Bayern 2 - Das Kalenderblatt


2

5. Dezember 1952 "The Great Smog" beginnt in London

London ist berühmt für seinen Nebel. Aber was sich am 5. Dezember 1952 über die Stadt legte, ging als Umweltkatastrophe in die Geschichte ein. Beim "Great Smog" starben tausende Menschen. Ihre Lungen waren pechschwarz.

Stand: 05.12.2014 | Archiv

05 Dezember

Freitag, 05. Dezember 2014

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Es war die Londoner "Erbsensuppe", für die der Maler Claude Monet im Jahr 1900 extra in die britische Hauptstadt reiste! Das mag sich, angesichts der traurigen Berühmtheit der englischen Küche, zunächst etwas sonderbar anhören. Doch "pea soup", zu Deutsch "Erbsensuppe" war der Spitzname, den die Engländer ihrem Londoner Nebel gegeben hatten. Monet brannte darauf, die wabernden Schleier dieses Nebels auf Leinwand zu bannen. Ein Nebel, der mal gelblich, mal braun, grau oder orange wirkte, je nachdem wie das Sonnenlicht hindurch schien. Nur leider war die "Erbsensuppe" oft so dick, dass überhaupt kein Licht durch kam.

Die Oberlippe steif halten!

Ausländer mochte der Londoner Nebel entzücken oder entsetzen. Die Londoner selbst ertrugen ihn mit Gleichmut. "Keep a stiff upper lip - halt die Oberlippe steif!", so lautet das Motto des englischen Gentlemans, der sich keine Unannehmlichkeit anmerken lässt. Auch wenn die Londoner Luft wieder einmal zum Schneiden dick war. Die "pea soup" war im Grunde Smog. Smog, der aus den unzähligen kohlebeheizten Kaminen der Wohnhäuser dampfte, aus den Fabriken und Kohlekraftwerken und der sich mit dem Nebel des Themsetales vermischte.

Auch am 5. Dezember 1952 schwamm London wieder in seiner Erbsensuppe. Doch diese Suppe wurde immer dicker. Sie legte sich als schwarzer Ruß auf die Porzellangesichter der feinen Damen, die sich im weihnachtlich geschmückten Nobelkaufhaus Harrods um die Warentische drängten. Der Nebel waberte ungehindert vorbei an den Einlassdienern des Sadler`s  Wells Theaters und breitete sich im Parkett aus. Die Vorstellung musste abgebrochen werden, da die Bühne nicht mehr zu sehen war. Und als die Zuschauer ins Freie stolperten, sahen sie ihre eigenen Füße nicht. Fast fünf Tage herrschte Finsternis in der Stadt. Der Verkehr brach zusammen.

Schuld ist immer das Wetter

Doch die Londoner behielten ihre steife Oberlippe. Auch dann, als der Nebel immer mehr Opfer forderte. Schätzungsweise 4000 Menschen starben innerhalb jener fünf Tage an den gesundheitlichen Schäden durch den "Great Smog", wie diese Umweltkatastrophe heute genannt wird. Endlich, am 9. Dezember, kam Westwind auf. Der Smog löste sich auf. Die britische Regierung versicherte, dass an allem nicht etwa die Industrie schuld sei, sondern nur das englische Wetter. Und zwar eine Inversionswetterlage, bei der die höhere Luftschicht wärmer ist als die untere. Die warme Luft wirkt wie ein Deckel, der den Smog am Boden hält. Neue Gesetze zum Umweltschutz? Man muss schließlich auch an die Wirtschaft denken!

Für die Angehörigen der Opfer war das kein Trost - und auch keine Beruhigung. Etwa 8000 weitere Menschen starben in den nächsten Monaten an den Folgen des "Great Smog". Erst viele Nebeltage später, im Jahr 1956, handelte die Regierung schließlich doch. Der erste "Clean Air Act" trat in Kraft, der die Verbrennung von Kohle in den Londoner Haushalten begrenzte.

Londons Luft ist leider auch heute längst nicht so "clean" wie sie sein sollte. Doch wer sehen will, mit welch unheimlich anmutender Schönheit die Silhouette des Londoner Parlaments aus den Nebelschleiern auftaucht, der sollte unbedingt reisen - nach Paris. Denn dort hängt im Musée d`Orsay eines jener Gemälde, zu dem die Londoner  "Erbsensuppe" Claude Monet inspirierte.


2