Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. Juni 1963 Erste Frau im Weltraum

Die Aktion sollte für Schlagzeilen sorgen - und das tat sie auch. Als die Russin Walentina Tereschkowa am 16. Juni 1963 als erste Frau ins All flog, war die Konkurrenz von der NASA wieder mal blamiert.

Stand: 16.06.2014 | Archiv

16 Juni

Montag, 16. Juni 2014

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

In ihrem unförmigen orangefarbenen Anzug, den weißen Helm auf dem Kopf, kletterte Walentina Tereschkowa aus dem Bus und stapfte über den Betonplatz zur Startrampe hinüber. Kameraleute sprangen um sie herum. Strahlend schüttelte sie Hände, ließ sich von grauhaarigen Männern in Uniform küssen und stieg dann in einen Aufzugkorb. Mit beiden Armen winkte sie den Zuschauern noch einmal zu. Minuten später, Punkt zwölf Uhr dreißig am 16. Juni 1963, zündeten die Ingenieure das Triebwerk der Rakete, mit der Walentina Tereschkowa ins All schoss - als erste Frau der Welt. Zwei Tage, zweiundzwanzig Stunden und fünfzig Minuten später landete sie wohlbehalten mit dem Fallschirm auf einem sibirischen Acker, nachdem sie achtundvierzig Mal die Erde umkreist hatte.

Frau oder Schimpanse. Egal.

Die Sowjets hatten es wieder geschafft. Sie hatten den Amerikanern einmal mehr gezeigt, dass sie die Nase vorn hatten. Im Weltall tobte der Kalte Krieg, und die Russen gewannen jede Schlacht, vom ersten Sputnik-Satelliten bis zu Juri Gagarin, dem ersten Menschen im All. Ausgerechnet in der Raumfahrt, dem Inbegriff von Fortschritt, Wissenschaft und Technik, steckte die westliche Supermacht eine Schlappe nach der andern ein. Und jetzt die erste Frau im Orbit.

An der NASA allerdings ging dieser neue Triumph völlig vorbei.
"Natürlich könnten wir das auch machen", erklärten die amerikanischen Raumfahrtexperten. "Wir haben ja auch einen Schimpansen ins All geschickt." Einer konnte sich immerhin vorstellen, bei späteren Marsflügen Köchinnen mitzunehmen, denn da wäre man ja lange unterwegs. Andere dachten öffentlich darüber nach, auf die geplanten Mondstationen willige Frauen für die Triebabfuhr der Astronauten zu schicken. Die amerikanische Presse prägte für die russische Kosmonautin die Bezeichnung "Cosmonette", was eher wie der Name einer Küchenmaschine klingt. Der Hamburger "Spiegel" nannte sie "Himmels-Jungfer".

Naturgemäß ganz anders sah das die Pilotin Jerrie Cobb, die vergeblich darum gekämpft hatte, auch Frauen ins NASA-Programm aufzunehmen - sogar ein Hearing vor dem Kongress hatte es gegeben. Eine Schande sei es, dass man den Russen nicht zuvorgekommen sei, schimpfte sie. Amerikanische Politikerinnen und Wissenschaftlerinnen erklärten, Tereschkowas Raumflug beweise glasklar, dass Russland auch in der Gleichberechtigung weit voraus sei. "In der Sowjetunion werden Dutzende Frauen als Astronauten ausgebildet", verkündete eine russische Diplomatin in Washington. "In unserem Raumfahrtprogramm haben sie die gleichen Chancen wie Männer."

Hauptsache propagandatauglich

Das aber war von der Realität so weit entfernt wie der Mars von der Erde.
Die erste Frau im Weltall war in der Tat ein Reklame-Gag. In großer Hast hatten die Sowjets fünf Frauen für einen Raumflug trainiert, weil sie mal wieder einen Propaganda-Erfolg brauchten, aber keinen technischen Fortschritt aufbieten konnten. Die sechsundzwanzigjährige Tereschkowa wurde schließlich ausgewählt, weil sie die ideale Besetzung für die sozialistische Heldin war: Fabrikarbeiterin und brave Parteisoldatin, glühend vor Leidenschaft für die Raumfahrt und von Herzen dankbar für ihre Wahl, dazu noch attraktiv und charmant. Plangemäß wurde sie zur Ikone der neuen sozialistischen Frau, umjubelt, verehrt, mit Orden und Titeln überhäuft und in höchste politische Ämter gehievt. Ein Star ist sie bis heute - und eine treue Anhängerin von Wladimir Putin.


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