Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. Januar 1783 Katharina Daschkowa wird Akademie-Direktorin

Katharina Daschkowa interessierte sich für alles, sie half beim Staatsstreich in Russland und war Gast bei den führenden Intellektuellen Europas. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 24.01.2018 | Archiv

24 Januar

Mittwoch, 24. Januar 2018

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Juni 1762: An der Spitze von zwölftausend Soldaten zieht Zarin Katharina II., später die Große genannt, nach Peterhof, um ihren Ehemann zu stürzen und sich selbst zur Alleinherrscherin zu machen. An ihrer Seite reitet die neunzehnjährige Fürstin Katharina Daschkowa. Monatelang hat sie mit Offizieren konspiriert und triumphiert nun mit der Kaiserin.

Plaudern mit Voltaire, von den Highlands nach Pompeji

Später geht sie, früh verwitwet und bei der Zarin in Ungnade gefallen, auf Reisen. Neun Jahre lang streift sie mit ihren Kindern durch Europa, wird an den großen Höfen empfangen und lernt die führenden Köpfe der Aufklärung kennen. In Paris diskutiert sie nächtelang mit Denis Diderot und begegnet Benjamin Franklin, am Genfer See plaudert sie mit Voltaire. In London besucht sie den Staatsphilosophen Edmund Burke, in Edinburgh ist sie befreundet mit Adam Smith, dem Begründer der Volkswirtschaftslehre.

Die Fürstin interessiert sich für alles. Sie besichtigt Gemäldegalerien und Fabriken, Gärten und Hafenanlagen, die berühmte Mädchenschule Saint Cyr bei Paris und das Quarantänehospital in Livorno. Sie beobachtet Parlamentsdebatten und einen Quäkergottesdienst, erkundet die schottischen Highlands und die Überreste von Pompeji, wo sie empfiehlt, ein Freilichtmuseum als Touristenattraktion einzurichten.

Als sie 1782 nach Russland zurückkehrt, empfängt die Zarin sie als alte Freundin. Und ernennt sie am 24. Januar 1783 zur Direktorin der Petersburger Akademie der Wissenschaften. Eine unerhörte Entscheidung in einer Zeit, in der Frauen von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen sind. Die Akademie ist das Forschungszentrum des russischen Reichs, Gelehrte aus vielen Ländern arbeiten hier. Aber Korruption und Schlendrian haben sie fast ruiniert.

Katharina Daschkowa lässt keine Geldquelle ungenutzt, macht aus dem Akademieverlag ein profitables Unternehmen, vermietet sogar ungenutzte Keller. So bezahlt sie die Schulden, modernisiert die Labore, legt den botanischen Garten neu an und errichtet ein neues Gebäude. Die Professoren bekommen höhere Gehälter und alles, was sie für ihre Arbeit brauchen.

Katharina die Kleine

Ihr Lebenswerk ist die Gründung der Russischen Akademie nach dem Vorbild der Académie française. Aber die russische Schriftsprache ist noch vom altertümlichen Kirchenslawisch geprägt, die Aristokratie spricht und liest Französisch. Eine moderne russische Literatur entwickelt sich erst allmählich. Sie zu fördern, ist das große Anliegen der Fürstin Daschkowa. Unter ihrer Leitung entsteht das erste Wörterbuch der russischen Sprache, in den Zeitschriften der Akademie veröffentlicht sie Werke der jungen Schriftsteller.

Doch als die Zarin stirbt, verfolgt ihr Sohn und Nachfolger die Protegés seiner Mutter. Katharina Daschkowa verliert ihre Ämter und wird aufs Land verbannt. Nun schafft sie auf ihren riesigen Ländereien Musterbetriebe, um die russische Landwirtschaft zu modernisieren. Nur an der Leibeigenschaft rüttelt die Besitzerin von fünftausend Bauern niemals - in diesem Punkt bleibt sie taub für die Ideen der Aufklärung.

1810 stirbt "Katharina die Kleine", wie die Fürstin sich selbst kokett genannt hat. Als Kulturpolitikerin und Wissenschaftsmanagerin hat sie eine in ihrer Zeit ganz einmalige Rolle gespielt.


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