Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. Juli 1874 Ferdinand Gregorovius beendet Römisches Tagebuch

Da rafft man sich auf, zieht nach Rom, verliebt sich - und schon fängt das Bauamt an, alles umzugestalten. Da mag einem die Liebe durchaus wieder abhandenkommen. Wohl dem, der mit leichtem Gepäck reist und bereit ist für die nächste Station. Autor: Gregor Papsch

Stand: 14.07.2017 | Archiv

14 Juli

Freitag, 14. Juli 2017

Autor(in): Gregor Papsch

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der 14. Juli 1874 war ein einschneidendes Datum im Leben des Ferdinand Gregorovius: "Letzter Tag in Rom", notierte er in sein Tagebuch. Der 53jährige hatte eine Entscheidung getroffen, die sein Leben auf den Kopf stellte. Nach 22 Jahren nahm er Abschied von der geliebten Stadt.

Liebe auf den ersten Blick

"Meine Mission ist beendet", hielt er noch einmal fest. Dann, am nächsten Morgen, reiste er nach München ab, dem selbst gewählten Alterswohnsitz. Ferdinand Gregorovius war da längst ein berühmter Schriftsteller. Seine viel gelesenen Reiseskizzen, die "Wanderjahre in Italien", waren nördlich der Alpen ein Bestseller. Sein Lebenswerk aber war zweifellos die "Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter". Zwanzig Jahre hatte er an ihr gearbeitet, akribisch und nervenzehrend. Ihr achter und letzter Band war soeben in der Cotta‘schen Buchhandlung in Stuttgart erschienen.

Außerhalb der Schreibstube war der begnadete Erzähler dagegen eher ein kantiger Bursche. Bei den Römern erregte der Ostpreuße und Protestant, der noch dazu unverheiratet und mittellos war, Misstrauen. Seine wenigen Bekannten in Rom, fast ausnahmslos Deutsche, hielten ihn für einen Sonderling.

Als Ferdinand Gregorovius 1852 Rom erstmals betrat, war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Hier in der kontemplativen Ruhe der überzeitlichen Stadt fand der geheimnisvolle Einzelgänger sein Glück und seine Bestimmung als römischer Geschichtsschreiber. Wochenlang streifte er ziellos durch die mittelalterlichen Viertel der Stadt, deren Anblick ihn verzauberte. Er sammelte was er finden konnte und schrieb es auf.

Doch während seine "Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter " Kontur annahm, veränderte sich die römische Gegenwart dramatisch. 1870 drangen die Piemonteser in die Stadt ein. Der Papst floh in den Vatikan. Ein Jahr darauf wurde Rom Hauptstadt des neuen Königreichs Italien, und binnen weniger Jahre verwandelte sich die mittelalterliche Stadt in eine moderne Metropole. "Man baut mit Furie", hielt Gregorovius entsetzt fest. "Fast stündlich sehe ich ein Stück des alten Rom fallen".

Heimatlos in München

Gregorovius zog die einzige ihm mögliche Konsequenz. Er kehrte Rom den Rücken, und zog zu seiner Halbschwester nach München.

In der bayerischen Hauptstadt hat er sich nie eingelebt. Er haderte mit sich und seinem Schicksal und dennoch: "Es musste sein. Ich habe gleichsam mit einem heroischen Ruck die purpurverbrämte Toga Roms abgestreift, und diesen hässlichen, an den Ellbogen geflickten, Handwerkerkittel Münchens angezogen." 1891 starb Ferdinand Gregorovius 70jährig in München. In seinem Testament hat er verfügt ein Telegramm nach Rom zu senden. "È morto Ferdinando Gregorovius, cittadino romano."


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