Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Februar 2005 Tag des Regenwurms

Der Regenwurm: unermüdlich, emsig, nützlich. Oder etwa doch nicht? Nach seiner Einwanderung in Amerika begann er, sich auch dort ungebeten "nützlich" zu machen. Autorin: Isabella Arcucci

Stand: 15.02.2018 | Archiv

15 Februar

Dienstag, 15. Februar 2005

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Helfen, nützlich sein, das gilt als schöner Wesenszug. Dabei kann Hilfe bisweilen kontraproduktiv werden, nämlich dann, wenn der andere gar keiner Hilfe bedarf. Ein solch ungebetener Helfer ist im Leben vieler Menschen beispielsweise die zu Besuch kommende Schwiegermutter. Noch nicht ganz zur Tür herein stürzt sie sich mit Vehemenz in die Arbeit. Sie wühlt sich durch Wäscheberge, räumt Schränke aus, ordnet alles um, stoßlüftet Räume, die vorher noch gemütlich warm und dampfig waren, kurz: sie bringt mit unermüdlicher Emsigkeit das fragile Ökosystem der eigenen Wohnbehaglichkeit durcheinander. Und wenn sie mit ihrer Zerstörungsarbeit fertig ist, soll man ihr auch noch dankbar sein. Denn die Aussicht auf Anerkennung war ja im Grunde der Antrieb für ihre Hilfsbereitschaft.

Die Tatkraft des "regen Wurms"

Solch selbsternannte Wohltäter  tragen bisweilen auch Schuld an der Destabilisierung ganzer Kontinente. Als Kolumbus Amerika entdeckte, brachte er einen ungebetenen Helfer mit. Nein, nicht seine Schwiegermutter – auch wenn es für manch einen ein verführerischer Gedanke sein dürfte, die eigene Schwiegermutter auf einem noch unentdeckten Kontinent auszusetzen….  Doch Kolumbus hatte angeblich jemanden im Gepäck, der bei vielen Menschen ebenfalls Aversionen auslöst: den in Amerika damals bereits ausgestorbenen Regenwurm. Später waren es die europäischen Siedler, welche die Regenwürmer als Fischköder importierten – und längst nicht alle von ihnen endeten am Haken.

Kaum in seiner neuen Heimat angekommen, stürzte sich der europäische Regenwurm mit Vehemenz in seine Arbeit. Er begann, sich durch das Erdreich zu wühlen und es so umzuschichten, zu lockern, zu belüften und er schleppte alte Blätter in seine Höhle, wo er sie von Bakterien vorverdauen ließ, um sie dann selbst zu fressen und als 1 A-Dünger hinten wieder auszuscheiden. Der Name "Regenwurm" hat übrigens nichts mit dem Niederschlag "Regen" zu tun, sondern geht auf das 16. Jahrhundert zurück, als man noch vom "regen Wurm" sprach, wegen dessen ständiger Aktivität, mit der er sich abrackert. Leider blieb in Amerika der Dank dafür aus.

Ein Gedenktag für einen "Schädling"

Mit seiner unermüdlichen Emsigkeit trägt der Regenwurm besonders in Nordamerika zur  Zerstörung des fragilen Ökosystems bei. Denn dort kam man, seit seinem Aussterben während der letzten Eiszeit, sehr gut ohne ihn zurecht. Im Winter erholt sich der nordamerikanische Waldboden unter einer dicken Laubschicht. Der Regenwurm aber trägt diese ab und sorgt so für das Absterben zahlreicher Pflanzen und raubt Kleintieren ihren Lebensraum im Laub. In Nordamerika gilt der Regenwurm daher als Schädling, den man bekämpfen muss. Dennoch: in den meisten Ländern ist der gesichtslose Wurm Gärtners und Försters Liebling. Am 15. Februar 2005 wurde deshalb weltweit der "Tag des Regenwurms" eingeführt, an welchem dem unverdrossenen Helfer mit zahlreichen Pressemitteilungen gehuldigt wird und Naturschützer mit feierlichem Ernst auf seine großen Verdienste hinweisen. Doch im Gegensatz zu so manch einem menschlichen "Wohltäter" dürfte dem blinden und tauben Regenwurm all das herzlich egal sein.


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