Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. September 1568 Shakespeares Vater wird Bürgermeister

Wie konnte William Shakespeare, ein Mann aus dem Kleinstadtbürgertum, ein Werk verfassen, über das die Welt noch heute staunt? Vielleicht begann es schon damit, dass sein Vater John Bürgermeister wurde - am 4. September 1568.

Stand: 04.09.2012 | Archiv

04 September

Dienstag, 04. September 2012

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Das 16. Jahrhundert ist lange her, und Einzelheiten aus dem Privatleben der Menschen damals sind kaum bekannt. Ärgerlicherweise trifft das auch auf William Shakespeare zu. Der hat in seinem Werk zwar alle Höhen und Tiefen des irdischen Daseins ausgelotet, aber nichts hinterlassen, was die Neugier der Welt auf  seine geheimen Sehnsüchte, Eheprobleme oder Kindheitsabenteuer stillen könnte. Oder wenigstens andeutungsweise erklären würde, wie es denn möglich ist, dass ein einzelner Mensch aus dem ganz normalen Kleinstadt- Bürgertum ein Werk verfassen konnte, über das die Welt noch heute staunt.

Rätsel Shakespeare

Wie alles schwer Durchschaubare bietet auch das Rätsel Shakespeare den idealen  Nährboden für Verschwörungstheorien. Verbirgt sich hinter diesem Namen vielleicht ein Adeliger, der einen Strohmann brauchte, weil Stückeschreiben nicht standesgemäß war? Das Kino ist der Frage nachgegangen. Doch für die Forschung steht weiterhin fest: Shakespeare war Shakespeare. Sein Leben und die Urheberschaft seines Werks sind spärlich, aber sicher belegt.

William war ein Sohn aus gutem Hause, so viel ist klar. Sein Vater John hat seine öffentliche Laufbahn mit dem Amt des "Kontrolleurs von Brot und Bier" begonnen. Später wurde John Shakespeare Geschworener, Kämmerer, Ratsherr - und am 4. September 1568 zum Bürgermeister von Stratford gewählt. 

William, damals vier Jahre alt, genoss als Bürgermeisterkind wohl einige  Privilegien. Kam vielleicht ganz dicht an die Wanderbühnen heran, die gelegentlich in der Stadt gastierten. Theater, das elektrisierte die Menschen jener Tage, in der das Leben arm an Abwechslung, arm an Bildern war. Theater, das fiel aus dem Rahmen, das hatte etwas Verruchtes. John Shakespeare ließ sich vom puritanischen Zeitgeist nicht abschrecken, der seine Amtskollegen in anderen Orten dazu brachte, ihre Tore vor den Schauspielern zu verschließen.

Die Magie der Bühne, die bunten Masken und Kostüme, die fremden Menschen, ihre Bühnensprache, ihre Körperbeherrschung,  ihre Welterfahrung - so viel Aufregung, und das Kind  William mittendrin. So könnte es gewesen sein. 

Wirtschaftliche Nöte

War die Liebe zum Theater ein besonderes Band zwischen Vater und Sohn? Wenn man das wüsste. Bekannt ist wieder mal nur der schnöde Lebenskampf. Dass John Shakespeare später in wirtschaftliche Nöte geriet, dass William also auch die Armut kennen lernte. Seinen Weg gemacht hat er trotzdem: als erfolgreicher Stückeschreiber, Schauspieler und Geschäftsmann.

Letztlich kann man ein Genie wie Shakespeare nicht erklären. Was von ihm bleibt, ist ein Werk, das, seltsam alterslos, die Zeiten überdauert. "Es ist die Eigenschaft des Geistes, dass er den Geist ewig anregt", sagte Goethe über Shakespeare. Zum Glück nicht nur zu Verschwörungstheorien.


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