Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. November 1500 Cellini geboren, Genie und Gewalttäter

Er war begnadet, ein Genie als Bildhauer und Metallgießer. Benvenuto Cellini, geboren am 3. November 1500, wurde früh ein Liebling höchster Herren. Sie lobten ihn und seine Kunst in den Himmel. Doch peinlicherweise war Cellini auch ein Gewalttäter und Totschläger.

Stand: 03.11.2010 | Archiv

03 November

Mittwoch, 03. November 2010

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Ilse Neubauer, Detlef Kügow

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Ein Universalgenie und ein einzigartiges Leben. Benvenuto Cellini, Benvenuto, der "Willkommene", so genannt von seinem Vater in der Nacht seiner Geburt, am 3. November des Jahres 1500, um viereinhalb Uhr. Ein zweites Mädchen hatten sie erwartet, nun war es ein Junge geworden, ein willkommener Junge. Und was für ein Junge. Benvenuto war mit den Händen geschickt, mit Worten laut, mit Taten stark. Er lernte Marmor zu behandeln und mit Gold umzugehen, er emaillierte und goss in Bronze, in seiner Werkstatt und unter seinen Händen entstanden Dinge, die höchste Herren in höchste Entzückung versetzten. Er war Bildhauer und Metallgießer, Goldschmied, Stempelschneider an der Münze des Vatikans, Schriftsteller, aber auch Gewalttäter, Totschläger und Mörder. Einmal rächte er seinen Bruder, der bei einem Fechtkampf ums Leben kam. In seiner Autobiographie mit dem Titel "Aus meinem Leben" heißt es:

"... da drang ich durch alle hindurch, ergriff einen spitzigen kleinen Dolch und fasste ihn bei der Brust, stieß nach seinem Gesicht, das er vor Schrecken mir zuwendete, traf ihn daher unterm Ohr, wohin ich ihm zwei Stiche versetzte, so dass er mir tot in die Hände fiel."

Benvenuto Cellinis Leben war ein bizarres Gesamtkunstwerk aus Schaffen und Zerstören, aus Gestalten und Verderben, aus Schönheit und Intrige, aus Erfolg und Willkür. Am andern Morgen schon konnten seine mächtigen Freunde zu ebenso mächtigen Feinden geworden sein. Die Auftraggeber lobten ihn in den Himmel und ließen ihn dann - aufgrund irgendwelcher Verdächtigungen - im Kerker nahezu verrecken:

"Man trug mich in ein dunkles Behältnis, das sehr feucht war, voll Taranteln und giftiger Würmer, warf mir eine Matratze von verfaultem Werg auf die Erde, gab mir nichts zu essen und verschloss mich mit vier Türen."

Sobald er jedoch - wieder in Freiheit gelangt - jemanden im Zorn umgebracht hatte, retteten sie ihn vor der Verfolgung und gaben ihm neue Aufträge. "Nehmt zur Kenntnis", sagte der Papst, "dass Männer wie Benvenuto, die in ihrer Kunst so einzigartig sind, dem Gesetz nicht unterworfen sind." Der außerhalb der Gesetze lebte, war der Sohn eines Baumeisters und Musikers, in Florenz geboren, von seinem Vater zur Musik bestimmt, ausgerissen und bei Goldschmiedelehrern untergekommen, ein Tunichtgut, der es dank seines aufbrausenden Charakters nirgendwo lange aushält, der handgreiflicher Streitereien wegen als Mönch verkleidet fliehen muss, der durch einzigartige Ideenfülle und Gestaltungskraft reichste Gönner für sich gewinnt, der durch sie in Rom eine eigene Werkstatt eröffnen kann, mit so großem Erfolg, dass er weder an Freunden noch an Feinden Mangel hat.

Gefälschte Münzen sind mit einem Mal in Umlauf, der Verdacht fällt auf Cellini, sind sie doch mit seinen Stempeln geprägt, er aber kann beweisen, dass die Stempel zuvor aus seiner Werkstatt gestohlen worden waren. Mörder werden auf ihn angesetzt, Häscher lauern ihm auf, zwei Jahre lang liegt er in der Engelsburg im Gefängnis des Papstes, ohne Verhandlung oder Vernehmung, die Zähne fallen ihm aus, man versucht, ihn mit zerstoßenen Diamanten, ins Essen gemischt, zu ermorden. Immer wieder entkommt er, wird befreit, gesundet, gründet aufs Neue eine Werkstatt, erhält aufs Neue Aufträge von höchsten Gönnern, rächt sich an seinen Widersachern, schlägt um sich und tötet und schafft in derselben Zeit die kostbarsten und schönsten Kunstwerke.

Was für ein einzigartiges, bizarres Leben. Benvenuto Cellinis künstlerisches Genie sichert ihm Schonung vor den Folgen seines aggressiven Lebenswandels, liefert ihn aber gleichzeitig der Willkür seiner Gönner aus. Das Vertrauen in das Leben, die Sicherheit, schaffen, zerstören, lieben, töten, verlieren, gewinnen zu können, schöpft Cellini aus jener Instanz, an die auch seine Freunde und Feinde glauben.

"Was mir Gott gibt, das ist mir immer lieb."


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