Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen Alles hat seine Zeit

Am Ende dieses Monats hängen wir den 29. Februar als Schalttag an. Grund genug, uns in monatlichen Magazin Bayern genießen Gedanken um unsere Zeit zu machen. Denn: Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit“ heißt es im Buch Kohelet im Alten Testament.

Von: Gerald Huber

Stand: 05.02.2012 | Archiv

Eine Uhr mit bayerischen Wappen | Bild: picture-alliance/dpa

Die Themen von Bayern genießen im Februar

  • Oberbayern: Mit der Zeit – Zeitgefühl und Zeitempfinden im Wandel (Andreas Estner)
  • Mainfranken: Zeitzeiger – Die Sonnenuhrenstadt Röttingen (Jochen Wobser)
  • Ober- und Mittelfranken: Uhrzeit – Der Nürnberger Uhrensammler Karl Gebhardt (Ilona Hörath)
  • Niederbayern/Oberpfalz: Seinerzeit – Geboren am 29. Februar (Thomas Muggenthaler)
  • Schwaben: Zeitgenuss – Slow Food im Allgäu (Marianne Bitsch)
  • München: Zeit im Fluss – Das Hochgefühl des "Flow" (Kristina Thiele)

Redaktion und Regie: Gerald Huber

Oberbayern

Mit der Zeit – Zeitgefühl und Zeitempfinden im Wandel

Mit der Zeit – Das war der Wahlspruch des großen Wittelsbacher Renaissancefürsten Ottheinrich in seiner Residenzstadt Neuburg an der Donau. Ein doppeldeutiges Wort, das sich für ihn doppeldeutig erfüllt hat. Er ist mit der Zeit gegangen, er war modern und mit der Zeit ist auch alles so gekommen, wie er sich das vorgestellt hat. Mit der Zeit zu gehen – das setzt voraus, dass man jederzeit auf Höhe der Zeit ist. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist das Messen der Zeit. Schon in der Antike hat man dafür Sand- oder Wasseruhren verwendet. Im Hochmittelalter hat man dafür, wahrscheinlich war es bei uns im Alpenraum, die Uhr mit Hemmung entwickelt, die, wenn man so will, erste moderne Maschine.

Immer noch unübertroffen: die Martinskirche in Landshut

Und am Ende des 15. Jahrhundert hat ein bayerischer Uhrmacher auf im gerade fertiggestellten höchsten Backsteinturm der Welt, dem Landshuter Martinsturm, die erste Turmuhr mit Viertelstundenschlag eingebaut. Seitdem und bis ins 20. Jahrhundert war für die meisten Menschen die Viertelstunde sowas wie die kleinste Zeiteinheit.

Andreas Estners Tipps zum "Zeit genießen" in Oberbayern:

Wenn Sie gern eine Zeitreise unternehmen möchten zu Dingen von früher, dann können sie in dieser Gegend den Hofladen am "Hennererhof" in Schliersee besuchen. Die junge Bauernfamilie betreibt einen Cramerladen mit vielen Dingen, die sich seit Jahrhunderten bewähren und nebenbei ein Bauernhofcafe.
Wenn Sie den Begriff Zeit am eigenen Leib ausprobieren möchten, dann empfiehlt sich in dieser Gegend ein Abstecher in das legendäre Café Winklstüberl in Fischbachau. Sie brauchen viel Zeit, um eines der Riesen-Kuchenstücke zu essen. Die Küchenstücke sind etwa so groß wie ein Mittagessen, weshalb sie auch viel Zeit brauchen, bis Sie neben den vielen Kuchenhungrigen einen Parkplatz finden, und weshalb Sie noch einmal so viel Zeit brauchen, bis Sie in einer der großen  Bauernstuben an einem Kaffeetisch Platz nehmen können. Wenn Sie dann dort sitzen können Sie die grösste Kaffeemühlensammlung Deutschlands bewundern und ihre Gedanken auf Zeitreise schicken.

Mainfranken

Zeitzeiger – Die Sonnenuhrenstadt Röttingen

Immer schon ein prägendes Verhältnis: die Deutsche Bahn und die Zeit

Haben sie gewusst, dass die Abkürzung "MEZ" ursprünglich nicht  "Mitteleuropäische Zeit", sondern "Mitteleuropäische Eisenbahn-Zeit" geheißen hat. Die Eisenbahnzeit wurde in Bayern 1892, in ganz Deutschland erst 1893 eingeführt, damit man für die Fahrpläne nicht ständig umständlich einzelne Ortszeiten umrechnen musste. Dass wir nach einer gemeinsamen Zeit leben, hat also noch gar keine lange Tradition.

Bis zur Erfindung der Eisenbahn kannte man im Prinzip nur die sogenannte "Ortszeit", die vom Sonnenstand am jeweiligen Ort abhängig war, also von Längengrad zu Längengrad um vier Minuten abweicht. Das heißt, wenn die Funkuhr nach Mitteleuropäischer Zeit genau Mittag zeigt, dann ist es in München erst 11 Uhr 46 und 26 Sekunden Ortszeit. Das aber ist nur die mittlere Ortszeit. Die wahre Ortszeit hängt außerdem noch von den verschiedenen Jahreszeiten ab, ist also an jedem Tag ein bisserl anders. Ganz schön kompliziert das zu berechnen – und doch haben es schon die Astronomen der Steinzeit zu einer gewissen Fertigkeit gebracht und die Sonnenuhr entwickelt, das älteste Zeitmessinstrument überhaupt.

Die 'Gnomonik' - also die Lehre von den Sonnenuhren fasziniert die Menschen bis heute. Die weltweit meisten Sonnenuhren auf einem Fleck konzentrieren sich übrigens in Unterfranken: Das 1.700-Einwohner-Städtchen Röttingen im Ochsenfurter Gau ist die "Stadt der Sonnenuhren".

Ober- und Mittelfranken

Uhrzeit – Der Nürnberger Uhrensammler Karl Gebhardt

Seit Albert Einstein wissen wir, dass die Zeit eine Dimension ist, die sich zusammen mit den drei Dimensionen des Raumes zur vierdimensionalen Raumzeit verbindet. Eine Raumzeit, die ihren Anfang nimmt mit dem Urknall, bei dem aus reiner Energie erst Raum und Zeit entstehen. Obwohl Einsteins Relativitätstheorie schon rund hundert Jahre alt ist, können nach wie vor die wenigsten von uns wirklich was damit anfangen. Wir sind eben Zwerge, die sich schwertun, über den Tellerrand unserer unmittelbaren Erfahrungen hinauszuschauen. Da war der mittelalterliche Mensch noch ganz anders. Das Übernatürliche, also das überphysikalische, war ihm vollkommen selbstverständlich – im wörtlichen Sinn: Gott versteht sich selbst, auch wenn der Mensch ihn nicht versteht.

Erst mit dem Beginn der Neuzeit beginnt die systematische Erforschung dessen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Selbstverständlichkeit allein genügt nicht mehr. Jetzt will der Mensch verstehen. Weswegen er zu messen beginnt. Der Ingolstädter Mathematiker Philipp Apian fertigt 1563 als erster Mensch eine große Landkarte, die auf genauen Messungen beruht. Seine sogenannten „Bayerischen Landtafeln“ werden erst im 19. Jahrhundert an Genauigkeit übertroffen. Und auch bei der Messung der vierten Dimension, der Zeit, tut sich ein Bayer besonders hervor: Der Nürnberger Uhrmacher Peter Henlein entwickelt zu Anfang des 16. Jahrhunderts die erste am Körper zu tragende Uhr der Welt. Im Nürnberger Uhrenmuseum kann man bei einer Reise durch über 500 Jahre Uhrengeschichte erleben, wie sich der Mensch in ein immer engeres zeitliches Korsett gezwängt hat.

Niederbayern/Oberpfalz

Seinerzeit – Geboren am 29. Februar

Unsere deutschen Wörter "Jahr" und "Uhr" sind verwandt mit dem griechisch-lateinischen Wort "hora", die Zeit, die Stunde. in allen diesen Wörtern steckt die uralte Wurzel "hor" drinnen, die einmal soviel bedeutet hat, wie "laufen", "gehen". Wir sprechen ja heute noch Jahreslauf, vom Lauf der Zeit. Und auch in der deutschen Monatsbezeichnung für Februar "Hornung", steckt diese Wurzel "hor" drin. Der Hornung ist der Monat, in dem das Jahr geht. In alten Zeiten nämlich war der Februar der letzte Monat des Jahres und am ersten März begann ein neues. Weswegen übrigens in den Monatsbezeichnungen von September bis Dezember noch die römischen Zahlwörter septem, sieben, octo, acht, novem, neun und decem, zehn drinstecken. Der September beispielsweis war damals halt der siebte und nicht wie heute der neunte Monat.

Ja, und deswegen also heißt der Februar Hornung – weil er der 28. Februar früher der letzte Tag des Jahres war, an den man alle vier Jahre als allerletzten Tag einen 29. Februar angehängt hat. Und obwohl bereits die Römer im Jahr 153 vor Christus den Jahresanfang auf den ersten Januar umgestellt haben, ist der 29. Februar bis heute der Schalttag geblieben. So hartnäckig halten sich uralte Traditionen. Und seitdem leiden all jene, die am 29. Februar geboren werden – oder tun sie es nicht? Genießen sies vielleicht sogar? Es ist halt wie überall eine Frage der Philosophie …

Das Geschenk leben zu dürfen, Lebenszeit, Zeit überhaupt zu haben und das Leben genießen zu können, weil man die Zeit genießt. Vielleicht man sichs erst so recht bewusst, wenn man wie Joseph Berlinger 60 Jahre alt werden muss, um seinen 15. Geburtstag zu feiern. Interessierts Sie, wer noch mit Joseph Berlinger Geburtstag feiert und was sonst alles an einem 29. Februar passiert ist?

Schwaben

Zeitgenuss – Slow Food im Allgäu

Immer langsam!

Die Zeit können wir erst wirklich genießen wir sie uns nehmen. Nicht umsonst ist "sich Zeit nehmen" ein Synonym für "langsam tun" – grade in schnelllebigen Zeiten, in denen alles schnell gehen muss, sogar das Essen. Als 1986 mitten in Rom an der Spanischen Treppe ein amerikanisches Burger-Restaurant entstand, da waren viele Italiener empört. Sie wussten, dass Genuss, gerade kulinarischer Genuss, Zeit braucht.

So entstand als Gegenbewegung zu Fast Food die Slow-Food Bewegung mit der Weinbergschnecke als Symbol. Bei Slow Food gehts nicht um exklusive Sterneküche, sondern um das Wiederentdecken und Bewahren von regionalen Besonderheiten.

Wer wissen will, wo es einen extra guten Bäcker gibt oder welche Wirtschaft zu empfehlen ist, weil der Koch regionale Lebensmittel zu feinen Gerichten verarbeitet, der ist bei Slowfood an der richtigen Adresse. Insgesamt 100.000 Menschen in 150 Ländern gehören der Bewegung bereits an. Auch in Bayern gibt es bereits zahlreiche "Convivien", wie die Gruppen, angelehnt an das lateinische Wort für "Tafelrunde" heißen. Das Allgäuer Convivium beispielsweise kümmert sich natürlich um einen ganz speziellen Allgäuer Käse.

München

Zeit im Fluss – Das Hochgefühl des "Flow"

Nicht nur beim Essen, auch bei der Arbeit und jeder anderen Beschäftigung, kann man erleben, dass langsam und gut besser ist als schnell und oberflächlich – manchmal sogar schneller. Aber das nur nebenbei. Für die allermeisten Tätigkeiten gibt es eine ganz bestimmte Geschwindigkeit, wo die Arbeit ganz besonders von der Hand geht, wo die Zeit stillzustehen scheint und gleichzeitig wie im Flug vergeht, wo sie also tatsächlich keine Rolle spielt.

Musik hören oder machen ist also ein besonders probates Mittel, um einmal richtig die Zeit zu vergessen. Schließlich ist Musik nichts anderes als die zu einem akustischen Kunstwerk gestaltete Zeit selbst. Ganz besonders Berufsmusiker erleben das Vergessen der Zeit im Erleben der Musik.


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