Bayern 2 - Notizbuch


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Familiengeschichte Die Suche nach dem deutschen Freund

Eine englische Familie lädt einen deutschen Kriegsgefangenen zum Sonntagsessen ein - jede Woche. Daraus entwickelt sich eine Freundschaft, die die englischen Nachkommen nun aufleben lassen wollen. Sie begeben sich auf die Suche.

Von: Mira-Sophie Potten

Stand: 29.08.2014 | Archiv

Hilda und Jim Annison | Bild: Zena Brooks

Zena Brooks ist 39 Jahre alt und arbeitet seit einigen Monaten in Starnberg als Nanny. Sie kennt die Geschichte des deutschen Kriegsgefangenen namens Albert schon seit ihrer Kindheit. Immer wieder hat ihr Vater von den Begegnungen mit Albert erzählt, hat ihr Fotos gezeigt und an die gemeinsamen Sonntagsessen bei Zenas Großtante und -onkel Jim und Hilda Annison erinnert.

Zena Brooks

Jedes Wochenende luden die beiden den deutschen Soldaten zum Essen ein - aus der Hilfsbereitschaft gegenüber dem ehemaligen Feind wuchs eine Freundschaft. Doch als Albert wieder nach Deutschland zurückkehrte, riss der Kontakt ab.

Botschaft an Zenas Familie

Das einzige Überbleibsel ist ein Foto mit dieser Botschaft auf der Rückseite. Für die Nachkommen der Annisons, Zena Brooks und ihren Vater, ein Ansporn, die Familie des ehemaligen Kriegsgefangenen zu suchen und den Kontakt wieder herzustellen.

"Offensichtlich haben Albert die Besuche bei meiner Tante viel bedeutet. Es wäre schön, die Verbindung zu seiner Familie wieder aufleben zu lassen."

Zena Brooks

Ein Münchner in englischer Kriegsgefangenschaft

Der deutsche Soldat Albert stammte aus München und war als Kriegsgefangener in einem Lager in Norfolk im südöstlichen Zipfel Englands untergebracht. Er und die anderen Kriegsgefangenen arbeiteten auf den Feldern von Lord Henniker, dem ein großes Anwesen in der britischen Grafschaft Norfolk gehörte.

England: Das Anwesen von Lord Henniker

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England: Das Anwesen von Lord Henniker

Auf diesem Anwesen war auch Zena Brooks Familie angestellt - ihre Großtante Hilda und ihr Großonkel Jim Annison arbeiteten als "Gamekeeper" für Lord Henniker. Sie bereiteten die Jagd vor und kümmerten sich um die Wildtiere auf dem Landstück des Lords.

Hilda Annison


So kamen die beiden vermutlich auch mit Albert in Kontakt. Nach einer Weile lud Hilda Annison ihn zum Sonntagsessen ein. Keine alltägliche Geste, sagt ihre Großnichte Zena Brooks noch heute:

"In Großbritannien ist der 'Sunday lunch' eine wichtige Tradition. Es gibt meist einen Braten, viel Gemüse und es ist einfach ein großer Familientag. Ich denke meine Großtante Hilda hatte Mitleid mit den Soldaten, die so weit weg von ihren Familien und Ehefrauen waren."

Zena Brooks

Der Kontaktversuch aus Deutschland

Auch die Familie von Albert scheint die Gastfreundschaft der Annsions in guter Erinnerung behalten zu haben.

Die Postkarte des Neffen Helmut

Etwa zwanzig Jahre nach dem zweiten Weltkrieg versuchte der Neffe von Albert Kontakt zu den Annisons aufzunehmen. Er war damals mit einigen Freunden in der Nähe von London unterwegs und schickte ihnen diese Postkarte.

"Sehr geehrte Frau Annison – sie sind bestimmt überrascht, eine Postkarte von einem Unbekannten zu bekommen. Mein Name ist Helmut, ich bin der Neffe von Albert und gerade in London, um mein Englisch zu verbessern. Albert hat mir aufgetragen, Sie unbedingt zu besuchen."

Helmut aus München.

Ob dieses Treffen stattgefunden hat, ist nicht bekannt.

Eine Familie auf der Suche

Zena Brooks, die Großnichte des mittlerweile verstorbenen Ehepaars Annison, würde gerne erfahren, ob auch die Nachkommen von Albert B. die Nachkriegsgeschichte ihrer beiden Familien in positiver Erinnerung behalten haben.

"Es wäre schön einen Kontakt zu der deutschen Familie herzustellen und herauszufinden, ob auch sie diese Geschichte von Generation zu Generation weitergegeben haben."

Zena Brooks

Zena Brooks Facebook Post

Auf der Suche nach Hinweisen, postete sie einen Suchaufruf bei Facebook. Für eine Telefonrecherche reicht ihr Deutsch noch nicht aus - also habe ich den Hörer in die Hand genommen und mich für Zena auf die Spuren ihrer englisch-deutschen Freundschaftsgeschichte begeben.


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