besonders wenn er mit Wasser vollgesogen war.

Bei genauerer Betrachtung dieser Zusammenhänge fiel einem eifrigen Beamten des preußischen Innenministeriums Folgendes auf: Unvorteilhaft eingezwängte Körperteile beiderlei Geschlechts zeichnen sich unter nasser, enganliegender Badekleidung äußerst detailgenau ab.

So ging der Geheime Regierungsrat zielstrebig daran, frivole Augenfälligkeiten in öffentlichen Bädern zu unterbinden: Am 18. August 1932 führte Dr. Franz Bracht den Zwickel in Badehosen ein - unmissverständlich und per Polizeiverordnung: "Bade mit Zwickel!" - das war weniger eine Aufforderung als ein verbindliches Dekret für mehr Beinfreiheit und weniger halbnackten Wahnsinn.

Kontrolleure mit Anschauungsmaterial

Die Revolution im Schritt ging einher mit dem Verbot der kurzen, äußerst knapp sitzenden sogenannten "Dreiecksbadehose" für Männer. Und Frauen durften nur noch öffentlich baden, wenn sie einen Anzug trugen, der ihre Vorderansicht vollständig bedeckte und dessen Rückenausschnitt nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausging. "Zwickelkontrolleure" schwärmten aus, rückten überraschten Badegästen zu Leibe, und natürlich - wie immer in verzwickten Angelegenheiten - waren Definitionsschwierigkeiten vorprogrammiert: So erhielt dann jede Polizeidienststelle den preußischen Vorschriften exakt entsprechende amtliche Badekostüme, sozusagen als Ansichtsexemplar. Wer Schwimmen gehen wollte, hatte keine Wahl mehr.

Im 21. Jahrhundert haben sich die Fronten im Badebekleidungskrieg wieder verschoben: Statt "mehr Stoff", ist inzwischen wieder "weniger" erwünscht. Unter coolen Jungs gilt es offenbar als chic, die Unterhose mit dem aussagekräftigen Markenschriftzug am Bund unter den Badeshorts anzubehalten. Doch das modische Muss gilt als unhygienisch. "Unterhosen-Nulltoleranz" heißt es deshalb in vielen Bädern. Oder kürzer: "Hose runter!"


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