Bayern 2 - Notizbuch


17

Spurlos verschwunden Wie in Bayern nach Vermissten gesucht wird

Stellen Sie sich vor, Ihr Kind kommt eines Tages nicht aus der Schule zurück. Es kommt nicht am Abend, nicht am nächsten Tag, die Polizei ist ratlos. Ein Albtraum. Jeden Monat wird er für sechs bis acht Eltern in Deutschland Wirklichkeit. Allein im Freistaat gelten aktuell 510 Menschen als vermisst, 92 davon waren zum Zeitpunkt ihres Verschwindens minderjährig.

Von: Claudia Gürkov

Stand: 28.11.2013 | Archiv

Vermisste Personen in Bayern | Bild: BR

Wenn Kinder nicht mehr nach Hause kommen, kann das viele Gründe haben: Manche reißen schlichtweg von zuhause aus, manche verirren sich auf dem Heimweg oder werden in einen Unfall verwickelt. Schlimmstenfalls fallen sie einem Gewaltverbrechen zum Opfer oder werden entführt - von Kinderhändlern oder Kinderschändern, aber auch vom anderen Elternteil. Für die Eltern, Freunde und Angehörigen ist die Sorge und Ungewissheit, was mit dem geliebten Menschen passiert ist, das schlimmste. Die Hoffnung, dass sich das Kind vielleicht nur verlaufen hat und bald anruft oder zumindest schnell gefunden wird, schlägt schnell um in Verzweiflung und Panik. Umso wichtiger ist es, dass die betroffenen Eltern schnell Unterstützung erhalten. Immerhin: 97 Prozent der vermissten Personen tauchen binnen Jahresfrist wieder auf, etwa drei von hundert bleiben verschwunden.

Erwachsene Vermisste in Bayern

Auch von mehreren hundert Erwachsenen fehlt derzeit im Freistaat jede Spur. Davon haben sicherlich einige bewusst mit ihrem bisherigen Umfeld gebrochen. Andere sind vermutlichbeispielsweise beim Wandern in den Bergen verunglückt. Doch das LKA und die anderen Polizeibehörden gehen bei einigen der Vermissten auch von einem Gewaltverbrechen aus.

Die bayerische Polizei und die Vermisstenfälle

Wer ist zuständig?

Von der Vermisstenmeldung bis zum Fund oder bis zum Fall für die Mordkommission ist in Bayern die Polizei zuständig. Die Vermisstenmeldung nimmt die Schutzpolizei entgegen. Wird der Vermisste nicht gefunden und ein Verbrechen vermutet, wechselt der Fall an die zuständige Dienststelle, etwa die Mordkommission.

Für alle Fälle gilt: Wird jemand im Freistaat vermisst, ist schnelles Handeln gefragt. Von allen. Erste Anlaufstelle ist immer die Schutzpolizei in den örtlichen Polizeidienststellen. Diese schaltet dann bei Bedarf die Kriminalpolizei ein. In München kommt ein Vermisstenfall spätestens mit einem Fahndungsaufruf zur Vermisstenstelle, dem Kommissariat 14. Dort teilt der Leiter einen Sachbearbeiter ein, der den Fall in Eigenregie bearbeitet. Ist ein Kind verschwunden, läuft sofort eine großangelegte Suche an. Mit der Fahndung wird die Kripo eingeschaltet, die eine Suchaktionen in Auftrag gibt oder die Schutzpolizei Zeugen befragen lässt.

Schnelle Einschätzung der Lage wichtig

Suche nach vermisster Person | Bild: picture-alliance/dpa

Nicht selten wird bei vermissten Kindern schon am ersten Tag des Verschwindens eine Sonderkommission gebildet. Ähnlich ist es bei betagten Vermissten oder verwirrten Personen. Bei Jugendlichen bis 17 Jahren ist die Sachlage dagegen komplizierter. Hier muss die Polizei ermitteln, ob es sich um einen Ausreißer handeln könnte, die Gefahrenlage einschätzen und trotzdem so schnell wie möglich handeln. Ist der Vermisste volljährig, ist die Entscheidung noch schwieriger. Dann müssen die Ermittler feststellen, ob Fremd- oder Selbstgefährdung vorliegt.

Jeden Morgen stellen die Mitarbeiter der Vermisstenstelle ihre Fälle und den Stand der Ermittlungen vor. Sind mehrere Kollegen der Vermisstenstelle der Ansicht, dass die gesuchte Person einem Verbrechen zum Opfer fiel, wird der Fall an die zuständige Dienststelle weitergeleitet, an die Mordkommission zum Beispiel oder das Kommissariat für Sexualstraftaten.

Vermisstensuche außerhalb der Polizei

Hotline 11 60 00

Hand hält Telefonhörer | Bild: colourbox.com

Die europaweit einheitliche kostenlose Hotline hat die Telefonnummer 11 60 00. Hier können Angehörige und Freunde anrufen - aber auch Ausreißer, die wieder nach Hause zurückkehren wollen. Seit August 2011 ist die Hotline in Betrieb und rund um die Uhr mit geschultem Personal besetzt.

Bei der Suche nach vermissten Kindern können aber auch zahlreiche Vereine, Initiativen und Organisationen helfen. Führend und offiziell beauftragt ist die Initiative „Vermisste Kinder“. Dabei suchen die Mitarbeiter dort nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern - in Anlehnung an das Sozialgesetzbuch - auch junge Erwachsene bis zu einem Alter von 26 Jahren. 72 Vermisste hat die Initiative nach eigenen Angaben bisher im In- und Ausland wiedergefunden. „Vermisste Kinder“ verfügt über ein breites Instrumentarium: Die Initiative stellt Profile von Vermissten und die Kontakte zu den zuständigen Ermittlern auf die eigene Homepage. Außerdem betreibt sie im Auftrag der Bundesregierung die EU-weit kostenlose und einheitliche Hotline für vermisste Kinder.

Suche per Homepage, Facebook und Handy-App

Aktuelle Vermisstenmeldungen verbreitet die Initiative "Vermisste Kinder" über drei Wege: Binnen einer halben Stunde erscheint die Vermisstenmeldung auf Anzeigetafeln, etwa an Bahnhöfen oder Flughäfen. Außerdem nutzt die Initiative auch Facebook, wo sie die Plattform ‚Deutschland findet Euch‘ eingerichtet hat. Über 150.000 Nutzer sind bisher angemeldet, die einen Steckbrief kurz nach dessen Veröffentlichung weiterempfehlen. Binnen einer halben Stunde kann „Vermisste Kinder“ so eine halbe Million Menschen erreichen. Außerdem setzt die Initiative seit kurzem auch auf eine kostenlose App, die aktuelle Vermisstenmeldungen auf die Handys von über 100.000 Menschen verschickt.


17