Bayern 2

     

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Walter Sedlmayr Weltbürger und Biedermann

Was ist geblieben von Walter Sedlmayr, 27 Jahre nach seinem Tod? In "Land und Leute" zeichnen Schauspielerkollegen und Freunde ihr Bild von Walter Sedlmayr, dem grandiosen Grantler.

Von: Michael Zametzer

Stand: 06.01.2018 | Archiv

"Ich musst immer nach der Schule in den Laden - so zum Tür aufmachen und Packerl austragen und so weiter. Und 'Grüß Gott, gnädige Frau, beehren Sie uns recht bald wieder' . Mein Vater hat dann meistens 'Mistviech' dera nachgesagt. - Der Laden war in Schwabing. Da hab ich immer sehr genau meinen Vater beobachtet, hab beobachtet, wie der gefährlich wurde, wenn er besonders höflich wurde. Und zwar hatte der so seine gezügelten Jähzornsanfälle, weil er hat ja die Frau nicht hauen können, die im Laden war, das durfte man ja damals auch nicht und da hab ich zum Beispiel so Jähzornanfälle gelernt. Wenn mir irgendeine Reaktion nicht einfällt zur Figur, dann denk ich an meinen Vater. Ich spiel eigentlich so lang schon meinen Vater, dass ich jetzt selber wie mein Vater geworden bin."

Walter Sedlmayr 1988 in Blacky Fuchsbergers TV-Show 'Heut abend'

Sohn eines kleinen Tabakhändlers

Der Erfolg war ihm wirklich nicht in die Wiege gelegt worden. Walter Sedlmayr, geboren 1926 in München, Sohn eines kleinen Tabakhändlers, ein schlechter Schüler, der sich nach dem Krieg an den Münchner Theatern durchschlägt. Erst spät, Anfang der 1970er-Jahre, entdeckt ihn Rainer Werner Fassbinder für den Neuen Deutschen Film.

"Bühnenstar verhaftet!"

Da hat Sedlmayr schon ein Vierteljahrhundert lang auf der Bühne der Kammerspiele gestanden, tapfer eine Nebenrolle nach der anderen gespielt - schon damals mit Bauch, Halbglatze und Schnauzbart.

Walter Sedlmayr als Bühnenstar mit Ritterrüstung

Der Durchbruch kommt 1971 - nicht auf der Bühne, sondern mit einer Schlagzeile: "Bühnenstar verhaftet!" Sedlmayr wird verdächtigt, in einen Kunstraub verwickelt zu sein. Er ist unschuldig. Aber jeder fragt sich jetzt: Wer ist dieser "Bühnenstar" Sedlmayr? Die Antwort gibt er als Theodor Hierneis, ehemaliger Hofkoch von Ludwig II., in einem Film von Hans-Jürgen Syberberg. Die Mischung aus Dokumentation und Fiktion macht Sedlmayr schlagartig bekannt - und begehrt.

"Da ist ja in der Zeitung gestanden: 'Bühnenstar verhaftet' . Aber die Journalisten haben angerufen im Theater: Wer ist denn das, der berühmte Star? Den hat ja kein Mensch gekannt. Und d' Garderobenfrau oder eine in der Dramaturgie hat erklärt, wer dieser Star ist. Und dann wurde ich allmählich rehabilitiert. Und dann haben die auf einmal gesagt: Der ist ja ein Star! Dann war ich eigentlich der unbekannteste Star, den es gibt."

Walter Sedlmayr

Bilder aus dem Leben von Walter Sedlmayr

Kleiner Grantler mit großem Herzen

Sedlmayr wird zum Inbegriff des kleinen Grantlers mit dem großen Herzen: als Revierleiter in der Fernsehserie "Polizeiinspektion 1", als "Millionenbauer" Josef Hartinger oder in unzähligen Volksstücken auf der Bühne und im Rundfunk. Und vielen gilt er bis heute als bester Politiker-Derblecker auf dem Münchner Nockherberg: scharfsinnig und spitzzüngig, aber vor allem kein Abziehbild eines Bayern.

"Ja, ich glaube, das haben wir Bayern nicht nötig. Wir sind nicht nur gemütlich, wir sind auch ungemütlich, wir sind nicht nur lustig, wir sind auch grantig, wir sind nicht nur gut, wir sind auch bös, und i find wir sind eine Mischung dieser Eigenschaften, und drum möcht ich alle Eigenschaften spielen und nicht - wie manchmal in ländlichen Komödien - nur einen depperten Bauern oder nur einen lustigen Bauern. Der komplizierte Bauer interessiert mich mehr."

Walter Sedlmayr

"Das hat er gar nicht gemocht, diese Salonbayern, diese Berufsbayern oder diese, die drauf rumgeritten sind. In einer Lederhosen hätte ich ihn mir nie vorstellen können, aber er hat schon Tracht getragen, ich würd sagen, das leichte Biergwand, so wie man ihn kannte, aber dann auch mit Krawatte."

Elmar Wepper

Schwieriger Selbstdarsteller

Hinter der Maske des Biedermannes, die er für sein Publikum immer wieder aufsetzt, versteckt sich ein anderer Sedlmayr: Privat und im Umgang mit Kollegen gilt er als schwierig, als Selbstdarsteller, mit unnachgiebiger Härte darauf bedacht, das eigene Terrain zu sichern. Er selbst sieht sich als Weltbürger - liberal und gebildet.

Wenn er was wollte, hat er es mit allen Mitteln durchgesetzt

Schauspielerin Christiane Blumhoff

Christiane Blumhoff erinnert sich: "Beim 'Millionenbauer', ich nenn' auch den Namen des Regisseurs nicht, weil der noch arbeitet, und der wollte irgendwas vom Walter, und der wollte das nicht. Der hat gesagt, das ist ein Schmarrn. Dann hat er einen Herzanfall gekriegt, also - gespielt. Sanka gekommen, dann ist er abtransportiert worden. Alles, volles Programm. Und am nächsten Tag durfte er das so machen, wie er wollte. Also er hat sich wirklich mit allen Mitteln durchgesetzt."

Requisiteurin schikaniert

BR-Reporter Michael Zametzer (l.) interviewt Elmar Wepper

Elmar Wepper erinnert sich: "Die Franziska war unsere Requisiteurin und da hat er mal zur Franziska gesagt: 'Du, Franziska, die Szene morgen, da dad i gern Weißwürscht essen'. Jetzt kam er am nächsten Tag und war ganz schlecht drauf irgendwie - und dann waren die Weißwürscht zu warm, dann waren sie zu kalt, und dann hat er diese arme Franziska zusammengestaucht und hat die an den Rand der Tränen gebracht.

Aber am nächsten Tag kam er mit einer Hutschachtel - und da war eine Torte drin, und da hat er coram publico gesagt: 'Kinder es tut mir leid, ich war gestern ungerecht - und, liebe Franziska, entschuldige, es tut mir so leid. Das war ein großer Fehler von mir'. Also, das war auch der Walter."

Ermordung am 14. Juli 1990

Im Juli 1990 endete dieses Leben auf grausame Weise. Der Mord an Walter Sedlmayr schockierte nicht nur die Fans. Die Presse schlachtete sein Privatleben gnadenlos aus, als seine Homosexualität bekannt wurde.

Alle wussten es

Bei Dreharbeiten war Privates immer privat geblieben. Dass Walter Sedlmayr, der Inbegriff eines Paradebayern, schwul war - das wussten fast alle in seiner unmittelbaren Umgebung, aber keiner sprach es an. Der Schauspieler hütete sich, sein Innerstes nach außen zu kehren. Er verbarg, in welchem Zwiespalt er lebte - vermutlich die schwierigste Rolle seines Lebens.

"Es wussten sicher alle Lokalreporter, alle Regenbogenpressendings, dass der Walter schwul war, und das war tabu, das war überhaupt kein Thema, das wurde nie thematisiert. Was ich auch sehr gut finde, weil ohne Not."

Elmar Wepper

"Genau, das ist schon eine Art von Wertschätzung diesem Mann gegenüber, wenn das ein anderer wäre, den man überhaupt nicht leiden kann, dann wäre der Erste hingegangen und hätte gesagt: 'Ich hab gehört ...'. Na, und das passierte einfach nicht. Nicht mal untereinander haben wir darüber geredet, gar nicht. Aber jeder wusste es."

Christiane Blumhoff


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