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Die Schlange Dualität, Ambivalenz und Doppelgesichtigkeit

Stand: 06.09.2012 | Archiv

Albino-Königspython | Bild: picture-alliance/dpa

Ein wesentliches Kennzeichen mythischer Götter und Gottheiten ist ihre Doppelnatur: Sie spenden Leben und Fruchtbarkeit, gewähren Schutz und Hilfe. Doch sie strafen auch, zürnen, vernichten, verbreiten Tod und Zerstörung. Die Gottheit Sonne wärmt und sorgt für reiche Ernten, sie kann aber ebenso das Korn versengen, Trockenheit hervor rufen und durch Hitze töten. So steht es um die Natur, die Elementargewalten und die Schöpfung insgesamt.

Himmelsregiment als Teamwork

Anfangs ist diese alle Gegensätze einschließende Dynamik in einer großen Schöpfergottheit, etwa in der "Großen Mutter" oder "Erdmutter" gebündelt. Die unterschiedlichen Naturerscheinungen gelten lediglich als Aspekte der einen unteilbaren, meist weiblichen und gebärenden Ur-Göttlichkeit. Im Lauf der Zeit setzt sich eine Art personaler Aufgabenteilung mit speziellen Zuständigkeiten durch: Eine Vielzahl eigenständiger Götter wächst heran, die untereinander verwandt sind, Bündnisse eingehen oder Streit und Kriege anzetteln. Ein weiteres Merkmal dieser "Evolution des Himmels und des Göttlichen" ist die Verdrängung weiblicher durch männliche Gottheiten.

Woher, wozu, wohin - der mythische Schöpfungsbogen

Mit seinen Antworten auf den Ursprung, den Gang und das Ende der Welt ist der Mythos letztlich eine geschichtliche Erzählung, die den gesamten Schöpfungskreis umspannt. Ein entscheidendes Merkmal ist dabei die Vorstellung einer zyklischen Zeitstruktur mit den immer gleichen Kreisläufen von Werden und Vergehen, Untergang und Erneuerung, Leben und Tod.

Seinen Ursprung hat dieses Denken vermutlich in der Beobachtung natürlicher und kosmischer Prozesse. Das Geschehen in der Natur und Sternenhimmel ist von zyklischen Abläufen unterschiedlicher Dauer geprägt. Tag und Nacht lösen sich in ewiger Folge ab, die Jahreszeiten kehren in ständigem Rhythmus wieder, Mond und Gestirne gehen in Zeiträumen auf und unter, die mit dem bloßen Auge messbar sind. Zyklische Abläufe als Spiegel der kosmischen Wirklichkeit bestimmen auch das Wesen des Menschen. Sie erscheinen im Menstruationszyklus der Frau, aber auch in Geburt und Tod oder in Jugend und Alter.


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