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False Memory - das Problem mit dem Erinnern

Die eigene Vergangenheit False Memory - das Problem mit dem Erinnern

Stand: 30.11.2016

Schwester und Bruder zeigen Bild auf einem Tablet | Bild: picture-alliance/dpa

Das Gedächtnis des Menschen hält viele eigene Erfahrungen abrufbereit, liefert aber auch "echte" Erinnerungen, die beispielsweise aus Gesprächen, Büchern, Film oder Fernsehen stammen. Selbst wenn sich beste Freunde über gemeinsam Erlebtes austauschen, heißt es plötzlich: "Das war doch ganz anders".

Mit verschiedenen Tests bewies die Psychologin Elizabeth Loftus, wie unzuverlässig das Gedächtnis arbeitet. Sie ließ einem Jugendlichen mehrmals vom großen Bruder erzählen, er sei als kleiner Bub der Mutter beim Einkaufen abhanden gekommen, ein alter Mann habe ihn mitgenommen, die Mutter habe ihn erst nach langem Suchen wiedergefunden. Schnell war die erfundene Geschichte verinnerlicht und der Junge konnte seine "Erinnerung" schließlich detailreich präsentieren. Als er die Wahrheit erfuhr, fiel er aus allen Wolken.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam Loftus, wenn sie Testpersonen manipulierte Fotos unterschob, auf denen zu sehen war, wie sie als kleine Kinder an einer Ballonfahrt teilnahmen. In Wirklichkeit hatte diese Fahrt nie stattgefunden. Trotzdem erinnerten sich die Probanden an das Abenteuer.

Die Erinnerung wird passend gemacht

Wenn Kriegs- oder Verbrechensopfer von traumatischen Ereignissen berichten, zeigen sich bei Überprüfungen oft beträchtliche Abweichungen von der Realität. Auch Zeugen von Gewalttaten fallen nicht selten durch Erinnerungsfehler auf, manches Fehlurteil wurde erst Jahre später durch DNA-Analysen korrigiert. Einige Juristen fordern deshalb die Abschaffung des Zeugenbeweises und Historiker warnen davor, Zeitzeugenberichten zu sehr zu vertrauen.

Bei Plagiatsstreitigkeiten stellt sich immer wieder heraus, dass das Gedächtnis Musikern einen Streich spielt. Für Aufsehen sorgte Anfang der 1970er Jahre der Fall George Harrison. Der Ex-Beatle landete mit "My Sweet Lord" einen Riesenhit, dann stellte sich heraus, dass er die Melodie des älteren Liedes "He's So Fine" verwendete. Psychologen sind davon überzeugt, dass Harrison, der tagtäglich mit Musik zu tun hatte, die Melodie irgendwann unbewusst hörte und im Gedächtnis speicherte. Beim Komponieren erinnerte er sich daran und die Blamage nahm ihren Lauf.

Beim Umgang mit Erinnerung ist Vorsicht geboten

Wer Biografiearbeit betreibt, also aus Fehlern lernen oder Vergangenes aufarbeiten will, muss wissen, dass Erinnerungen zuweilen nur Teile der Realität abbilden. Es kann hilfreich sein, Erinnerungsgemeinschaften mit anderen Personen zu bilden oder unterstützt durch Therapeuten entscheidende Erfahrungen herauszufiltern. Dabei können auch Videos, Fotos, Poesiealben oder alte Zeugnisse genutzt werden.

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