Bayern 2 - radioWelt


0

Deutschland und die Flüchtlinge Abschiebungen von Kranken

Knapp 2.500 Menschen wurden dieses Jahr schon aus Bayern abgeschoben. Die meisten in ihre Heimat auf dem Westbalkan: Kosovo, Albanien und Serbien. Doch es gibt immer wieder Abschiebungen in sogenannte "sichere Herkunftsstaaten", die rechtlich fragwürdig sind. Judith Dauwalter hat einen Fall recherchiert.

Von: Judith Dauwalter

Stand: 02.09.2016

Abschiebung in Bayern | Bild: picture-alliance/dpa

Trauma Rückführung

"Ich verwende viele Antidepressiva und in dieser Nacht konnte ich bis halb 5 keinen Schlaf finden. Um 6 Uhr morgens hörte ich dann plötzlich Polizisten, sie öffneten unsere Türe und sagten uns, wir hätten eine halbe Stunde Zeit, um unsere Sachen zusammenzupacken. Mein Mann sagte den Polizisten, dass ich an einer psychischen Krankheit leide und sie noch auf das Attest vom Arzt warten würden, doch die Polizisten interessierten sich nicht dafür."

Abgelehnte Asylsuchende

Was Donika hier beschreibt, ist ihre Abschiebung. Ihren richtigen Namen will sie aus Angst nicht nennen. Ende Juli wurde sie mit ihrem Ehemann und den drei Kindern zurückgeführt. Aus einer Ingolstädter Unterkunft, die zur Ankunfts- und Rückführungseinrichtung (ARE) gehört.

Sicheres Herkunftsland Kosovo

Die Asylanträge der Familie hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt. Der Kosovo gilt als „sicheres Herkunftsland“: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass hier weder Verfolgung noch Krieg drohen. Aber: Donikas Fall ist anders, das stellen selbst die Behörden fest. Die junge Mutter ist schwer depressiv und hat schon einmal versucht, sich umzubringen.

"Eine Rückführung in das Heimatland ist aus amtsärztlicher Sicht derzeit nicht verantwortbar. Bei einer Abschiebung ist eine Suizidreaktion nicht auszuschließen. Mit einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist zu rechnen."

Aus dem psychiatrischen Gutachten

So das Fazit in einem Gutachten über Donika vom 15. Juni. Eine Psychiaterin des Ingolstädter Gesundheitsamts hat es im Auftrag der Zentralen Ausländerbehörde der Regierung von Oberbayern verfasst. Und trotzdem schob die Regierung Donika Ende Juli ab. Die oberbayerische und die Staats-Regierung betonen auf Nachfrage: Die Kosovarin sei vor dem Flug noch einmal untersucht und für reisefähig befunden worden.

Leidtragende der Politik

Von zahlreichen weiteren Fällen, in denen schwer kranke Menschen abgeschoben wurden, berichtet der Bayerische Flüchtlingsrat. Besonders betroffen: Asylbewerber aus Westbalkanstaaten. Sie seien, so der Flüchtlingsrat, Leidtragende einer politischen Vorgabe, möglichst schnell und möglichst viel abzuschieben.

Aus dem bayerischen Innenministerium heißt es: Das Verfahren sei streng rechtsstaatlich. Doch dass möglichst viele Abschiebungen in den Westbalkan politisch gewollt sind, bestätigt Innenminister Joachim Herrmann immer wieder. Vor einigen Wochen lobte er etwa die vergleichsweise hohe Zahl der Rückführungen. Sie hätten auch den Effekt …

"... dass dann die  Zahlen derer die neu gekommen sind aus dem Balkan in unser Land drastisch weniger geworden sind, weil gerade diejenigen, die einen Schleuser dafür bezahlen, doch sehen, wenn ich dann innerhalb von sechs Wochen wieder in meiner Heimat bin, dann geb ich kein Geld mehr für einen Schleuser aus."

Joachim Herrmann

Keine Hilfe im Kosovo

Die psychisch kranke Donika lebt seit einem Monat wieder im Nordkosovo. Medizinisch helfen könne ihr dort niemand. Das berichtet der deutsch-albanische Psychiater, der sie in Deutschland behandelt hat, besorgt: Er kenne im gesamten Kosovo keinen Kollegen mit psychotherapeutischer Ausbildung.


0