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Vom humanistischen Gelehrten zum Reformator

Johannes Calvin Vom humanistischen Gelehrten zum Reformator

Stand: 08.08.2017

Franz I., König von Frankreich (1494-1547) | Bild: picture-alliance/dpa

Der Kirchenerneuerer und Reformator ist ihm nicht in die Wiege gelegt. Als Jean Cauvin, der sich später Calvin nennt, am 10. Juli 1509 im nordfranzösischen Noyon geboren wird, ist eine katholische Karriere wesentlich wahrscheinlicher. Sein Vater ist Sekretär des Bischofs und Anwalt bei der bischöflichen Gerichtsbehörde; die Lateinschule besucht er mithilfe einer Pfründe des Domkapitels; als er 1523 das Grundstudium in Paris aufnimmt, ist er ein strikter Reformationsgegner. Auch die Gottesgelehrtheit ist zunächst nicht seine Sache. Er bricht ein begonnenes Theologiestudium ab, wechselt zur Juristerei, lernt nebenher Griechisch, vertieft sich immer mehr in die Gedankenwelt des Humanismus und geht schließlich völlig im Studium der alten Sprachen auf. Berichten seiner Mitstudenten zufolge erweckt er aufgrund seiner Begabung und seines außergewöhnlichen Fleißes größte Hoffnungen bei seinen Lehrern.

Vom Lichtstrahl der Erkenntnis getroffen

Obwohl Calvin als Student durchaus Kontakte mit evangelischen und reformierten Kreisen pflegt, finden sich bis Anfang der 1530-er Jahre keine Belege dafür, dass er sich für die neuen Lehren interessiert oder gar mit ihnen sympathisiert hätte. Dass er sich ab 1532 dann so entschieden der Reformation zuwendet, erscheint als überraschende Kehrtwende. Auch Calvin nennt den vermutlich über längere Zeit vorbereiteten Schritt eine "subita conversio", eine "unvermittelte Verwandlung". Er habe "wie von einem plötzlichen Lichtstrahl getroffen", "den Abgrund seiner Irrtümer erkannt" und sich "auf den Weg Gottes" begeben, schreibt er rückblickend 1539.

Erster Skandal und Flucht aus Paris

Die Folgen der religiösen Neuorientierung bekommt Calvin rasch zu spüren. Er ist Mitautor einer Predigt, die sein Freund Nicolas Cop am 1. November 1533 als Rektor der Sorbonne zur Semestereröffnung hält. Die Rede verteidigt eine an Luther orientierte, evangelische Glaubensauffassung und wendet sich offen gegen die Verfolgung der Protestanten durch den französischen König Franz I. Der Skandal ist nicht aufzuhalten: Die Mehrheit der katholischen Professoren versteht die Predigt als reformatorisches Manifest und läuft Sturm gegen ihre Verfasser. Die aufgeheizte Stimmung sowie der Befehl des Königs, die "häretischen" Autoren zur Rechenschaft zu ziehen, zwingen Cop und Calvin zur Flucht aus Paris.

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Johannes Calvin (1509-1564) | Bild: picture-alliance/dpa / Mary Evans Picture Library zum Thema Johannes Calvin Der Genfer Reformator

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