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Wie Zucker entsteht Vielfalt in Form und Geschmack

Stand: 06.04.2017 | Archiv

Zuckerrüben-Saatgutpillen | Bild: picture-alliance/dpa

Von der Rübe zum Zucker

Zuckerrübenernte

Auf Deutschlands Äckern wachsen im Jahr rund 3,5 Millionen Zuckerrüben. Sie ergeben etwa 400.000 kg Zucker. Doch bis aus der Rübe Zucker entsteht, sind mehrere Schritte erforderlich:

1. Saat und Ernte
Das Saatgut der Zuckerrübe ist ein High-Tech-Produkt: Natürlicherweise wären eigentlich fünf Samen eng in eine Hülle gepresst. Doch die daraus wachsenden Rübenbündel ermöglichen der einzelnen Rübe kein gutes Wachstum. Daher werden die Samenkörner getrennt und zudem in bunte Hüllen verpackt. Ummantelt von diesem chemischen Pflanzenschutz werden sie ausgesät. Trotzdem muss der Landwirt auch während des Wachsens immer wieder zur Giftspritze greifen, um Unkraut zu vernichten. Daher ist Bio-Rübenzucker, bei dessen Herstellung keine Chemie eingesetzt werden darf, erheblich teurer - der Anbau erfordert wesentlich mehr Arbeit.
Zur Blüte und damit zur Samenbildung dürfen Zuckerrüben heute nur noch in speziellen Saatgutvermehrungsbetrieben kommen. Auf den Feldern soll die ganze Energie einer Pflanze als Saccharose, also als Zucker, in der Knolle gespeichert werden.
Im September werden die Rüben geerntet und zunächst am Feldrand in großen Haufen, sogenannten Mieten gelagert. Denn die Abfuhr der Rüben in die Fabrik verläuft nach einem genau ausgearbeiteten Zeitplan. Beim Verladen wird die Ernte dann gleich noch gewaschen. Dieser Rübenreinigungslader wird auch Maus genannt, weil er sich wie eine Maus durch den Rübenhaufen frisst.

2. Saftgewinnung
In der Fabrik werden die Rüben gewaschen und in kleine Schnitzel zerlegt. Heißes Wasser löst den Zuckeranteil aus den Schnitzeln. Es entsteht der Rohsaft. Die Schnitzel-Abfälle werden zu Tierfutter-Pellets verarbeitet. Dem Zuckersaft werden nun Kalk und Kohlensäure zugefügt, um alle Nichtzuckerstoffe zu binden und herauszufiltern. Auch hier werden die Abfälle weiterverwendet - als Dünger.
Nun folgt die Eindickung des Zuckersafts, der anfangs einen Zuckeranteil von ca. 16 Prozent enthält. Durch Erhitzen und Verdampfen wird der Saft immer dicker, seine Farbe wechselt von hellem Gelb zu Braun, der Zuckergehalt steigt auf ca. 67 Prozent.

"Magma" Sirup mit Zuckerkristallen

3. Kristallisation und Raffinade
Durch weiteres Kochen entstehen von Sirup umhüllte Zuckerkristalle. Haben diese eine bestimmte Größe erreicht, wird die Masse abgekühlt, wodurch weitere Kristallisation eintritt. Irgendwann hat man dann keine Flüssigkeit mehr, sondern eine feuchte Masse. Sie wird geschleudert und mit Wasser gespült, um die Sirupreste zu entfernen. Diesen Reinigungsvorgang nennt man Raffination - daher spricht man bei weißem Kristallzucker auch von Raffinadezucker. Die Nichtzuckeranteile sind nun beseitigt, der Zuckergehalt hat einen Anteil von mindestens 99,7 Prozent.

Vom Rohr zum Zucker - Was ist anders als bei der Rübe?

Zuckerrohr wächst nur in tropischen Gebieten, nicht in den mittleren Breiten. Die größten Zuckerproduzenten sind Brasilien, Indien, China und Thailand. Im Gegensatz zur Rübe muss man das Zuckerrohr nicht jährlich neu pflanzen, sondern nur alle fünf bis acht Jahre. Dazwischen lässt sich dieselbe Pflanze immer wieder abernten - klar, sie wird ja auch nicht samt Wurzel aus der Erde gezogen.

Zuckerrohrernte in der Dominikanischen Republik

Die Ernte des Zuckerrohrs ist sehr mühsam. Die Pflanzen werden auch heute noch mit der Hand geschnitten. Außerdem muss der Schnitt schnell verarbeitet werden, weil schon nach einem Tag der Zuckergehalt sinkt. Vom Feld wegtransportiert, werden auch die Zuckerrohre zunächst geschreddert. Das war schon immer so, weil sich aus den kleinen Schnitzeln der Saft besser herauspressen lässt. Von diesem Zerkleinerungsvorgang hat Zucker übrigens seinen Namen: Das Wort "Zucker" stammt aus dem Sanskrit. "Sarkara" (indisch "sakhara") bedeutet "zerrissenes Stück". Im Gegensatz zur Rübe muss durch die Zuckerrohrschnitzel kein Wasser zum Herausschwemmen des Zuckers gespült werden - ein mehrfacher Quetschungsvorgang reicht.

Auch der Zuckerrohrsaft wird nun eingekocht, also verdickt und dann kristallisiert. Zum Raffinieren werden Kalk, Kohlendioxid oder Schwefel zugesetzt. Je nachdem, ob brauner oder weißer Zucker entstehen soll, wird er in der Zentrifuge geschleudert oder nicht. Es gibt aber auch unraffinierten Rohrzucker - er nennt sich Vollrohrzucker. Dieses Produkt hat einen leicht geringeren Anteil an Saccharose, dafür noch Mineralien und Vitamine, die sonst beim Reinigen verloren gehen.

Die Abfallprodukte bei der Zuckerherstellung aus Zuckerrohr können besser verwendet werden als bei der Zuckerrübe: Die Sirup-Flüssigkeit wird zu Rum gebrannt. Die ausgepressten Rohrschnitzel, die sogenannte Bagasse, enthalten noch sehr viel Energie. Durch Verbrennen kann diese in elektrischen Strom umgewandelt werden.

Braun, Weiß, Puder oder Kandis - Zucker als Verwandlungskünstler

Je nachdem, wie weit bei der Produktion die Kristallisierung voranschreitet, entstehen verschiedene Zuckersorten, die sich zwar im Geschmack nicht voneinander unterscheiden, dafür jedoch im weiteren Verarbeitungsprozess. Einmachzucker beispielsweise ist sehr grobkörnig, aber sehr gut gereinigt, weswegen er sich gut zum Einkochen von Obst eignet. Bei Hagel- oder Perlzucker und auch bei Puder- oder Staubzucker steht der Dekorierzweck im Vordergrund. Um Kandiszucker zu erhalten, muss der Zuckersirup besonders langsam auskristallisieren. Kandis wird besonders gern von Teetrinkern verwendet, weil er ein schönes, knisterndes Geräusch macht, wenn er sich auflöst. Wie viele andere Zuckersorten auch, gibt es Kandis in brauner oder weißer Farbe.
Diese Farbe - eher Braun oder eher Weiß - hängt davon ab, wie viel brauner Sirup beim Raffinieren an den Kristallkörnern bleibt. Umgekehrt gibt es aber auch den Fall, dass weißen, also raffinierten Zuckerkristallen brauner Zuckerrohrsirup untergemischt wird. Daher besteht zwischen manchen braunen Zuckerarten und dem weißen Zucker kein geschmacklicher Unterschied.  Anders schmeckt brauner Zucker erst dann, wenn er zum Beispiel mit Melasse vermischt ist, also dem Siruprest, der bei der Zuckerherstellung aus Zuckerrohr als Abfallprodukt entsteht - und der nicht mehr kristallisieren kann. Melasse enthält nur etwa 60 Prozent Zuckeranteil, dafür noch weitere Stoffe wie Säuren, Vitamine und Salze. Auch der sogenannte Vollrohrzucker unterscheidet sich vom Raffinadezucker. Er ist nicht kristallisiert, sondern besteht aus dem getrockneten Saft des Zuckerrohrs. Auch im Vollrohrzucker sind noch Mineralstoffe und Vitamine enthalten. Wenn er zentrifugiert wird, um die Melassereste zu entfernen, aber ohne ihn weiter zu raffinieren, nennt man das Ergebnis Rohrohrzucker.

Zuckerwürfel

Manchmal werden Zuckerprodukten auch andere Zuckerarten wie zum Beispiel Fruchtzucker (Fructose) oder Traubenzucker (Glucose) beigegeben - so dem Basterdzucker, der zum Backen verwendet wird, weil damit das Gebäck schön braun wird. Zucker gibt es auch als Flüssigkeit, also in Wasser gelöst. So kann man ihn leichter untermischen, ohne dass sich die Kristallkörnchen erst auflösen müssen - beispielsweise der Läuterzucker, der so zur Herstellung von Mixgetränken genutzt werden kann, weil er kalt löslich ist. Schließlich werden auch Zuckerkristalle in Form gepresst: Am bekanntesten sind sicher Zuckerwürfel. Raffinadezucker wird feucht in die gewünschte Form gepresst und anschließend wieder getrocknet. Auch die alten, kegelförmigen Zuckerhüte gibt es noch, allerdings hauptsächlich, weil man sie für die Feuerzangenbowle braucht.


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