Bayern 2 - Zündfunk


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Im Interview: Liane Bednarz Wie die AfD unsere politische Sprache verändert

AfD-Chefin Frauke Petry hat es wieder einmal geschafft. Kein Mausrutscher, sondern bewusste Strategie: Den Begriff „völkisch“ müsse man wieder positiv besetzen. Sammy Khamis hat mit Liane Bednarz über die Macht der Sprache gesprochen.

Von: Sammy Khamis

Stand: 13.09.2016

Die Autorin Liane Bednarz | Bild: Liane Bednarz

Zündfunk: Frauke Petry sagte an diesem Wochenende, sie wehre sich dagegen, dass der Begriff „völkisch“ rassistisch konnotiert sei. Patrick Gensing von der Tagesschau stellte die Frage, weshalb Petry diesen Begriff „aus dem Giftschrank“ holt. Wieso macht sie das?

Liane Bednarz: Ich glaube, sie macht das deshalb, weil die AfD zunehmend als völkisch bezeichnet wird. In letzter Zeit hat beispielsweise das Recherchenetzwerk Correctiv konsequent von „völkischen Teilen der AfD“ gesprochen.

Und in diesem Interview mit der Welt am Sonntag wurde sie eben damit konfrontiert, ob man nicht prüfen müsse, ob bestimmte AfD-Mitglieder eine völkische Gesinnung haben. Petry wird mitbekommen haben, dass dieser Begriff immer häufiger fällt und hat dann die Gelegenheit genutzt, den Spieß sozusagen umzudrehen und zurück zu fragen, was denn an dem Begriff eigentlich schlimm sei.

Zum anderen ist es natürlich auch ganz klar ein Zeichen hinein in die neurechte Szene. Frauke Petry hat schon länger das Problem, dass sie sich nicht mehr gegen den neurechten radikalen Flügel von Björn Höcke durchsetzen kann. Also versucht sie jetzt selber neurechte Positionen zu besetzen - und „völkisch“ ist sozusagen der Anfang davon.

Frauke Petry gilt also innerhalb der AfD als zu weich sagst Du?

Peter Sloterdijk  (2012) | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel Brauner Überbau Sloterdijk, Kubitschek und die Neue Rechte

Peter Sloterdijk gilt immer noch als einer der wichtigsten Philosophen des Landes. Auch wenn er inzwischen zu den Rechtsintellektuellen zählt. Per AfD und Pegida kommen seine Thesen auch in der bürgerlichen Mitte an. Sloterdijk kommt. Und das Münchner Literaturhaus heute Abend ist ausverkauft. [mehr]

Sie galt vor allem als Opportunistin, also sie war niemand, die mit einer fremdenfeindlichen oder neurechten Agenda gestartet ist. Sie hat sich aber zunehmend verbogen, vermutlich um ihre eigene Macht zu sichern. Beispielsweise hat sie noch im Dezember 2015 Björn Höcke dafür kritisiert, dass er dem Front National zum Erfolg in der ersten Runde der Regionalwahlen in Frankreich gratuliert hatte. Seit Mai propagiert sie nun selber, man solle mit dem FN auf europäischer Ebene zusammenarbeiten. Da hat sie ihre eigene Position sehr weit nach rechts verschoben. Offensichtlich versucht sie jetzt diese neurechts-radikalen Kreise für sich zu gewinnen.

Dafür spricht auch, dass sie Markus Frohnmaier als einen ihrer beiden Pressesprecher implementiert hat. Markus Frohnmaier hat auf einer Demo von Björn Höcke im letzten Winter gesprochen und da diesen berüchtigten Satz gesagt, den man jetzt auch nochmal ausgraben muss im Zusammenhang mit den völkischen Äußerungen: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht - denn wir sind das Volk, liebe Freunde.“ Er hat das vor wenigen Wochen auf einem Parteitag der Jungen Alternative nochmals wiederholt.

Macht die AfD Unsagbares wieder sagbar, und vor allem, macht sie Unsagbares wieder sagbar und zu Politik?

Das macht sie ja schon seit langem. Sie hat seit ihrer Gründung eine anti-pluralistische Haltung gezeigt, indem sie ihre Konkurrenz als „Alt-Parteien“ verunglimpft hat. Mittlerweile sind Begriffe wie "Kartellparteien“, „Konsensparteien“ oder auch - und das ist Björn Höckes Wort - „entartete Parteien“ hinzugetreten.

Und „entartet“ ist ein 1a-Nazi-Begriff, der im Dritten Reich auf Kunst angewendet wurde: „entartete Kunst“.

Bernd Lucke hat diesen Begriff auch mal verwendet und sich dann fürchterlich aufgeregt und gemeint, es würde falsch interpretiert etc. – das Übliche eben. Aber es ist ein gezielter Tabubruch und desgleichen wird natürlich auch Stimmung gemacht gegen die etablierten Medien, die diffamiert werden als „Lügenpresse“ oder als „Pinocchio-Presse“. Diesen Sound hat die AfD schon sehr lange. Björn Höcke hat ihn gesteigert, hin zu dem, was ich auch „Dikatur-Sprech“ nenne, indem er von „Kanzler-Diktatorin“ redet oder zum Beispiel Demonstranten als „Lumpenpack“ beschimpft. Alexander Gauland spricht von „raumfremden Menschen“. Was man immer mehr sieht ist der Topos „das Eigene“ oder „Wir“ gegen „Das Fremde“. Das alles ist ethnisch konnotiert.

Auf wen und welche Bereiche färbt denn so eine Sprache ab?

Man sieht zunehmend, dass sich die Sprache der AfD und dieses AfD-affinen Milieus auch in den etablierten Parteien wiederfindet. Ganz besonders bei der CSU. Da bedient namentlich Horst Seehofer schon seit einiger Zeit diese Sprachbilder. Er hat zum Beispiel von der „Herrschaft des Unrechts“ gesprochen und wurde dafür – Gott sei Dank – getadelt und zwar von einem konservativen Journalisten, von Jan Fleischhauer, der im Leitartikel des Spiegels schrieb, das sei „Die Sprache des Notstands“ und es sei gefährlich, wenn die radikale Sprache so in die Mitte wandere. Söder betont den Begriff des deutschen Volkes. Also, da wird ganz gezielt versucht in dem AfD-Milieu nach Stimmen zu fischen. Die größte Angst der CSU ist offenbar die absolute Mehrheit zu verlieren. Diesem Ziel wird anscheinend alles untergeordnet.

Darüber hinaus hat sich dieser Jargon auch in Teilen der bürgerlichen Presse eingeschlichen. Der Cicero ist das prominenteste Beispiel. Da durfte Peter Sloterdijk im Februar in einem Interview vom „Lügenäther“ sprechen. Und Christoph Schwennicke, der Chef des Cicero, und sein Kulturressort-Leiter Alexander Kissler haben nicht widersprochen. Kissler selber hat affirmativ ein Zitat wiedergegeben, in dem von der „Umstrukturierung der Bevölkerung Deutschlands“ die Rede war. Das ist ein vornehmerer Begriff für „großer Austausch“ oder „Umvolkung“. Vor Wochen ist auch im Cicero-Printheft ein Text erschienen, da war allen Ernstes vom „Kriegs- und Auschwitzkomplex der Deutschen“ die Rede. Das ist ein Vokabular, das man bisher nur aus der radikal rechten Szene kannte. Da firmiert das alles unter „Kriegs- und Auschwitz Schuld-Kult“. Das hätte vor zwei bis drei Jahren niemand für möglich gehalten, dass in einem Blatt, das sich als seriös versteht, solche Begriffe auftauchen.

Viele fordern, man müsse rhetorisch abrüsten. Wie kann man das erreichen?

Das ist dringend notwendig, weil es sich wechselseitig immer weiter hochschaukelt. Man muss sich allerdings eben auch als Kritiker dieser Verrohung der Sprache an den eigenen Maßstäben messen lassen. Ganz konkret benutze ich so Begriffe wie „Pack“ nicht für AfD-Wähler. Ich sage auch nicht: Sie sind dumm. Ich finde, man muss trennen zwischen Haltung und Person. Und es ist falsch ständig zu behaupten „Das sind alles Nazis“. Das macht einen bei dieser Szene glaubwürdiger, wenn man nicht nur auf sie eindrischt. Aber ehrlich gesagt: Dass man wieder eine Mäßigung hinbekommt in den Teilen der Bevölkerung, die diese Sprache adaptiert haben, das wird schwierig.

Das Interview in voller Länge gibt es im Stream und als Download


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