Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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9. November 1925 Gründung der Schutzstaffel, SS

Am 9. November 1925 wurde die SS gegründet, zunächst als Untergliederung der SA. Berüchtigt wurde die „Schutzstaffel“ unter ihrem Reichsführer Heinrich Himmler, einem Biedermann mit Hang zu skurriler Germanentümelei.

Stand: 09.11.2011 | Archiv

09 November

Mittwoch, 09. November 2011

Autor(in): Christian Feldmann

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz

Nein, er sah wirklich nicht wie ein Todesgott aus. Mit seinem blassen Milchbartgesicht und den Fischaugen hinter mächtig dicken Brillengläsern erinnerte der schlaksige junge Mann eher an einen Hilfsbeamten aus einem staubigen Büro. Er malochte als Laborant in einer Düngemittelfabrik, heiratete eine Krankenschwester namens Margarete, eine dominante Matrone, die ihn zärtlich „Dickkopf“ nannte, legte gemeinsam mit ihr ein winziges Landgut samt Hühnerzucht an - und träumte von der nationalen Revolution.

Die kam tatsächlich, und der kleine Spießer Heinrich Himmler wurde einer ihrer fanatischsten Vollstrecker. Der Sohn eines Münchner Studienrats, der mit kalter Strenge erzogene Musterschüler, den die bayerische Armee bei Kriegsende 1918 als siebzehnjährigen Fahnenjunker nach Hause geschickt hatte, der verhinderte Held, der nie an die Front gekommen war und stattdessen in Dorfwirtshäusern und Kleinstadthallen gegen katholische Bauernführer und jüdische Konzernherren wetterte, dieser farblose Oberlehrertyp schaffte es, sich unentbehrlich zu machen und binnen kurzem zu Hitlers stellvertretendem Reichspropagandaleiter aufzusteigen. Sein Chef Joseph Goebbels bescheinigte ihm mit gönnerhaftem Unterton: „Er ist nicht übermäßig klug, aber fleißig und brav.“

Treuer Bürokrat mit Marotten

Die oft gehörte These von der Banalität des Bösen lässt sich an niemandem so schön belegen wie an diesem Heinrich Himmler. Im Dritten Reich war er der mächtigste Mann Deutschlands nach Adolf Hitler - nicht, weil er die Massen mitgerissen oder durch Ideen und Visionen geglänzt hätte, sondern weil er der perfekte Bürokrat war: unglaublich diszipliniert und arbeitsam, zuverlässig, effektiv, allwissend, immer präsent. Und vor allem bedingungslos treu. Hitler hätte sich keinen besseren Diener wünschen können, als er ihn 1929 zum Reichsführer der vier Jahre zuvor, am 9. November 1925, gegründeten „Schutzstaffel“ machte.

Und so wurde der selbstlose Zuarbeiter ohne eigenes Charisma zum zweitmächtigsten Mann hinter Hitler selbst. Wenn er zum „Führer“ zum Vortrag musste, war er auch noch in späteren Jahren aufgeregt wie ein kleiner Schuljunge, strahlte über jedes Lob, fürchtete sich vor Tadel.

Hitler machte sich über die Germanentümelei und die sonderbaren Marotten seines treuen Paladins lustig, der seine „SS“ als Eliteorden nach dem Vorbild der Gralsritter gestaltete, mit sakralen Aufnahmeritualen und einer Totengedenkkrypta in der westfälischen Wewelsburg, wo in einer Flammenschale die ewige „Waberlohe“ brannte. Ein bisschen verrückt, der Mann. Aber unentbehrlich. Und wie gesagt: treu wie Gold.

SS-Bewerber "rein nordisch" - die Bräute im Badeanzug

Die „Schutzstaffel“, landläufig bekannt als SS, bildete zunächst eine Untergliederung der „Sturmabteilung“, der SA. Geschützt werden sollten die Versammlungen der NSDAP - und vor allem die Person des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler. In den ersten Jahren umfasste die SS gerade mal 280 Mann. 1933, im Jahr der braunen Machtübernahme, gebot der Reichsführer SS Heinrich Himmler bereits über 209.000 Gefolgsleute. Sie mussten mindestens 1,70 Meter groß sein, reinrassig, das hieß - im Originalton Himmler - „rein nordisch“ oder höchstens „mit leichten alpinen oder mittelmeerischen Zusätzen“. Sie sollten im Alter von 25 bis 30 Jahren heiraten und eine Familie gründen. Die Bräute hatten einen Stammbaum nebst Fotos im Badeanzug vorzulegen und sich einer erbgesundheitlichen Untersuchung zu unterziehen. In Grenzfällen entschied Himmler selbst nach eingehender Begutachtung.

In den letzten Kriegswochen wurde aber auch Himmler, der Treueste der Treuen, zum Verräter - jedenfalls in Hitlers Augen. Im Februar `45 biederte er sich in Stockholm bei Vertretern des Jüdischen Weltkongresses und des schwedischen Roten Kreuzes an:

Er sei immer für die ungehinderte Auswanderung der Juden eingetreten, die Krematorien in den KZs seien nur für Seuchenopfer bestimmt gewesen. Niemand nahm ihn ernst, aber Hitler stieß ihn wutschäumend aus der Partei aus. Im Mai 1945 von den Briten verhaftet, nahm sich Himmler das Leben.


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