Bayern 2 - Land und Leute


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Aufstand der Frauen Wie den Männern der Maibaum entgleitet

1. Mai, Feiertag: In den meisten Orten in Bayern stehen prächtig geschmückte Maibäume, mit viel Muskelschmalz von kräftigen Männern aufgestellt. So ist es Brauch im weiß-blauen Freistaat. Nicht aber in Großprüfening, einer Stadtrandgemeinde von Regensburg. Dort wuchtet seit ein paar Jahren ein gutes Dutzend Frauen gemeinsam mit den Männern den Maibaum in die Höhe und rüttelt damit an einem uralten Ritual. In Kleinprüfening dagegen, am anderen Ufer der Donau, ist die Welt noch in Ordnung. Hier begnügen sich die Frauen mit der Zuschauerrolle, klatschen den Männern artig Beifall ...

Von: Joseph Berlinger

Stand: 01.05.2016 | Archiv

Bereits 30 Jahre vor den Großprüfeninger Maibaum-Amazonen haben sich in Regensburg die Damen einer Keilberger Laienspielgruppe einen Maibaum unter den Nagel gerissen. Sie haben ihn gestohlen. | Bild: Hans Beer

Dass der Brauch des Maibaumaufstellens bis auf die Germanen zurückgeht, ist umstritten, regt aber niemanden auf. Dass die alten Zottelbärte ihre Waldgottheiten verehrt haben, liegt auf der Hand. Was aber jetzt, im dritten Jahrtausend, passiert, gleicht einer Revolution. Den Männern wird die Ausübung dieses alten Brauchtums streitig gemacht. Seit ein paar Jahren bereits erdreisten sich Frauen, dieses Ritual an sich zu reißen. In zwei Stadtrandgemeinden der Welterbestadt Regensburg lässt sich das Schisma festmachen.

Großprüfeninger Frauen läuten ein neues Zeitalter ein

Die beiden Orte sind nicht nur durch die Donau getrennt, sondern auch in ihrer Brauchtumsideologie. In Kleinprüfening ist die Welt noch in Ordnung. Da dürfen die Frauen beim Maibaumaufstellen nur zuschauen. Und sich dabei geehrt fühlen. In Großprüfening dagegen wuchtet ein gutes Dutzend Frauen zusammen mit einer Gruppe von Männern den Maibaum in die Höhe und läutet damit ein neues Zeitalter ein. Und die beteiligten Männer finden das auch noch gut.

Maibaum-Impressionen

"Der Sinn und Zweck vom Maibaumaufstellen ist doch das: die alten Wikinger haben das angefangen und haben zu Ehren und als Dank für die Frauen, weil sie das ganze Jahr gut gearbeitet und gewirtschaftet haben und was auch immer, haben die ihnen einen Baum aufgestellt. Die haben sich gefreut damals. Die werden sich nicht eingemischt haben, nicht um eine Nudel. - Wenn die Frauen nicht verehrt werden wollen, dann verachten wir sie halt. Dann lassen wir sie halt außer Acht. Bitte, wenn sie wollen! Das ist ihr Bier dann."

(Engelbert Dobler, Großprüfening)

"Vielleicht gibt es irgendwann mal einen kompletten Maibaum von Frauen aufgestellt, weiß ich nicht. Für mich war es immer wichtig, ein gesellschaftliches Miteinander zu machen, das war für mich immer im Vordergrund. Also nicht, dass wir jetzt als Frauen sagen, wir können das auch. Natürlich können wir das auch. Wir können auch viele andere Dinge. Aber die Grundidee war, dass wir alle zusammen den Maibaum aufstellen. Wir wollten ja eigentlich niemandem auf den Schlips treten. Ich war letztes Jahr schon sehr, sehr erstaunt, was das für eine Welle ausgelöst hat. Wo ich sag: ist das jetzt so etwas Besonderes? Finde ich jetzt nicht."

(Ellen Bogner, Großprüfening)

Bereits 1984 gab es in Regensburg einen Aufstand der Frauen

Alice Schwarzer

Die Welle ist hochgeschwappt bis zum feministischen Zentralorgan, bis zur "Emma". Was Alice Schwarzers Kampfblatt übersehen hat: die Großprüfeninger Suffragetten waren gar nicht die ersten Frauen, die sich den Maibaum unter den Nagel gerissen haben. Bereits im Jahre 1984, auch schon in Regensburg, gab es eine Gruppe von Frauen, die als Pionierinnen in die Geschichtsbücher eingehen sollten. Auf dem Keilberg, im Norden der Stadt, gab es eine Laienspielgruppe, die nicht damit zufrieden war, nur auf der Dorfbühne ihre Späße zu treiben.

"Da ist eine von den Theaterspielerinnen draufgekommen, das war die Angelika Schulz, die hat gesagt: 'Eigentlich könnten wir den Maibaum klauen.' Und wir Frauen waren gleich dafür. 'Das machen wir!' Wir wussten, der Maibaum ist schon ein Jahr alt und nicht zu schwer, den könnten wir packen."

(Renate Beer)

Renate Beer erinnert sich an den Abend noch genau. Als sie mit ihren Theaterfrauen und dem Ortspfarrer beim Abendessen saß. Der Pfarrer verabschiedete sich sehr bald. Weil er, wie er sagte, den Maibaum noch bewachen müsste. Weil in Bayern die Maibäume in den Nächten vor dem 1. Mai gern gestohlen werden, wollte er früh heim und aufpassen, dass nichts passiert.

"Bis der schön langsam heimgefahren ist, waren wir schneller und haben den Maibaum schon gestohlen. Bis der überhaupt dazu gekommen ist, dass er ihn bewacht."

(Renate Beer)

Am Tag nach dem Maibaumklau hatten die Keilberger Frauen rote Nacken und blaue Flecken. Waren aber mächtig stolz.

"Beim Aufstellen war natürlich auch die Feuerwehr dabei. Weil das wäre zu gefährlich. Weil die Frauen haben das ja nie gemacht. So ein Trum, wenn der runter fällt da? Die haben die Zangen mitgehalten, es werden da so Zangen reingesteckt. Die haben da mit hingelangt, die Frauen."

(Hans Beer)


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