Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. April 1774 Götz von Berlichingen uraufgeführt

Hinterher will’s wieder keiner mehr gesagt haben. Am 12. April 1774 wurde Goethes "Götz von Berlichingen" uraufgeführt mit dem berühmten Götz-Zitat, von wegen, wer wen was wo kann. Aber dann begann man sich plötzlich zu winden.

Stand: 12.04.2012 | Archiv

12 April

Donnerstag, 12. April 2012

Autor(in): Susanne Tölke

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz

Im Alter wird man milde, und man neigt dazu, die Ereignisse der Vergangenheit ein bisschen zu verklären und zu beschönigen. Nur so können wir uns erklären, was Götz von Berlichingen in seiner Autobiographie dem Amtmann Max Stumpf zu Krautheim zugerufen haben will: "Da schrie ich denn zu ihm hinüber: Er solle mich doch hinten lecken!"

"Er kann mich …", naja, Sie wissen schon

Was? Das soll das berühmte Götz-Zitat gewesen sein? Ein blasser Ausdruck! Vielleicht hat der Memoirenschreiber es abgeschwächt, weil er seine Memoiren gar nicht selber schrieb, sondern einem alten Pfarrer diktierte? Oder hat etwa unser Dichterfürst den Ausdruck erfunden und berühmt gemacht? In der Urfassung des Dramas heißt es noch voller Sturm und Drang: "Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet Ihr? Bin ich ein Räuber? Sag Deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s, er kann mich"… naja, Sie wissen schon!

In der Ausgabe letzter Hand stehen nur noch drei Pünktchen, auch der Geheimrat ist im Alter milder und dezenter geworden. Bei der Uraufführung des Dramas am 12. April 1774 in Berlin wurde die Aufforderung laut herausgeschmettert, was den Theaterkritiker insgeheim entzückte - bot es ihm doch Gelegenheit, seine eigene feinsinnige Natur herauszustellen: "Der Dialog ist lebhaft und unterhaltend, doch einige Ausdrücke sind pöbelhaft niedrig." Friedrich der Große gar konnte sich nicht genug wundern, dass "unser Publikum diesem ekelhaften Gewäsch seinen Beifall zollt und mit Eifer eine Wiederholung verlangt". Von diesem Aufruhr ließen sich die Theaterkollegen in Hamburg beeinflussen, denn hier, so bemängelte ausgerechnet die "Gelehrte Zeitung für das Frauenzimmer", hier warf der Götz immer dann, wenn er an die Stelle kam, das Burgfenster zu, so dass die letzten Worte nicht zu hören waren.

Fall für die Wissenschaft

Um also zu erfahren, was denn der echte Götz von Berlichingen nun wirklich gesagt hat, müssen wir uns an eine andere Adresse wenden, eine seriöse wissenschaftliche Institution, nämlich die "Götz-von-Berlichingen-Akademie zur Erforschung und Pflege des schwäbischen Grußes."

Einer ihrer führenden Köpfe, Herr Dr. Heinz Eugen Schramm, hat nach jahrzehntelanger Forschungsarbeit das Grundlagenwerk zum Thema herausgebracht: "Der heidnische Abwehrzauber der vorchristlichen Zeit als Wurzel des schwäbischen Grußes." Aus diesem gelehrten Kompendium geht eindeutig hervor, was Götz von Berlichingen den Max Stumpf zu Krautheim im Jahre 1525 wissen ließ: "Vor Ihro kaiserlichen Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich - naja, Sie wissen schon."


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