Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. Februar 1985 "The Importance of Being Earnest" uraufgeführt

Oscar Wilde hielt "The Importance of Being Earnest" für seine beste Komödie – ironisch, geistreich und genial. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 14.02.2018 | Archiv

14 Februar

Mittwoch, 14. Februar 2018

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Was hing (oder muss man sagen: hängt?) nicht alles von einer sauberen Weste ab: Heiratsaussichten, geschäftliche Kontakte, überhaupt das gesamte gesellschaftliche Ansehen. Im ultraverlogenen viktorianischen Zeitalter führten deshalb nicht wenige Gentlemen ein Doppelleben, um Bordelle oder ähnlich verruchte Etablissements aufsuchen zu können. Anders wäre das ewige Haltung-Bewahren, die gähnende Langeweile bei Teerunden oder Dinner-Einladungen an der Seite sauertöpfischer alter Jungfern und verklemmter Backfische gar nicht auszuhalten gewesen. So zementierten sie allerdings auch die Heuchelei. Aber ließen sich bigotte Moral und hohle Etikette überhaupt durchbrechen, ohne die eigene Existenz zu ruinieren?

Gurkensandwiches sind eine ernste Sache

Der Schriftsteller Oscar Wilde griff das ernste Problem in seiner Komödie auf:„The Importance of Being Earnest“, „Ernst zu sein, ist alles“. Als das Stück am 14. Februar 1895 im Londoner St. James Theatre Premiere hatte, tobte das Publikum vor Begeisterung. Fühlte es sich getroffen? Wenn ja, dann zeigte es selbstverständlich niemand. Die originelle Farce voller Verwechslungen und Verwirrungen gewinnt ihre besondere Komik aus der Diskrepanz zwischen dem steifen Konversationston der Protagonisten und den läppischen Details wie Gurkensandwiches, die sie voller Ernst verhandeln, während Sitte und Anstand offensichtlich in Gefahr geraten. Denn die Fake-Identitäten der beiden Dandys Algernon und John drohen aufzufliegen, weil Algernon, der sich sonst unter dem Namen Bunbury auf Abwege begibt, es nicht lassen kann, einmal in die Rolle des liederlichen Alter Egos seines Freundes John zu schlüpfen und dessen fiktivem Bruder Ernst in den häuslichen Kreis einzuführen, zur großen Freude von Johns Mündel Cecily, die unbedingt einen Mann namens Ernst heiraten möchte, wie übrigens auch Algernons Cousine Gwendolyn, für die wiederum John alias Ernst schwärmt. Weshalb die beiden Herren ernsthaft eine Taufe auf den Namen Ernst in Betracht ziehen. Denn ernst zu sein, ist schließlich alles. Wilde stellte die gefühlskalte Mechanik und absurde Logik aristokratischen Denkens bloß - ohne dass ihm die upper classes aus dem gewagten Spiel einen Strick drehten.

"Genial, schön und ungeheuer geistreich"

Trotzdem stolperte der bekanntermaßen homosexuelle Dichter kurz nach der Premiere. Und er fiel tief. Wilde verlor nicht nur den Prozess, den er gegen einen Marquess zu führen wagte, weil dieser ihn einen "posierenden Sodomiten" genannt hatte. Er landete auch wider Erwarten wegen Unzucht im Gefängnis. Damit war seine Karriere abrupt beendet. Die harte Zwangsarbeit zerstörte seine Gesundheit. Oscar Wilde starb mit 46 Jahren. "Bunbury oder Ernst zu sein, ist alles" überlebte. Wildes "leichtes Stück für ernsthafte Leute" wird bis heute weltweit gerne gespielt. Zu Recht. Denn wie meinte doch sein superironischer Verfasser im Brustton ernsthafter Überzeugung? "Der erste Akt ist genial, der zweite schön und der dritte ungeheuer geistreich".


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