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Wanderwege eines Menschheitssymbols

Das Labyrinth Wanderwege eines Menschheitssymbols

Stand: 07.12.2016

Steinlabyrinth als Kunstwerk in Rendsburg | Bild: picture-alliance/dpa

Um die Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus besiegen Festlandsgriechen das minoische Kreta. Mit der Herrschaft übernehmen sie einen Teil des kulturellen Erbes der Insel. Dazu gehört auch die Labyrinth-Idee. Allerdings nicht mehr in ihrer frühen Gestalt als einsträngiger Initiations- und Selbstfindungspfad, sondern als gebautes Ganggewirr. Wann, wo und in welchen Schritten sich die Verwandlung des getanzten "Labyrinthos" und seiner grafischen Repräsentation zum gemauerten Steinlabyrinth vollzieht, ist nicht klar. Fest steht nur das Ergebnis: Nun existiert neben der ursprünglichen Idee zugleich die Vorstellung eines bedrohlichen Irrgartens, der nicht länger Orientierung, sondern Verwirrung stiftet. Verändert hat sich zugleich die Mitte: Sie mutiert vom gestaltlosen Ort der Umkehr und radikalen Erneuerung zum Aufenthaltsort eines grausamen Monsters.

Ein Sinnbild mit Weltgeltung

Die griechischen Eroberer Kretas verbreiten beide Labyrinthformen im gesamten Mittelmeerraum. Im Gefolge der Feldzüge Alexanders des Großen wandert die Labyrinth-Idee dann immer weiter ostwärts und erreicht schließlich Indien. Heimisch wird hier allerdings nicht die jüngere Irrgarten-, sondern die ältere Initiationsvariante. Sie ist bis heute als geburtserleichterndes und -begleitendes Symbol im indischen Alltag gegenwärtig. Von Indien aus gelangt das Labyrinth nach Indonesien, schafft anschließend den Sprung über den Pazifik und erreicht den Süden der USA. Ein Niederschlag dieser erfolgreichen Wanderschaft ist das Tapuat, ein bei den Hopi-Indianern gebräuchliches, labyrinthförmiges Lebens-, Geburts- und Wiedergeburtssymbol.

Von Kreta an die Ostseeküste

Dass Labyrinthvorstellungen entlang der bronzezeitlichen Handelsrouten transportiert werden und bereits früh auch in Nordeuropa Fuß fassen, legen die so genannten "Trojaburgen" nahe. Bislang sind mehr als 600 dieser begehbaren, labyrinthartigen Steinsetzungen in Skandinavien und im Ostseeraum dokumentiert. Obwohl zahlreiche Hinweise für bronzezeitliche Ursprünge sprechen, ist die Datierung keinesfalls hinreichend gesichert.

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