Bayern 2 - radioWissen


3

Das Thema Mao und der Zweite Weltkrieg

Stand: 15.07.2013 | Archiv

Der spätere chinesische Staatschef Mao Zedong im Jahr 1945 in Yenan | Bild: picture-alliance/dpa

Obwohl Mao in seinem Einflussbereich unangefochten herrscht und gestützt auf finanzielle Unterstützung aus der Sowjetunion sowie reichlich sprudelnde Gewinne aus dem Opiumgeschäft die Rote Armee wieder aufbaut, ist er aus nationalpolitischer Sicht in Yenan isoliert.

Kraftprobe: Japans Angriff auf die Mandschurei

Noch sitzt Chiang Kai-shek am längeren Hebel, aber der Generalissimo ist angeschlagen: 1931 hat Japan die Mandschurei besetzt, eine Marionettenregierung bestellt und den abgesetzten Kaiser Puyi als Präsidenten installiert. Chiang toleriert die Provokation und zieht sich auch kampflos zurück, als Japan Shanghai angreift. Er begründet seine als Schwäche wahrgenommene Politik mit der Notwendigkeit, erst die Kommunisten zu besiegen, um sich die nötige innere Sicherheit für einen Krieg gegen Japan zu verschaffen. Für die Mehrheit der Chinesen ist diese Haltung unverständlich, ehrlos, demütigend und nicht hinnehmbar.

Krisengewinn: Der listige Fuchs zeigt die Krallen

Mao erkennt die Gunst der Stunde und fordert die Nationalisten öffentlich auf, gemeinsam gegen Japan vorzugehen. Chiang sperrt sich. Obwohl sich die allgemeine Stimmung gegen ihn wendet und auch zahlreiche Offiziere für ein entschlossenes Handeln gegen Japan plädieren, beharrt der Generalissimo auf seinem Kurs. Erst als am 7. Juli 1937 der Zweite Weltkrieg in Asien beginnt und Japan mit einer übermächtigen Invasionsarmee über China herfällt, stimmt er der Bildung einer Einheitsfront von Nationalisten und Kommunisten notgedrungen zu. Der Preis ist hoch: Als Gegenleistung für die Waffenhilfe fordert Mao das Recht auf eigene Truppen und eigene Hoheitsgebiete. Chiang hat keine Wahl und willigt ein. Die Hoffnung auf eine erfolgreiche Abwehr der japanischen Invasion zerschlägt sich jedoch rasch. Das hoch gerüstete, technisch überlegene japanische Heer marschiert unaufhaltsam vorwärts, bombardiert Shanghai, stürmt Nanking und besetzt schließlich Peking. Millionen Menschen flüchten aus den japanisch kontrollierten Gebieten, das schiere Chaos bricht aus.

Sollbruchstelle: Mao kündigt die Allianz mit den Nationalisten auf

Zu allem Überfluss zerfällt auch die Einheitsfront. Hierarchiekonflikte, Misstrauen und Feindseligkeiten blockieren die Kampfhandlungen, Übergriffe gegen kommunistische Armeeangehörige sind an der Tagesordnung. Als nationalistische Verbände im Januar 1941 mit Duldung Chiangs eine kommunistische Division vernichten, ist das Maß voll, Mao beendet die Allianz. Sein Etappenziel hat er ohnehin erreicht. Wie er seinem ersten Biographen Edgar Snow später anvertraut, begriff er den Krieg zwischen Japan und China von Anfang an nicht als patriotische Pflicht, sondern als Hebel, um die Partei voranbringen: "Unsere Politik bestand zu 70 Prozent in der Selbstentwicklung, zu 20 Prozent auf einem Kompromiss und zu zehn Prozent darin, die Japaner zu bekämpfen." Ende 1941 scheint die endgültige Niederlage Chinas unausweichlich. Doch dann begeht Japan einen historischen Fehler: Der Überfall auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 bedeutet das Ende der amerikanischen Neutralität im Japanisch-Chinesischen Krieg. Die Vereinigten Staaten verstehen sich nun als Verbündete Chinas und unterstützen Chiangs Armee durch Waffenlieferungen.

Machtfaktor Mao: US-Berater trainieren die Rote Armee

Während Chiang Kai-shek durch das Kriegsgeschehen gebunden ist, festigt Mao seine Machtbasis in Yenan. Die Kommunisten erhalten massenhaften Zulauf durch Bauern, Flüchtlinge und Vertriebene oder Deserteure der nationalistischen Armee. Beunruhigt durch die grassierende Korruption in der Kuomintang-Regierung und den schleppenden Kriegsverlauf, nehmen US-Berater im Juli 1944 erstmals Kontakt mit Mao auf. Der "Rote Führer" mit seinem Charisma und seinem wachsenden Rückhalt in der Bevölkerung gilt mittlerweile als ernstzunehmender Gesprächspartner und potenzieller Machtfaktor auf der chinesischen Nachkriegslandkarte. Widerwillig muss Chiang zugestehen, dass US-Offiziere die Rote Armee im Rahmen der so genannten "Dixie Mission" mit modernen Waffen ausrüsten und trainieren. Dass die Amerikaner dabei in erster Linie geheimdienstliche Interessen verfolgen, nimmt Mao in Kauf. Sein Ziel ist klar: Er sammelt Kraft, Knowhow, Kapital und militärische Stärke für den entscheidenden Showdown mit Chiang Kai-shek. Die letzte Phase des Kampfs um China beginnt im Herbst 1945. Sie wird vier Jahre dauern, das gesamte Riesenreich erfassen und abermals ungezählte Tote fordern.


3