Bayern 2 - Zum Sonntag


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Ellen Überschär Ein Hoffnungszeichen aus Kapstadt

Die Menschen in Südafrika haben Vertrauen in die Demokratie bewiesen und gegen die Korruption gestimmt. Der ANC hat die Macht nicht völlig verloren, aber er muss sie teilen. Ein Hoffnungszeichen aus Kapstadt

Stand: 13.08.2016

Ellen Ueberschär ist Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags. | Bild: Privat

Es war keine große Sache in den deutschen Medien. Der Süden Afrikas ist weit weg und die Lokalwahlen im Lande Nelson Mandelas wurden abgehakt. Der Focus unserer Aufmerksamkeit liegt selbstverständlich auf Bayern selbst, eventuell noch auf der Türkei oder Syrien. Und vielleicht wären mir die südafrikanischen Entwicklungen auch entgangen, hätte ich nicht Piet Naudè getroffen, der mich mit seiner Aufregung und Begeisterung für das Ergebnis dieser Wahl angesteckt hat. Naudé, der fließend deutsch spricht, ist Universitätslehrer und öffentlicher Intellektueller.  Als Pfarrer kämpfte er gegen die Apartheid in seiner eigenen Kirche und streitet heute, als Rektor an der Universität Stellenbosch, für Gerechtigkeit. 

Die Apartheid in Südafrika war für die Kirchen in Deutschland, und besonders für den Deutschen Evangelischen Kirchentag, über Jahrzehnte ein drängendes, hochumstrittenes Thema. Welche Hebel können und müssen Christen in Deutschland in Bewegung setzen, um den Kampf gegen die Apartheid und die Freilassung Nelson Mandelas zu unterstützen? Eine Gruppe von Frauen startete 1987 auf dem Kirchentag in Frankfurt einen Boykottaufruf: Kauft keine Früchte aus Südafrika! Und nach langer, harter Diskussion kündigte der Kirchentag seine Konten bei der Deutschen Bank. Weil die für ihre gewinnträchtigen Geschäfte im Land der Apartheid bekannt war.

Korruption hat sich eingeschlichen

Die Freiheit für Nelson Mandelas und schließlich die Abschaffung der Rassentrennung war ein Triumph der Gerechtigkeit. Es war auch ein Sieg für den ANC, die Partei Nelson Mandelas. Tausende hatten ihre Freiheit geopfert, ihr Leben. Die Glaubwürdigkeit des ANC war unermesslich hoch. Aber Korruption schlich sich ein und brachte das Land in eine dramatische wirtschaftliche Schieflage, die anhält. Trotzdem – der ANC ist die Befreiungsbewegung, das Herz des neuen Südafrika. Würden die Menschen wagen, gegen den ANC zu stimmen? Die elektrisierende Antwort ist: Ja. Sie haben Vertrauen in die Demokratie bewiesen, gegen die Korruption gestimmt. Der ANC hat die Macht nicht völlig verloren, aber er muss sie teilen.

Ein junger Mann steht an der Spitze der Opposition. Mmusi Maimane. Schon ist vom Obama für Afrika die Rede. Er ist ein Theologe. Kein Zufall, denn Gerechtigkeit ist ein Kernthema der Bibel und des christlichen Glaubens. Und er kommt aus Soweto, wo vor genau 40 Jahren der Schüleraufstand begann, der zahlreiche junge Menschen das Leben kostete. „Möchte ich, dass Christen Verantwortung für diese Nation übernehmen?“ So hat er einmal gefragt und geantwortet: „Ja. Natürlich! Und: sie müssen gewählt werden“.

Denkzettel für den ANC

Christen, allen voran der inzwischen über 80-jährige Bischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, haben den Übergang in die Demokratie und die schmerzvolle Aufarbeitung der Rassentrennung intensiv begleitet. Die meisten von ihnen sind in den Hintergrund getreten, aber sie bleiben politisch hellwach. Und Piet Naudè findet – mit den friedlichen Wahlen und dem Denkzettel für den ANC ist die Saat der Gerechtigkeit aufgegangen, Menschen haben sich für die Werte der Verfassung entschieden. Südafrika hat gerade die Schwelle in eine stabile, vom Vertrauen der Menschen getragene Demokratie übertreten. Übrigens sind auch Rechtspopulisten angetreten. Aber mit geringem Erfolg. Angesichts des Mißtrauens gegenüber der Demokratie und enttäuschter Gerechtigkeitserwartungen hierzulande ist das Wahlergebnis in Kapstadt, Johannesburg und in Nelson Mandela Bay ein Hoffnungszeichen.


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