Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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25. März 1843 Eröffnung des Thames Tunnel

Immer schwieriger war es, den Londoner Großstadtverkehr auf Brücken über die Themse abzuwickeln. Da wagte man sich an einen Weg unter dem Fluss hindurch. 20 Jahre später, am 25. März 1843, war der Thames Tunnel fertig. Wenn auch anders als geplant.

Stand: 25.03.2011 | Archiv

25 März

Freitag, 25. März 2011

Autorin: Yvonne Maier

Sprecher: Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz

"Ein Pferd! Mein Königreich für ein Pferd!" - zu Shakespeares Zeiten waren Pferde in England noch wohlgelitten. Doch kaum 300 Jahre später waren sie nur noch lästig. Wenn auch leider unersetzbar. Denn der LKW war noch nicht erfunden und so zockelte ein Pferdefuhrwerk nach dem anderen über Londons Straßen, um die Hauptstadt des Britischen Empires mit Waren aus aller Welt zu versorgen. Das Problem dabei: die Themse, die sich durch die Stadt schlängelt. Denn um die zu überqueren, mussten die Pferde ihre vollbeladenen Fuhrwerke über Brücken ziehen. Und die hatten‘s in sich. 30 Meter ragten sie über der Wasseroberfläche in die Luft, denn auch die flachen Diesel-Schiffe, wie wir sie heute von Rhein oder Elbe kennen, waren noch nicht erfunden. Händler und Abenteurer aus dem gesamten Empire segelten direkt bis in die Stadt hinein - komplett mit hohen Masten, die nicht gekappt werden konnten.

Nun sind Lastpferde zwar sehr stark, doch auch sie schaffen nicht jede Steigung - 30 Meter hohe Brücken auf kurze Distanz - unmöglich. Und trotzdem brauchten die Londoner dringend einen neuen Übergang über die dreckigen Fluten ihres Nationalflusses - aus wirtschaftlichen Gründen. Ende des 19. Jahrhunderts stand London somit vor dem Verkehrskollaps und hatte einfach nicht mehr genügend Platz für sanft ansteigende Brückenrampen.

Was also tun? Nun - wenn es nicht mehr über die Themse geht - dann geht es vielleicht ja unten durch? Das dachte sich zumindest der Architekt Marc Brunel. Damit für einen Tunnel nun das Gefälle nicht wiederum zu steil würde, plante er am Ein- und Ausgang spiralförmige Rampen. Ein kühnes Unterfangen das Ganze, fast 400 Meter weit durch den weichen Schlamm unter dem Themsebett hindurch. Der Tunnel sollte so hoch und breit sein, dass zwei Pferdefuhrwerke nebeneinander durchpassten. 1825 begannen die Arbeiten.

Marc Brunel setzte dabei auf eine ganz neue Methode, er nutzte eine Art bewegliches Baugerüst, das sogenannte "Tunnelschild". An dem gruben zwölf Bauarbeiter nebeneinander und in drei Reihen übereinander. Es ging entsetzlich langsam. In Fünf-Zentimeter-Schritten gruben sich die Arbeiter nach vorne. 365 Meter weit. Ein Geduldsspiel - und ein riskantes dazu. Den Männern ging zwischendurch immer wieder die Luft aus, und sie mussten ohnmächtig nach draußen getragen werden.

Fast 20 Jahre später, am 25. März 1843, hatte die Schufterei endlich ein Ende - der Tunnel war fertig. Fast zumindest. Denn wie das bei Großprojekten so ist - die Kosten waren über die Jahre explodiert, und so gab es kein Geld mehr für die zwei spiralförmigen Rampen an Ein- und Ausgang. Ausgerechnet. Waren die doch eigentlich die Voraussetzung dafür gewesen, dass der Tunnel für den kommerziellen Verkehr genutzt werden konnte, deswegen hatte man ihn ja überhaupt erst gebaut. Und jetzt? Jetzt spazierten nur Fußgänger unter der Themse hindurch.

Ein Reinfall? Nicht ganz. Denn der Tunnel wurde schon bei der Eröffnung als "Achtes Weltwunder" gefeiert. Allein am ersten Tag zahlten 50.000 Londoner je einen Penny, um hindurchgehen zu dürfen und nach zehn Tagen waren schon eine Million Menschen unter der Themse hindurchgelaufen und das, wo London selbst nur zwei Millionen Einwohner hatte. Ein Touristenmagnet war entstanden, bis aus Frankreich und Deutschland kamen die Tunnelfans. Nur Pferdefuhrwerke - die hat man nie im Tunnel gesehen. Heute fährt die S-Bahn durch. Immerhin.


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