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Albrecht Dürer Meister des Kupferstichs und des Holzschnitts

"Kein Tag ohne Linie", soll Apelles, der größte Zeichner der Antike, gesagt haben. Schon seine Zeitgenossen feierten Dürer als neuen Apelles. Dürer perfektionierte und signierte seine Zeichnungen und machte sie zu autonomen Kunstwerken. Mit seinen Kupferstichen und Holzschnitten leitete er die Geburtsstunde der grafischen Reproduktion ein.

Published at: 15-10-2012 | Archiv

"Die apokalyptischen Reiter" (1497/98) Holzschnitt | Bild: picture-alliance/dpa

Als Dürer von seiner ersten Italienreise nach Nürnberg zurückkehrte, machte er sich bald weit über seine Heimatstadt hinaus einen Namen als großer Künstler: mit der "Apokalypse" einer abgeschlossenen Bildfolge in Buchform, in der insgesamt 15 Holzschnitte auf der rechten Seite die Offenbarung des Johannes auf der linken Seite illustrieren. Das Buch erschien 1498 auf Deutsch und Lateinisch und erregte großes Aufsehen und Bewunderung: Nie zuvor hatte einer derartig plastisch Visionen, dramatische Szenen, gewaltige Naturschauspiele, Stimmungen und Ängste auf das Papier gebracht, und das mit einer eher primitiven Technik, die vor Dürer nur schlichte Zeichnungen wiedergab, eben dem Holzschnitt.

Vollender des Holzschnitts und gewiefter Geschäftsmann

"Landsknecht und Tod" Holzschnitt von 1510

Erst 1515 hatte Dürer mit Sicherheit einen professionellen Formschneider, oder wie es auch heißt: Reißer, in seiner Werkstatt beschäftigt, weshalb die Forschung vermutet, dass Dürer selbst seine hochkomplexen Vorzeichnungen der Apokalypse in die Holzplatten schnitt. Auch den Druck der Bücher hat er wohl in der eigenen Werkstatt besorgt, denn so konnte er je nach Auftragslage nachdrucken: Der Holzschnitt erlaubte im Unterschied zum Kupferstich, bei dem die Auflage gewöhnlich auf 1.000 Exemplare begrenzt ist, sehr hohe Auflagen. Auch den Vertrieb der Grafiken führte Dürer in eigener Regie: Er stellte Vertreter an, die seine Holz- und Kupferstiche weltweit verkauften, auf den Messen und Märkten der Region sorgten Dürers Frau und seine Mutter für einen guten Absatz.

Die Apokalypse, Dürers großer Durchbruch

Überwindung des mittelalterlichen Holzschnitts

Dürer spannte, was früher verschiedene Funktionen hatte, zusammen: "Kontur und Schraffierung wurden gemeinsam die Träger von Licht und Schatten. Die Linie erhielt durch Dürer einen Tonwert. Sie wurde verfeinert, bereichert, belebt und konnte wie die des Kupferstichs anschwellen und dünner werden. Auch die Schraffuren wurden biegsam. Nur so war es möglich, dass das Faltenwerk der Gewänder auf der Basis des realistischen Erscheinungsbildes zum Träger des seelischen Ausdrucks wurde. Der Holzschnitt erhielt durch Dürer eine vorher unbekannte Tiefendimension. Da das Papier den Charakter einer Grundlage verlor, auf die die Gegenstände aufgetragen wurden, konnten die Gegenstände jenes optische Eigenleben entfalten, das bis heute unserem Verständnis von grafischer Wiedergabe entspricht." Johann Konrad Eberlein, in "Albrecht Dürer".

Der enorme Erfolg, den 1498 die Apokalypse bedeutete, verdankte sich zwar auch dem Umstand, dass Dürer Künstler und Geschäftsmann in Personalunion war - und damit die mittelalterliche Arbeitsteilung überwand. Aber vor allem war dieser Erfolg seiner virtuosen, zeitgenössischen Darstellung der Apokalypse geschuldet, die offenkundig den Nerv der Zeit mit all ihren Untergangsvisionen im ausgehenden Mittelalter traf. Dürer versetzte das biblische Geschehen in eine fränkische Mittelgebirgslandschaft, stellte die Frauen in der aktuellen Damenmode dar und machte unterschiedslos Arm und Reich zu Opfern des dramatischen Weltuntergangs. Außerdem gelang ihm, was bislang noch keinem gelungen war: Er hat die Probleme der perspektivischen Darstellung studiert und machte die - durch Nähe, Ferne und Lichtverhältnisse - zustande kommenden verschiedene Grade der Sichtbarkeit durch Hell-Dunkelwerte in seiner Linienführung deutlich. So konnte Dürer auf die nachträgliche Kolorierung seiner Blätter verzichten, was ihm immenses Lob einbrachte. Vor allem von den bilderfeindlichen Reformatoren, die den Künstlern vorwarfen, dass sie mit ihren Farben die Betrachter in die Irre führten, vortäuschten, was nicht sei. Gut zehn Jahre später illustrierte Dürer mit einer Holzschnitt-Folge die Passion Christi.

Revolutioniert den Kupferstich

Fahne schwenkender Landsknecht

Mit der Technik der Kupferstecher war Dürer quasi groß geworden: Schließlich war das Stechen und Bearbeiten von Kupferplatten in den Goldschmiedewerkstätten erfunden worden. Als ehemaliger Lehrling seines Vaters verstand sich Dürer auf diese Kunst und er perfektionierte sie, indem er anders als seine Vorgänger Kontur und Schraffur komplett in den Dienst der Wiedergabe seiner Themen stellte. Während die meisten Holzschnitte Dürers - bis zur Apokalypse stellte er rund 30 Blätter her - religiöse Themen hatten, eignete sich der sehr viel teurere und auflagenschwächere Kupferstich für viele, auch weltliche Themen: Genreszenen, antike mythologische Stoffe, mit denen Dürer durch seine humanistischen Freunde vertraut wurde, und Bildnisse.

Übung macht den Meister, genauer: die "freie Hand"

"Betende Hände" Pinselzeichnung von 1508

Seine Leidenschaft für das Zeichnen dokumentierte Dürer bereits mit 13 Jahren, als er sein Selbstbildnis mit Silberstift schuf. Dass Dürers Linienführung schon bald so berühmt wurde, das kam nicht von ungefähr: Dürer zeichnete fast täglich und empfahl auch in seinem Lehrbuchentwurf von 1513 allen künftigen Malern das regelmäßige Zeichnen nach vorbildlichen Künstlern, um eine "freie Hand" zu bekommen. Denn die muss haben, wer nach der Natur zeichnen - oder wie es damals hieß: konterfeien wollte. Wie Dürer diese Kunst der getreuen, täuschend echten Naturnachahmung beherrschte, zeigen die "Betenden Hände", eine Vorstudie zu dem von Jakob Heller bestellten Altar, der selbst verschollen ist. Die "Betenden Hände" aber wurden Kult. Kein Dürermotiv ist im 20. Jahrnundert so oft reproduziert und verunstaltet worden wie sie.


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