Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13. Juli 1831 Geburt der Insel Ferdinandea

Ein Haufen Asche und Schlacke: Grund genug für die Politik, sich zu streiten. Und selbst wenn das Ganze schon wieder versunken ist, meldet man schon mal wieder vorsorglich Besitzansprüche an. Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 13.07.2017 | Archiv

13 Juli

Donnerstag, 13. Juli 2017

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Die Fischer waren die ersten, die merkten, dass etwas nicht stimmt. Dass draußen im Meer die Erde gebebt hatte, war nichts wirklich Aufsehenerregendes. Dann aber hatte es an einer Stelle weit vor der Küste plötzlich nach Schwefel gestunken. Ein Kapitän berichtete, unter dem Meeresspiegel würde es gurgeln und blubbern. Zwei Tage später schwammen dort eine Menge toter Fische im Wasser. Noch ein paar Tage später, es war am 13. Juli 1831, konnte man von Land aus eine ungeheure Rauchsäule über dem Meer sehen. Und dann kam das, was Rauch und Gurgeln verursacht und die Fische getötet hatte, an die Oberfläche. Ein Vulkan warf meterhoch heiße Asche und Brocken in die Luft, und eine Kraterinsel aus feuerglühenden Steinen schob sich langsam aus dem Wasser heraus. Als die Insel Ende August fertig war, war sie 63 Meter hoch und fünf Kilometer im Rund. 

Ferdinandea Graham Julia

Mittlerweile hatten die Königreiche Europas ihre besten Geologen nach Sizilien geschickt. Sie sollten die Geburt der Insel beobachten und das neue Stück Land für ihr Vaterland in Besitz nehmen. Der Deutsche Friedrich Hoffmann, Vulkanologe des Königreichs beider Sizilien, taufte sie "Ferdinandea", zu Ehren des sizilianischen Königs Ferdinand. Ein englischer Kapitän brachte Wissenschaftler der Londoner Geographischen Gesellschaft zur Insel. Die pflanzten den Union Jack zwischen den Steinen auf und nannten sie "Graham Island", zu Ehren des Ersten Lords der britischen Admiralität. Auch die Franzosen kamen vorbei und gaben dem dampfenden Steinhaufen den Namen "Île Julia", weil er an einem Julitag aus dem Meer getaucht war.

Touristen wurden in kleinen Booten dorthin gefahren. Unter ihnen der schottische Schriftsteller Sir Walter Scott, der aus gesundheitlichen Gründen im Mittelmeer reiste und von der Insel außerordentlich beeindruckt war. Zwei seiner Landsleute sollen sogar am Rand der Insel ein Tischchen aufgestellt und ein kleines Breakfast zu sich genommen haben. Aber das ist sicher bloß ein Gerücht.

Die Geologen stellten erstaunt fest, dass die Insel kein fester Klotz war. Sie bestand aus Asche und kleinen Brocken Eisenschlacke. Dazwischen - war nichts. Keine Lava, die aus Asche und Schlacke einen festen Körper gemacht hätte. Also, sagten die Geologen, würde die Insel recht bald wieder von der Brandung weggespült werden.

Wem gehört eine versunkene Insel?

Man möchte meinen, dass Politiker von den weisen Worten ihrer Wissenschaftler davon abgehalten würden, sich um einen stinkenden Steinhaufen mitten im Meer zu streiten. Doch der Machttrieb war stärker. Um den Besitz der Insel entspann sich ein heftiger Disput zwischen England und dem Königreich beider Sizilien. Und während man noch stritt und scharfe Noten schickte und sogar von Krieg munkelte, war die Insel längst dabei, sich wieder aufzulösen.

Ein halbes Jahr später wurde sie von zwei Offizieren der Topographischen Gesellschaft von Neapel schon nicht mehr aufgefunden. Die Insel Ferdinandea hatte sich unter die Wasseroberfläche zurückgezogen, wo sie bis heute ein Hindernis für die Schifffahrt darstellt. Ihren letzten großen Auftritt hatte sie 1987, als ein amerikanisches Patrouillenflugzeug sie für ein feindliches U-Boot hielt und bombardierte. Und als im Jahr 2002 ein Meeresgeologe verlauten ließ, der Vulkan könne womöglich bald wieder aktiv werden, da tauchten italienische Taucher die acht Meter zu Ferdinandeas Spitze hinab und installierten auf ihr eine Tafel, mit der Inschrift: Egal, ob über oder unter Wasser, die Insel gehöre den Sizilianern. Sicher - ist sicher.


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