Bayern 2 - radioWissen


8

Wie wir Farben sehen Das Gehirn

Stand: 09.06.2011 | Archiv

LMU in München-Großhadern  | Bild: picture-alliance/dpa

Wie wir gesehen haben, nehmen die Fotorezeptoren der Netzhaut vereinfacht gesagt nur drei Farben, nämlich Rot, Grün und Blau wahr. Doch die Welt ist wesentlich bunter.

Die Welt in Color - Das Gehirn kommt ins Spiel

Normalsichtige Menschen können bis zu sieben Millionen Farb- und über 500 Helligkeitswerte, mehr als 200 Farbtöne und 20 Farbsättigungsstufen unterscheiden. Dieses farbige Wunder vollbringt alleine das Gehirn. Erst in der so genannten Sehrinde setzt es den endgültigen Farbeindruck aus dem Neuronenfeuer der Fotorezeptoren und Ganglienzellen zusammen.

Wie dieser erstaunliche Prozess im Detail funktioniert, ist bislang nicht restlos geklärt. Unbestritten ist allerdings, was bereits Newton erkannte, und was Eckard Voland, Professor für Biophilosophie an der Justus-Liebig-Universität Giessen, so formuliert: "Die Farben sind vom Gehirn generierte Erlebnisqualitäten bloßer elektromagnetischer Strahlung in einer absolut farblosen Welt."

Licht ist Geist - Der farbige Sieg über die Finsternis

"Farbe hilft Licht auszudrücken, ich meine nicht das physikalische Phänomen, sondern das Licht, das nur im Kopf des Künstlers existiert."

Pablo Picasso

Die Farbigkeit der Welt ist also keine Eigenschaft der physikalischen Realität, sondern eine der erstaunlichsten Leistungen der Biologie und des Geistes. Kein Wunder, dass dieses aus dem Geist geborene Phänomen den Menschen seit jeher beschäftigt und zu einer endlosen Kette philosophischer, religiöse oder künstlerischer Spekulationen angeregt hat. Die Lichtsymbolik spielt in allen Religionen eine bedeutende Rolle und führte im christlichen Mittelalter dazu, das Wesen Gottes als reines, schöpferisches Licht zu begreifen. Aus diesem Gedanken entstand das Bemühen der Gotik, lichtdurchflutete Kathedralen als Ausdruck des Göttlichen, als geistiges Abbild und sinnliche Vorahnung des Himmels zu bauen. Farben galten dabei als "Kleider Gottes", die seine Pracht und Kraft sichtbar erstrahlen ließen.

"Wenn ich nur an Grau, Grün und Weiß denke oder an Schwarzgelb, Schwefelgelb und Violett, überläuft mich ein Schauer von Wollust."

Max Beckmann Tagebucheintrag vom 8. Juni 1915

Der Abglanz dieser lichtsymbolischen Wirklichkeit leuchtet bis in unsere aufgeklärte Gegenwart. Und was Farbe, weit über Physik und Biologie hinaus bedeuten, welchen Genuss uns Farbe verschaffen kann, brachte vielleicht am leidenschaftlichsten der Maler Max Beckmann auf den Punkt.


8