Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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05. August 1858 Erstes Transatlantik-Seekabel verlegt

"Ende des Kabels heil angekommen" – meldete das erste Telegramm, das am 5. August 1858 über den Atlantik gekabelt wurde. Das erste Transatlantik-Kabel hielt zwar keine vier Wochen, aber das Unternehmen war gigantisch, der Auftakt zu einem neuen Zeitalter in der menschlichen Kommunikation.

Stand: 05.08.2010 | Archiv

05 August

Donnerstag, 05. August 2010

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Krista Posch

Redaktion: Thomas Morawetz

Es war ein seltsamer Fisch, den der unbekannte französische Fischer im Jahr 1850 aus dem Ärmelkanal zog: biegsam wie ein Aal; und so lang und schwer, dass sich der Fischer wohl oder übel ein Stück davon abschneiden musste, um seinen Fang an Land zu bringen. Und das wollte er! Denn der Bauch des Untiers war mit Gold gefüllt.

Während der stolze Mann im Hafen von Boulogne mit seiner Trophäe prahlte, machte man am anderen Ufer des Kanals ratlose Gesichter. Was dem Fischer ins Netz gegangen war, war nämlich keineswegs ein goldgefüllter Riesenaal, sondern vielmehr das frisch verlegte kupferne Unterseekabel, mit dessen Hilfe man England und das europäische Festland per Telegrafie verkuppeln wollte. Die Verbindung bestand nur wenige Stunden – was allerdings nicht am Wilderer lag. Man muss ihm zugute halten: Das Kabel war bereits gebrochen.

Die Vernetzung der Welt war Mitte des 19. Jahrhunderts in vollem Gange. Das Fieber, mit dem sie allen Rückschlägen zum Trotz vorangetrieben wurde, lässt sich vielleicht verstehen, wenn man sieht, wie rasant die Telegrafie die Kommunikation beschleunigte: Zirka zwei Wochen benötigte eine Nachricht um 1850 nach Amerika - per Schiff. Per Telegramm würde es nur Minuten dauern.

Diese Vorstellung reizte auch den amerikanischen Geschäftsmann Cyrus Field. Als der Ingenieur Frederic Gisborne ihn um Geld für ein Kabel von Neufundland zum amerikanischen Festland bat, sagte er zu. Doch nur unter der Bedingung, dass das Kabel quer durch den Atlantik verlegt würde, um die Kontinente miteinander zu verbinden. Wie gigantisch das Vorhaben war, ahnte keiner, obwohl die bloßen Zahlen schon für sich sprachen: Das Kabel sollte eine Länge von 4600 Kilometern haben, bestehend aus mehr als einer halben Million Kilometer Kupfer- und Eisendraht. 2500 Tonnen Kabel – das war zu viel für ein einziges Schiff. Man belud also zwei Schiffe, die von beiden Kontinenten aufeinander zu fahren und sich in der Mitte treffen sollten. Was für ein logistisches Großunternehmen sich die Initiatoren aufgehalst hatten, stellte sich erst heraus, als der Plan in die Praxis umgesetzt wurde. Der Kabelkonstrukteur hatte zwar den empfindlichen Kern mit ausgeklügelten Schutzschichten umgeben lassen; aber die Konstruktion hielt nicht einmal den kleinen Pannen des Alltags stand.

Schon beim Abrollen riss das Kabel nach vier Meilen das erste Mal. Der Panne folgten weitere: Die Schiffe gerieten in Sturm; die Kompassnadeln spielten verrückt, weil zu viel Eisen an Bord war; die Schiffe verfehlten sich. Unzählige Male musste das Kabel geflickt werden.

Am 5. August 1858 war es endlich geschafft: Die Leitung war gelegt - exakt ein Jahr, nachdem das Projekt begonnen hatte. Noch am selben Tag meldete Cyrus Field der New York Times – per Telegramm, versteht sich: „Ende des Kabels heil angekommen“.

Die Londoner „Times“ triumphierte: „Seit der Entdeckung des Kolumbus wurde keine vergleichbare Erweiterung des menschlichen Wirkungsbereiches erzielt.“ Und: „Es ist undenkbar, dass alte Vorurteile und Feindseligkeiten weiter existieren, wo nun ein solches Instrument für den Austausch von Gedanken zwischen allen Nationen der Erde geschaffen wurde.“

Die so gepriesene Verbindung hielt noch nicht einmal vier Wochen. Schon nach wenigen Tagen wurden die Signale schwächer; dann verstummten sie ganz. Das Kabel war seiner Aufgabe nicht gewachsen. Erst acht Jahre später konnte eine Neukonstruktion die telegrafische Datenübermittlung sichern. Das Zeitalter der stetigen Beschleunigung war nicht mehr aufzuhalten.


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