Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. Oktober 1916 König Otto von Bayern gestorben

Sie waren ein seltsames Prinzen- und Brüderpaar, Ludwig und Otto. Ludwig brachte es später zum bayerischen Märchenkönig, und Otto wurde schon früh auf einem Schloss festgesetzt. Seine Geisteskrankheit sollte verborgen werden. Am 11. Oktober 1916 ist er gestorben.

Stand: 11.10.2011 | Archiv

11 Oktober

Dienstag, 11. Oktober 2011

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Am 11. Oktober 1842 war es endlich so weit: Die frischgebackene Kronprinzessin Marie hielt Einzug in München. Der Bräutigam, Kronprinz Max, strahlte, König Ludwig I. umarmte die Schwiegertochter gerührt - und die Münchner freuten sich pflichtgemäß. Leidlich hübsch war sie ja, die 16-jährige Prinzessin, und solange sie den Mund nicht aufmachte, war alles in Ordnung. Wenn sie ihn aber auftat, dann trübte das die Wonne ein bisschen. Schuld daran war nicht allein, wie die Preußin sprach, sondern auch was: Die Gute war nämlich - das munkelte man jedenfalls hinter vorgehaltener Hand - also, sie war … nun, nicht gerade besonders hell.

Aber, egal, Kronprinzessinnen müssen nicht intelligent sein, sie müssen vor allem und an erster Stelle gesunde Prinzen zur Welt bringen. Und damit ließ es sich bei Marie gut an. Der erste Sohn wurde auf den Namen Otto getauft. Zwei Wochen nach der Geburt allerdings gelang es dem Großvater Ludwig, seinen Kopf durchzusetzen: Der Erbprinz, meinte er, müsse unbedingt den gleichen Namen tragen wie er selbst. Also hieß Otto ab sofort Ludwig, und als König Ludwig II. ging er denn auch ein in die bayerische Geschichte. Zweieinhalb Jahre nach der Geburt dieses Otto-Ludwigs brachte Marie einen weiteren Sohn zur Welt, bei dem man es abermals mit dem Namen Otto versuchte - und diesmal hatte auch der Großvater nichts dagegen.

Der Vater der beiden starb früh, und Ludwig wurde mit 18 Jahren König. Bei Otto dagegen machten sich erste Anzeichen einer gewissen geistigen Erschöpfung breit. Spätestens seit dem Fronleichnamstag 1875 ließ sich das auch vor der Öffentlichkeit nicht mehr verbergen: Während der Messe stürmte Otto plötzlich in voller Jagdmontur in die Frauenkirche, rannte vor zum Altar, warf sich zu Füßen des Erzbischofs und bat schreiend um Vergebung seiner Sünden.

Zur Vermeidung weiterer Zwischenfälle wurde er nach Nymphenburg verfrachtet und dort so lange eingesperrt, bis eine andere Bleibe eigens für ihn umgebaut worden war: Schloss Fürstenried vor den Toren Münchens. Dort, in der ersten Etage des Hauptgebäudes, lebte der bayerische Thronanwärter Otto nun das inhaltslose traurige Gefängnisleben, das man damals den Geisteskranken zugestand. Gesellschaft leisteten ihm dabei seine Wärter, die sich mehr durch Kraft hervortaten als durch psychologisches Einfühlungsvermögen.

Der Gartensaal soll Ottos Lieblingsaufenthalt gewesen sein, heißt es, dort habe er die meiste Zeit an der Tür gestanden und hinausgeschaut in die Freiheit. Und dort stand er auch, als man ihm die Nachricht überbrachte, dass sein ebenfalls nicht mehr voll zurechnungsfähiger Bruder im Starnberger See ums Leben gekommen war. Jetzt war Otto also kein Thronfolger mehr, jetzt war er König. König von Bayern.

Das Einzige allerdings, was sich dadurch änderte, war, dass er von seinen Wärtern ab sofort mit "Majestät" angeredet wurde. Regieren ließ man ihn nicht. Luitpold, ein Onkel von Otto, erledigte als so genannter "Prinzregent" diese Arbeit. Luitpolds Sohn und Nachfolger jedoch gab sich mit der Rolle eines Stellvertreters nicht zufrieden: Er wollte König sein. Und machte sich mit kühnem Schwung dazu. Als Ludwig III. sorgte er dafür, dass der eigentliche König, der alte Mann draußen in Fürstenried, endgültig in Vergessenheit geriet. An einer nicht erkannten Blinddarmentzündung starb Otto, am 11. Oktober 1916 - auf den Tag genau 74 Jahre, nachdem seine Mutter, die preußische Marie, in München Einzug gehalten hatte.


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