Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Max Grundig Tüftler, Konsul, Wirtschaftsboss

Seit diesem Frühjahr steht fest: Das letzte Kapitel der Grundig-Geschichte in Franken geht zu Ende. Wir schauen aus diesem Anlass auf den Anfang zurück: Auf das Leben des Firmengründers Max Grundig, dessen Karriere 1930 begann.

Von: Thomas Senne

Stand: 02.08.2016 | Archiv

Max Grundig (undatierte Aufnahme) | Bild: picture-alliance/dpa

Grundig – der Name steht für das Wirtschaftswunder in Franken. Schon 2003 musste die Firma allerdings Insolvenz anmelden. Der Konzern wurde zerschlagen. Der Markenname lebte jedoch weiter und ging an die türkischen Firma Arçelik. 72 Mitarbeiter arbeiteten zuletzt für Grundig in Nürnberg. Doch nach dem Willen der Muttergesellschaft soll die Grundig Intermedia GmbH nach Neu-Isenburg bei Frankfurt umziehen. Die Grundig-Geschichte in Franken ist damit am Ende angelangt. Doch wie hat sie angefangen?

"Ich war von Old Shatterhand  und Winnetou begeistert. Einer meiner ersten Wünsche war ein flottes Motorrad und eine fesche Braut. Ich war wie alle. Nur vielleicht, dass ich vor allen anderen Radio hören wollte. Und als ich dann die Chance hatte, Radios zu machen – Herrgott, da habe ich zugegriffen. Allerdings richtig. Nämlich professionell. Das heißt mit verdammt viel Arbeit."

Max Grundig im Jahr 1988

Mehr als drei Milliarden Mark Umsatz

Noch ein gutes Jahr hat Max Grundig zu leben, als er 1988 diese Worte spricht: ein Blick zurück ohne Zorn auf den mühseligen Aufbau seines Imperiums der Unterhaltungselektronik. Sein persönliches Reich, das allerdings damals schon heftigen Erschütterungen ausgesetzt war.

In der Blütezeit zählt der weltweit agierende Grundig-Konzern mehr als 40.000 Beschäftigte und erzielt mit dem Verkauf von Radios, Tonbändern, Fernsehern, Plattenspielern und Diktiergeräten einen Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Mark.

"Wenn ich gefragt würde und werde, was ist das Lebenswerk von Max Grundig, was auch heute noch beeindrucken könnte. Dann sage ich: Diese Marke Grundig, die ist das Lebenswerk von Max Grundig. Die hat er mit seiner Energie und seinem Charisma geschaffen und über seinen Tod hinaus ist sie noch lebendig."

Karl-Heinz Kleinschnittger, ehemaliges Vorstandsmitglied und langjähriger Chefjustitiar bei Grundig

Grundigs bewegte Geschichte

Begonnen hatte alles in Nürnberg, im Stadtteil Gostenhof, in der Denisstr. 3: ein Bürgerhaus mit kleinen Erkern, engem Treppenhaus und winzigem Hinterhof. Ein Gebäude, das auch heute noch steht – nun mit Graffities verziert. Im ersten Stock erblickte hier am 7. Mai 1908 Max Grundig das Licht der Welt.

Eine Kindheit in Armut

Der Vater war Fabrikarbeiter. Der spätere Millionär stammt also aus ärmlichen Verhältnissen, die sich noch verschlechtern, als der Vater Emil Grundig nach einer Blinddarmoperation 1920 stirbt. Seine Frau Marie muss ihren zwölfjährigen Sohn, dessen drei leibliche Schwestern und seine Halbschwester über die Runden bringen – mit einer Rente von 11 Mark und 5 Pfennigen. Klar, dass Max schnell einen Beruf ergreift, um etwas zum Lebensunterhalt beizutragen.

"Wo kommt irgendetwas zu essen her"

1922 findet er einen Ausbildungsplatz in der Nürnberger Innenstadt. Das bedeutet für den 14jährigen, jeden Morgen von der Muggenhofer Straße, wo die Familie mittlerweile wohnt, zur Installationsfirma Hilpert zu laufen. Barfuß, um die Schuhe zu schonen. Eine knapp fünf Kilometer lange Strecke, die der Junge an manchen Tagen mehrmals zurücklegt, da er in der Mittagspause für seine Geschwister das Essen aufwärmen muss. Seine Mutter, eine Stanzerin bei den Triumphwerken, ist wegen eines Magenleidens oft bettlägrig. 

"Unser Streben und Denken war, wo kommt irgendetwas zu essen her. Ich musste meine Schulausbildung im Gymnasium abbrechen und versuchen Geld zu verdienen. Das ist mir irgendwie auch gelungen und hab durch glückliche Umstände so viel verdient, dass ich nicht nur meine Mutter, sondern auch Schwestern miternähren konnte."

Max Grundig

Hunger und Armut als Triebkräfte für das Streben nach Wohlstand und Erfolg. Zunächst aber verdient der Lehrling nur 30 Mark im Monat, kauft sich von ein paar Groschen Antennendraht und Röhren – zum Basteln und Experimentieren mit einem Detektorradio und Bildfunkempfänger.

Grundig macht sich selbstständig

Als Juniorkaufmann leitet Max Grundig ab 1928 dann eine Filiale eines Installations- und Elektrogeschäfts. Bald verkauft der "Max" dort auch Radiodetektoren, und er verliebt sich, heiratet und wird Vater. Die  Ehe geht zwar schnell in die Brüche, doch den Kontakt zu seiner Tochter Inge erhält er aufrecht. Dem 22-Jährigen steht der Sinn nach Höherem und als es mit seinem Chef in der Installationsfirma zu einem Zerwürfnis kommt,  kratzt er seine Ersparnisse zusammen und eröffnet am 15. November 1930 sein erstes Radiogeschäft in Fürth. Seine Schwestern helfen ihm im neuen Laden, dem Radio-Vertrieb Fürth. Ende 1930 ist in einer Anzeige der "Nordbayerischen Zeitung" zu lesen:

"Rundfunk-Geräte, Lautsprecher und Schallplatten. Lumophon, ‚Die Weltmarke’, kaufen Sie am besten und zu billigsten Preisen bei der Firma Radio-Vertrieb Fürth, Sternstrasse 4. Besichtigen Sie unsere reichhaltige Ausstellung!"

Annonce in der Nordbayerischen Zeitung im Jahr 1930

Die Wehrmacht als Großkunde

Am Anfang stand also der Verkauf von Rundfunkgeräten. Schnell jedoch tüftelte Max Grundig Reparaturen und Verbesserungen aus. Dann kommt der Zweite Weltkrieg – und ein neuer Großkunde: die Wehrmacht. Sie lässt ihre defekten Radiogeräte gerne bei Grundig reparieren. Von den Aufträgen für Hitlers Armee profitiert Grundig. Allem Anschein nach war er aber nicht sehr politisch, sagen ehemalige Weggefährten.

Der legendäre Radiobausatz "Heinzelmann"

"Heinzelmann" von Grundig

1947 wird dann der Grundstein für ein Fabrik- und Verwaltungsgebäude in Fürth gelegt. Es wird zum Hauptfertigungsstandort. Und kurze Zeit später hat Grundig mit seinem legendären Radiobausatz "Heinzelmann" einen riesigen Erfolg. In 25 Jahren bringt es Max Grundig dann vom Ladeninhaber zum Vorsitzenden eines marktführenden Weltkonzerns. 1956 ist Grundig der größte Tonband- und Musikschrankhersteller der Welt. Je bekannter er ist, je mehr Gazetten über ihn berichten, desto mehr Menschen drängen sich in seine Nähe, angezogen von seinem Erfolg und – natürlich – seinem Geld. Immerhin kann der Tycoon der Unterhaltungsindustrie in der Blütezeit des Konzerns jährlich geschätzte rund 30 Millionen Mark auf sein Privatkonto überweisen. Politiker geben sich bei ihm die Klinke in die Hand.

Höhepunkt und Wendepunkt

Die Firma, wächst und wächst und mit ihr die Zahl der Mitarbeiter und Produkte. Niederlassungen in New York, Wien, Portugal, Italien, Irland und der Schweiz entstehen. Die Hälfte seines Umsatzes macht Grundig inzwischen im Ausland. Dann gerät die Firma allerdings in Schieflage. Die 1980er-Jahre sind der Wendepunkt in der Grundig-Erfolgsgeschichte. Grundig investiert erfolglos in die Entwicklung von Video-Systemen und bekommt übermächtige Konkurrenz aus Fernost. Die Verluste steigen. Grundig fusioniert mit dem niederländischen Elektrokonzern Philips. Doch das Unternehmen kann sich nie mehr ganz erholen. Max Grundig zieht sich 1984 aus dem Tagesgeschäft zurück – und stirbt am 8. Dezember 1989.

Was ist von Grundig geblieben?  

2003 muss die zwischenzeitlich von Philips übernommene Grundig AG trotz neuer Werbekampagnen Insolvenz anmelden. Da sich keine Investoren finden, wird der Konzern zerschlagen. Was aber ist heute noch von Grundig geblieben?

"Der Name Grundig lebt an vielen Stellen fort. Das ist natürlich ganz markant die von ihm finanzierte Grundig-Anlage im Herzen der Stadt, das eigentliche Stadtzentrum mit einem wunderschön gestalteten Brunnen. Er lebt aber auch fort in einer Sporthalle, die nach ihm benannt ist. Es gibt eine Schule, die wir nach ihm benannt haben. Das war unser Geschenk zum 100. Geburtstag."

Thomas Jung (SPD), Oberbürgermeister von Fürth

Altes Grundig-Logo

Auch der Stammsitz der Firma Grundig in der Kurgartenstraße hat bis heute überlebt. Dort ist nun das Rundfunkmuseum Fürth untergebracht. Und Thomas Jung (SPD), der Oberbürgermeister von Fürth, dessen Stadtwappen – das Kleeblatt – lange Zeit auf vielen Grundig-Geräten als Logo prangte, erinnert sich gerne an den Unternehmer. Dem Stadtsäckel soll der im Laufe seines Lebens rund 15 Milliarden Mark Einkommenssteuer gezahlt haben.

"Er war ein Wohltäter, gerade in seinen älteren Jahren war er sehr großzügig. Uwe Lichtenberg, mein Amtsamtsvorgänger, hat mir berichtet, er war immer einmal im Jahr bei ihm zu Besuch in Baden-Baden und hat jedes Mal eine Million bekommen. Allerdings ist er dann leider verstorben. Wir hätten ihm auch im eigenen Interesse noch ein langes Leben gewünscht."

Thomas Jung (SPD), Oberbürgermeister von Fürth

Ein Feature von Thomas Senne

In seinem Zeit für Bayern-Feature lässt Thomas Senne Angehörige und enge Mitarbeiter zu Wort kommen. Originale Werbespots und Musiken zeichnen ein lebhaftes Bild der Blütezeit der Firma Grundig.


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